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Deutsche Bank contra Kirch
"Der Schaden ist gewaltig"

Fünf aktuelle und ehemalige Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bank stehen ab heute vor Gericht. "Der Schaden für die Bank ist gewaltig", sagte Hans-Peter Burghof, Professor für Bankwirtschaft, im DLF. Die Aufräumarbeiten seien möglicherweise nicht konsequent genug verfolgt worden.

Hans-Peter Burghof im Gespräch mit Dirk-Oliver Heckmann | 28.04.2015
    Hans-Peter Burghof, Professor für Bankwirtschaft und Finanzdienstleistungen an der Universität Hohenheim, aufgenommen am 10.05.2012 während der ZDF-Talksendung "Maybrit Illner"
    Hans-Peter Burghof, Professor für Bankwirtschaft und Finanzdienstleistungen an der Universität Hohenheim, aufgenommen am 10.05.2012. (picture alliance / dpa / Karlheinz Schindler)
    Noch nie standen fünf aktuelle und ehemalige Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bank - darunter Jürgen Fitschen - gleichzeitig vor Gericht. Um Schadenersatzansprüche seitens der Kirch-Gruppe abzuwenden, sollen sie in einem früheren Prozess vorsätzlich falsche Angaben gemacht zu haben.
    Der Imageschaden für die Deutsche Bank ist groß, sagt Hans-Peter Burghof. "Das passiert in großer Öffentlichkeit, der Vorwurf ist extrem gravierend. Als Kunde kann man sich nicht sicher fühlen, wenn die Deutsche Bank gewöhnlich sich so verhalten würde."
    Liborskandal ein "Gaunerstück"
    Auch der aktuelle Co-Vorsitzende Anshu Jain steht unter Druck - die Skandale um Libor und CO²-Zertifikate fallen in seinen Bereich. "Das zeigt, dass Aufräumen sehr schwierig ist, wenn man eine Vorgeschichte hat. Vieles, was wir auf dem Tisch haben, ist Altlast. Die Frage ist, ob bei der Aufarbeitung dieser Altlast immer mit hinreichender Konsequenz vorgegangen wurde." Der Liborskandal beispielsweise sei ein "Gaunerstück" gewesen, so Burghof. "Da gibt es keine Entschuldigung."
    Die Deutsche Bank tat sich zuletzt mit dem Privatkundengeschäft schwer, kaufte die Postbank, um sie bald wieder zu verkaufen. Demnächst soll ein Großteil der Filialen geschlossen werden. Burghof nannten das einen Hinweis auf Wandel, "nach einem großen Mastermind sieht das aber nicht aus".

