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Deutsch-türkische Wirtschaftsbeziehungen
Es stehen schwierige Zeiten bevor

Die deutsche Wirtschaft hat viele Jahre gute Geschäfte gemacht mit der Türkei. Experten zufolge stehen aber jetzt wirtschaftlich schwierige Zeiten bevor. Unter anderem sind die Autoabsätze in der Türkei eingebrochen - ein Indikator dafür, dass der wirtschaftliche Gegenwind zunimmt.

Von Mischa Ehrhardt | 25.10.2018
    Ein Junge verlässt eine Wechselstube in Istanbul.
    Das Finanz- und Wirtschaftssystem in der Türkei steht unter Druck (dpa-Bildfunk / Mucahid Yapici)
    Für die türkische Wirtschaft schien lange die Sonne: Noch im vergangenen Jahr ist die Wirtschaft des Landes stärker gewachsen als in allen anderen G20-Staaten - nämlich um rund sieben Prozent. Doch diese Zeiten sind vorbei - und es stehen augenscheinlich schwere Zeiten bevor.
    "Wir gehen in der Tat davon aus, dass die Boomjahre in der Türkei vorbei sind. Die Kreditvergabe bricht ein, die Währung hat abgewertet, Importe werden extrem teuer. Das heißt alle Vorzeichen in der Türkei stehen auf Rezession", sagt Mauricio Vargas, Volkswirt und Türkei-Experte bei Union Investment.
    Rückläufige Maschinen-Exporte in die Türkei
    Ein Anzeichen für den starken Wirtschaftsrückgang: Die Autoabsätze in der Türkei sind eingebrochen - sie gelten als früher Indikator für wirtschaftlichen Gegenwind. Das betrifft dann auch deutsche Unternehmen. Die Exporte deutscher Maschinenbauer etwa sind zwischen Januar und Mai um fast fünf Prozent eingebrochen.
    Und der Verband der Maschinenbauer rechnet damit, dass sich diese Tendenz fortsetzen wird. Die Türkei hat weltweit den zwölftgrößten Markt für Maschinen aller Art. Das Marktvolumen liegt bei knapp 30 Milliarden Euro – und die deutschen Hersteller haben einen erheblichen Anteil daran.
    Laut dem Verband der deutschen Maschinenbauer, VDMA, ist Deutschland der wichtigste ausländische Maschinenanbieter in der Türkei mit einem Marktanteil von 13 Prozent. Deswegen sind deutsche Unternehmen stark daran interessiert, dass sich die Beziehungen zwischen Berlin und Ankara nicht verschlechtern.
    Umgekehrt können die Wirtschaftsbeziehungen aber auch dazu führen, die Verhältnisse in der Türkei zu verbessern, meint Martin Wansleben, Chef des Deutschen Industrie- und Handelskammertages: "Wir sind schon auch ein Faktor in der Türkei, denn die Politik in der Türkei hat ja angesichts einer jungen Bevölkerung die große Herausforderung, Arbeitsplätze anzubieten, um den jungen Leute eine Aufstiegsperspektive zu geben. Insofern kann Wirtschaften mit der Türkei sehr wohl dazu beitragen, Probleme in der Türkei zu lösen und gleichzeitig die Politik in der Türkei auf eine solche Reise in positiver Hinsicht mitzunehmen".
    Asymmetrische Wirtschaftsbeziehungen
    6.500 deutsche Unternehmen sind im Türkei-Geschäft engagiert. 120.000 Mitarbeiter beschäftigen deutsche Unternehmen am Bosporus. Neben Maschinen sind natürlich auch Autos aus Deutschland gefragt oder Produkte der chemischen Industrie. Allerdings sind die Wirtschaftsbeziehungen zu dem Land asymmetrisch. Die Bundesrepublik ist nach Daten des Statistikamtes Turkstat der größte Abnehmer türkischer Produkte - vor allem bei Nahrungsmitteln und Textilien.
    Etwa zehn Prozent der Exporte der Türkei gehen nach Deutschland, während aus deutscher Sicht die Bedeutung der Türkei zwar nicht unwesentlich, aber doch eher gering ist. Deswegen sind die Wirtschaftsbeziehungen zu Deutschland für den türkischen Präsidenten ein Pfund, mit dem er wuchern kann.
    Andererseits hat Deutschland aber auch seine Interessen, meint Martin Wansleben. "Herr Erdogan braucht selbstverständlich deutsche Unternehmen, genauso wie wir als Partner die Türkei brauchen. Wir sind eine alternde Gesellschaft. Die Türkei ist eine junge Gesellschaft. Für uns als alternde Gesellschaft ist es wichtig, Partner zu haben, die junge Gesellschaften sind. Und wenn wir ganz ehrlich sind und gucken uns in der Region um - nehmen wir nur mal die unmittelbaren Nachbarn, Irak, Iran, Syrien -, haben wir doch in jeder Form ein großes Interesse daran, einen Beitrag dazu zu leisten, die Türkei zu stabilisieren. Denn das ist dann wiederum ein nächster Schritt, um in einer guten Form die ganze Region zu stabilisieren".