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Deutsche Bahn
Verwirrung um Bahncard-Reform

Bei der Deutschen Bahn weiß offenbar nicht jeder Verantwortliche, wohin es mit der Bahncard gehen soll. Vorstandschef Rüdiger Grube will die Karte in ihrer jetzigen Form beibehalten. Ein Aufsichtsratsmitglied sprach jedoch von einer Umwandlung, und Vorlagen für eine Aufsichtsratssitzung legen das ebenfalls nahe.

04.12.2014
    Porträt von Rüdiger Grube vor einem Logo der Deutschen Bahn in Frankfurt
    Bahnchef Rüdiger Grube will die Vorteile der Bahncard nicht abschaffen. (dpa / Arne Dedert)
    Offiziell vorgestellt hat die Deutsche Bahn ihre Pläne noch nicht. Aber nachdem der Hessische Rundfunk am Morgen aus einer Vorlage für eine Aufsichtsratssitzung zitierte, ist das Unternehmen in die Defensive geraten. Zuerst nannte es die angebliche Abschaffung der Bahncard eine "dreiste Falschmeldung", gab aber keine Details bekannt.
    Bahnchef Rüdiger Grube legte jetzt nach: "Es gibt keine Abschaffung der Bahncard. Das ist völliger Quatsch." In Hannover sagte er, die Bahn wäre mit dem Klammerbeutel gepudert, wenn sie die Karte, die millionfach verkauft werde, abschaffe: "Die Bahncard 50 wird es weiterhin geben genauso wie die Bahncard 25 und die Bahncard 100. Wir machen uns nur intensive Gedanken, wie können wir diese Bahnkarte noch attraktiver machen." Die Bahn sei schlecht beraten, denselben Fehler zweimal zu machen. Sie hatte die Karte schon 2002/03 zunächst abgeschafft, führte sie nach Protesten aber wieder ein.
    Bahn-Vorstandsmitglied Ulrich Homburg wurde noch etwas deutlicher. Er sagte, nicht alle Kunden fänden das System attraktiv. Denn um Rabatte zu bekommen, müssen die Kunden erst mal in Vorleistung gehen und eine Bahncard kaufen. Das sei nicht für alle attraktiv, deswegen denke man darüber nach, ergänzende Rabattangebote zu machen.
    HR: Unterlagen sprechen trotzdem für Abschaffung
    Der Hessische Rundfunk hält dagegen an seiner Darstellung fest. Es gebe eine vertrauliches Papier für den Aufsichtsrat, indem die Bahncard in ihrer jetzigen Form praktisch abgeschafft werden soll. Die Unterlagen stammten aus einer vertraulichen Quelle. Dort stehe schwarz auf weiß, dass die Karte von einem individuelleren Bonusprogramm abgelöst werden soll.
    Dafür sprechen auch Aussagen von DB-Aufsichtsratsmitglied Reiner Bieck. Er gab der "Welt" (Freitagsausgabe) ein Interview, das diesen Schluss nahelegt. Bisher bekommen Kunden mit einer Bahncard 50 auf fast alle Fahrten einen Rabatt von 50 Prozent. Mit einer Bahncard 25 gibt es dementsprechend 25 Prozent Rabatt auf spontane Fahrten; in Kombination mit Sparpreisen sind noch deutlich höhere Rabatte möglich. Solche festen Rabatte wird es laut Bieck, der auch Vorstandsmitglied der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) ist, künftig nicht mehr geben. Stattdessen solle die Bahncard in ein Kundenkonto mit variablen Rabatten umgewandelt werden. Details nannte er nicht.
    Porträt von Reiner Bieck aus dem Jahr 2010
    DB-Aufsichtsratsmitglied Reiner Bieck, hier in einer Aufnahme aus dem Jahr 2010. (dpa / Hannibal Hanschke)
    Verbesserungen beim Preis- und Rabattprogramm
    Die kennt aber der Hessische Rundfunk (HR). Er berichtet, dass es Rabatte künftig nur noch für Vielfahrer und Großkunden gibt und sie zudem von der Auslastung eines Zugs abhängen sollen. Der Entwurf zur faktischen Abschaffung der Bahncard in ihrer jetzigen Form ist Bieck zufolge bei der Aufsichtsratssitzung am 25. November besprochen worden. Bei einer weiteren Sitzung am kommenden Mittwoch soll er laut HR beschlossen werden.
    Der Aufsichtsrat erwarte vom Vorstand der Deutschen Bahn, "dass er uns Pläne zur Rückgewinnung von Fahrgästen und zur Entspannung der Situation im Geschäftsfeld Fernverkehr vorlegt", sagte Bieck der "Welt". Dazu gehörten Verbesserungen beim Preis- und Rabattprogramm. "Wir müssen uns fragen, ob das bisherige System noch den Vorstellungen der Kunden entspricht."
    Online-Ticket und Bahncard
    Die Bahncard wird millionenfach verkauft. (imago /Rüdiger Wölk)
    Wirtschaftliche Probleme
    Die Bahn will laut dem HR-Bericht im Fernverkehr drastisch sparen und die Kosten bis 2019 um 1,5 Milliarden Euro senken. Unwirtschaftliche Linien sollen eingestellt und die Nachtzüge nur noch "abhängig vom Optimierungspotenzial" weitergeführt werden. Damit reagiert die Bahn demnach auf andauernde Qualitätsmängel im ICE-/IC-Verkehr und auf den Wettbewerb durch Fernbusunternehmen, den der Konzern offenbar falsch eingeschätzt hatte. Der Umsatzverlust durch Busse wird mittelfristig mit 240 Millionen Euro pro Jahr beziffert.
    Die Deutsche Bahn hatte die Bahncard 50 schon 2002/03 vorübergehend abgeschafft, nach heftigen Protesten aber wieder eingeführt. Dass sie jetzt abgeschafft wird, dementiert auch Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU). "Sie ist beliebt, hat sich bewährt und wird Bestand haben", sagte er für den Bund als Eigentümer des Konzerns. "Die Bahncard gehört zur Mobilitätskultur in Deutschland." Damit sagte Dobrindt allerdings kaum etwas anderes als die Bahn selbst; zur Umwandlung der Bahncard äußerte sich der Minister nicht.
    (stfr/vic)