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Deutsche Arbeiterwohlfahrt
Hilfe für die Rückkehrer im Kosovo

Menschen aus dem Kosovo haben kaum Chancen, in Deutschland Asyl zu erhalten. Die Rückkehrer stehen nach ihrer Ausweisung oft vor dem Nichts und haben keine Perspektive. Die Arbeiterwohlfahrt hilft den Menschen in Pristina, wieder Fuß zu fassen.

Von Ralf Borchard | 11.03.2015
    Ein Mann bettelt barfuß um Geld in in Pristina, der Hauptstadt des Kosovo.
    Viele Menschen im Kosovo sind arbeitslos und haben wenig Geld. (picture alliance / dpa / Valerie Plesch)
    Nezir Kolgeci schwankt zwischen Motivation und Frustration. Der Kosovare, der selbst lang in Deutschland gelebt hat, leitet das Beratungszentrum der Arbeiterwohlfahrt Nürnberg in Pristina, der Hauptstadt des Kosovo. 200 bis 300 Rückkehrer können Kolgeci und seine Mitarbeiter hier betreuen:
    "Also wir versuchen wirklich jetzt, den Leuten, die zurückkommen, auf allen verschiedenen Ebenen zu helfen. Bei Behördengängen, Schulbildung, wir machen auch Kurse, wir machen verschiedene Aktivitäten mit den Kindern dazu, wir haben den Psychologen da, der mithilft. Also wir versuchen wirklich, mit allem, was möglich ist, den Leuten die Reintegration hier anzupassen, also hier Fuß zu fassen."
    Auch für die Familie Stavica war das Büro der Arbeiterwohlfahrt nach der Rückkehr aus Deutschland die erste Anlaufstelle. In ihrem Heimatort Rahovec im Süden des Kosovo sind sie erst mal bei Bekannten untergekommen. In einem kleinen Zimmer mit Holfzofen schaukelt Hatixhe Stavica ihren knapp einjährigen Sohn in einer alten Holzwiege. Er ist in Schweinfurt geboren, wo sie sieben Monate lang als Asylbewerber gelebt haben. Bis die Abschiebung drohte:
    "Ich würde sofort zurück gehen nach Deutschland, wenn ich könnte", sagt Hatixhe Stavica. "Mir hat es dort sehr gut gefallen. Vor allem die medizinische Versorgung war im Vergleich zum Kosovo wunderbar. Für mich in der Schwangerschaft und für meine fünfjährige Tochter. Sie hat sich sich bei einem Sturz schwer am Kopf verletzt hat und seitdem Entwicklungsprobleme. Hier können wir uns keinen Arzt leisten", sagt die 27-Jährige unter Tränen.
    Die Niere für ein Haus verkauft
    Ihr achtjähriger Sohn vermisst am meisten die Schule in Schweinfurt, erzählt sie weiter. In Rahovec hat er sich die letzten Tage geweigert, in die Schule zu gehen, weil sie ihm keine neuen Straßenschuhe kaufen konnten. Er hat sich geschämt, in Hausschuhen zu gehen. "In Deutschland", sagt Hatixhe Stavica, "habe ich mich mit meinen Kindern zum ersten Mal sicher gefühlt."
    In Schweinfurt hat die fünfköpfige Familie 1080 Euro im Monat erhalten, sagt Mutter Hatixhe, hier sind es 85 Euro Sozialhilfe. Das ist die einzige staatliche Unterstützung im Kosovo, es reicht hinten und vorne nicht. Vater Reshat Stavica ist gerade unterwegs für einen Gelegenheitsjob. Er sammelt Feuerholz, für fünf Euro am Tag.
    Ihr Mann hat vor Jahren eine seiner Nieren verkauft, weil er der Familie ein Haus bauen wollte. Es wurde nie fertig, es ist nach wie vor eine Bauruine ohne Fenster. Auch für den 35-jährigen Vater Reshat war die Gesundheitsversorgung mit nur einer Niere in Deutschland viel besser.
    "Die Menschen in Schweinfurt waren insgesamt sehr hilfsbereit", sagt Hatixhe Stavica. "Hier in Rahovec helfen uns auch manchmal Nachbarn mit einem Euro für Milch für meinen kleinen Sohn, aber insgesamt ist es schwierig, den meisten hier geht es schlecht. In Schweinfurt hat eine ältere Frau, eine Nachbarin neben unserer Wohnung im Asylbewerberheim, regelmäßig mit mir Kaffee getrunken und manchmal 20 oder 30 Euro zugesteckt. Es ging uns wirklich gut dort."
    Gut ausgebildete Menschen gehen weg
    Zurück in Pristina im Büro der Arbeiterwohlfahrt. Auf die Frage, was sich vor allem ändern müsste im Kosovo, sagt Projektleiter Nezir Kolgeci:
    "Das Wichtigste, was also wirklich die Leute hier brauchen, das ist ein Job. Dass die jungen Leute wirklich einen Job haben. Wir verlieren ja auch wirklich gute Menschen hier vom Kosovo, gut ausgebildete Menschen, die weggehen. Wenn die Leute hier einen Job haben - das ist das beste, was man tun könnte."
    Die Regierung hier tut nichts, jedenfalls zu wenig für die Menschen - und auch die internationale Hilfe für das junge Land, erst seit 2008 unabhängig, ist kräftig schief gelaufen, sagt Kolgeci:
    "Also wenn es nicht schief gelaufen ist, wären die Leute nicht weg gegangen. Also ich denke schon: in Pristina ist es schön. Aber wenn man wirklich raus, außerhalb von Pristina fährt, wenn man die Leute dann draußen fragt - es ist ganz anders. Pristina ist sehr schön, ich komme auch gern in mein Büro hier. Aber ich weiß schon, wenn ich draußen bin, es ist ja wirklich zum Heulen traurig. Es ist wirklich zum Heulen traurig, was mit diesem Land passiert."