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Deutsch-polnische Regierungskonsultationen
Schwierige Gespräche in Warschau

Zu den Regierungskonsultationen zwischen Deutschland und Polen reist Bundeskanzlerin Angela Merkel mit 14 Vertretern deutscher Ministerien nach Warschau. Zwischen beiden Ländern gibt es einige Streitpunkte - nicht zuletzt die Gaspipline Nord-Stream 2.

Von Florian Kellermann | 02.11.2018
    Die deutsche und die polnische Nationalflagge sind gegen den Himmel zu sehen in Berlin.
    Seit dem Regierungsantritt der nationalkonservativen PiS-Partei 2015 gibt es zwischen Warschau und Berlin viele Konflikte (imago / Zuma Press)
    Die Atmosphäre zwischen Deutschland und Polen hat sich in den Tagen vor den Regierungskonsultationen wieder eingetrübt. Es begann mit einem Besuch des polnischen Staatspräsidenten Andrzej Duda in Berlin in der vergangenen Woche. Der Anlass sollte eigentlich feierlich sein - 100 Jahre polnische Unabhängigkeit.
    Nord-Stream 2 und Reparationszahlungen
    Aber Duda nutzte einerseits den Anlass zu massiver Kritik an Deutschland - wegen der deutsch-russischen Gaspipeline Nord-Stream 2. Andererseits wurde er selbst wiederholt mit dem Vorwurf konfrontiert, die polnische Regierung demontiere den Rechtsstaat. Dementsprechend angespannt war die Atmosphäre.
    In dieser Woche gab Duda noch ein Interview, in dem er erklärte, Deutschland schulde Polen noch Reparationen für den Zweiten Weltkrieg.
    Duda ist zwar kein Regierungsmitglied, aber er stammt aus der Regierungspartei PiS. Und Außenminister Jacek Czaputowicz erklärte bereits, er werde das Thema Nord-Stream 2 heute auf jeden Fall anschneiden.
    "Gas ist ein wichtiger Energieträger. Nord-Stream führt dazu, dass die EU abhängiger von den Lieferungen aus Russland wird, Moskau wird Druck auf die EU ausüben können. Es kann die Linie auch als Vorwand nutzen, seine militärische Präsenz in der Ostsee zu stärken."
    Polen hofft noch immer, dass es das Pipelineprojekt verhindern kann.
    Begegnungsstätten und Wirtschaftskooperation
    Entscheidungen werden von den Regierungskonsultationen nicht erwartet. Offiziell heißt es, die Kabinette würden sich über einige konkrete Projekte austauschen. Dazu gehört die Finanzierung der Jugendbegegnungsstätte in Kreisau und einer Ausstellung auf dem Gelände des ehemaligen deutschen Vernichtungslagers in Sobibor. Polen und Deutschland werden sich über ihre Arbeit im UN-Sicherheitsrat austauschen. Vom kommenden Jahr an werden dort beide Länder als nichtständige Mitglieder vertreten sein. Auch um Wirtschaftskooperation wird es gehen, etwa beim Bau von Batterien für Elektroautos.
    Abseits der großen Themen seien die deutsch-polnischen Beziehungen schließlich intakt, meint Agnieszka Lada von der Denkfabrik "Institut für öffentlichen Angelegenheiten":
    "Die Beziehungen zwischen den Menschen und die Wirtschaftsbeziehungen entwickeln sich weiter. Da hat sich über die Jahre ein Vertrauen aufgebaut, das zeigen Umfragen und Forschungen. Auch die Polen stehen da über dem politischen Streit und schauen pragmatisch auf den Partner im Westen. Sie sind immer bereit für einen Kompromiss."
    Gespanntes Verhältnis: Polen und die EU
    Tatsächlich erreicht der Handel zwischen Polen und Deutschland Jahr für Jahr neue Rekordmarken. Im vergangenen Jahr waren es schon 110 Milliarden Euro.
    Polen hat derzeit nicht nur ein gespanntes Verhältnis zu Deutschland, sondern auch zur EU-Kommission. Die hat beim Europäischen Gerichtshof Klage eingereicht gegen ein Gesetz der umstrittenen polnischen Justizreform. Die Richter haben es mit einer einstweiligen Verfügung vorerst gestoppt.
    Die Mitglieder der Bundesregierung werden es heute sicher positiv aufnehmen, dass sich Polen an den Beschluss halten will.
    Allerdings hat die polnische Regierung ihre eigene Vorstellung, wie es mit der EU weitergehen soll: Sie wünscht sich wieder mehr Kompetenzen für die Nationalstaaten - und möchte keinesfalls, dass sich einige Länder, etwa die Euro-Länder, stärker integrieren. Auch das wird heute sicher zu kontroversen Gesprächen führen.