    Das Interview in voller Länge:
    Dirk-Oliver Heckmann: Für die Deutsche Bank kommt es gerade knüppeldick. 2,3 Milliarden Euro musste Deutschlands führendes Geldinstitut auf den Tisch blättern, um den Skandal um manipulierte Zinssätze aus der Welt zu schaffen - ein Betrag, der weit höher ausfiel als erwartet. Dann die Meldung, dass sich die Deutsche Bank von der Postbank trennt, die sie erst vor wenigen Jahren erworben hat, um sich neue Kundenschichten zu erschließen. Und auch heute wird die Deutsche Bank wieder für Schlagzeilen sorgen, denn heute beginnt vor dem Landgericht München der Strafprozess gegen Co-Chef Jürgen Fitschen sowie seine Vorgänger Josef Ackermann und Rolf Breuer. Der Vorwurf: Versuchter Prozessbetrug in einem besonders schweren Fall.
    Am Telefon begrüße ich jetzt Professor Hans-Peter Burghof von der Universität Hohenheim. Schönen guten Morgen!
    Hans-Peter Burghof: Guten Morgen.
    Heckmann: Der Prozess gegen Fitschen und Co, das Ganze dürfte wenig imagefördernd sein für die Deutsche Bank, oder?
    Burghof: Ganz bestimmt nicht. Das ist natürlich was, was in großer Öffentlichkeit passiert und wo sich viele Gedanken darüber machen, wie denn eine Bank sich so verhalten kann. Der Vorwurf ist ja extrem gravierend. Als Kunde der Deutschen Bank könnte man sich ja nicht sehr sicher fühlen, wenn die Deutsche Bank gewöhnlich sich so verhalten würde. Ich nehme mal an, dass die Deutsche Bank das auch bestreiten wird mit gutem Grund, denn da ist natürlich dem Verhältnis zum Kunden jede Geschäftsgrundlage entzogen.
    Heckmann: Fitschen, der dürfte jetzt über Monate mit seinem Prozess beschäftigt sein, und das Woche für Woche. Kann man so einen Prozess mit dem Amt als Co-Chef der größten deutschen Bank unter einen Hut bringen?
    "Die Bank leidet unter diesem Prozess erheblich"
    Burghof: Die Gegenfrage ist natürlich: Kann man an dieser Stelle aufgeben und damit auch quasi ein Schuldeingeständnis möglicherweise machen und kann man akzeptieren, dass die letztendlich Staatsanwaltschaften entscheiden, wer Chef der Deutschen Bank ist. Wir haben ja das Problem in Deutschland, dass Medien, ich sage mal so, dass Medienkampagnen über führendes Personal in diesem Land entschieden haben, und in manchen Fällen war das nicht so schrecklich gut.
    Insofern: Ich fände es schon ganz gut, wenn man erst so was wie Rechtssicherheit hätte, ehe man dann tatsächlich jemand in die Wüste schickt. Denn dass man, wenn man zurücktreten ist, wieder zurückkommt, das ist sehr unwahrscheinlich. Wir haben als Menetekel gewissermaßen den Fall Wulff, wo im Grunde genommen wir unseren eigenen Bundespräsidenten abgeschossen haben, über den man sagen kann was man will. Aber dass er das verdient hätte, das tragen die Ergebnisse des Prozesses, der dann folgte, weiß Gott nicht.
    Heckmann: Das ist ein völlig berechtigter Hinweis. Dennoch bleibt ja die Frage, ob Jürgen Fitschen wirklich in der Lage ist, diese beiden Aufgaben zu schultern. Denn die Aufgaben auch bei der Deutschen Bank sind ja immens.
    Burghof: Die sind immens und die Bank leidet unter diesem Prozess natürlich aus dieser Perspektive heraus erheblich. Der Schaden ist gewaltig. Nun gut: Manager sollen leistungsstark sein und müssen sich sowieso vielen Aufgaben stellen, und die große Kunst ist dann, das Richtige zu tun und das mit Ruhe zu tun, und das ist natürlich noch schwerer, wenn man so einen Prozess an der Hacke hat. Das ist vollkommen klar.
    Ich bin da hin und hergerissen an der Stelle. Rein betriebswirtschaftlich würde ich sagen, ja, dann sollte er sich mal auf seinen Prozess konzentrieren. Aber es gibt auch andere Argumente.
    "Aufräumen mit einer Vorgeschichte ist sehr schwierig"
    Heckmann: Man muss dazu eigentlich sagen, dass nicht nur Jürgen Fitschen bekanntlich unter Druck ist. Auch Co-Vorstandssprecher Anshu Jain. Der muss sich mit ziemlich unerfreulichen Entwicklungen beschäftigen. Der Libor-Skandal, der ist ja in seinem Bereich aufgeflogen. Jetzt geht es auch noch um mögliche Verwicklungen in betrügerische Geschäfte beim Handel mit CO2-Zertifikaten, auch eine komplizierte Gemengelage und ein schwieriges Thema, das da auf ihn zukommen könnte. Wie passt das Ganze zusammen mit dem Image derjenigen, die ja eigentlich aufräumen wollten bei der Deutschen Bank?
    Burghof: Das zeigt, dass Aufräumen sehr schwierig ist, wenn man eine Vorgeschichte hat. Andererseits sollte man dann auch genau wissen, wo man aufräumen muss. Aber tatsächlich ist es so, ich will mal so sagen: Viel, was wir auf dem Tisch haben, ist Altlast. Das ist richtig. Aber die Frage ist natürlich, ob bei der Aufarbeitung dieser Altlast immer mit hinreichender Konsequenz vorgegangen wurde, ob da Dinge wirklich so verfolgt wurden, wie sie hätten verfolgt werden müssen. Denn über den Libor-Skandal, ich glaube, da gibt es keine Entschuldigung. Das ist ein übles Gaunerstück, wenn tatsächlich der Libor so manipuliert ist. Es ist übrigens auch wieder dieser Haken dieser Strafzahlungen, dass man am Ende keine gerichtliche Klärung hat. Das heißt, wenn ich jetzt sage, das war so, dann könnte man mir auch gleich antworten, nein, das war nicht so, wir haben nur gezahlt, um Ruhe zu bekommen. Das ist also ein schwieriges Geschäft, da jetzt nachweisen zu wollen, dass das wirklich so war. Ich bin deswegen eigentlich eher ein Freund von einem richtigen Gerichtsverfahren, wo nachher dann gerichtsfest festgestellt wird, was denn eigentlich Sache gewesen ist.
    Die Deutsche Bank ist da ganz erheblich in Bredouille und man muss sich auch was anderes fragen. Man muss sich nämlich fragen, ob die hohen Gewinne im Investment-Banking, die jetzt auch dazu führen, dass man das Investment-Banking eher weniger abbaut, ob die denn überhaupt Realität waren, ob die überhaupt da waren, oder, wenn man die Rechtsverfolgungskosten, die daraus folgen, abzieht, ob dann das Investment-Banking noch so schrecklich attraktiv war. Und dann muss man sich natürlich auch fragen, ob die hohen Gewinne nicht entstanden sind auch auf der Grundlage von Geschäften, die zweifelhaft sind.
    "Kreditinstitute haben mit Nebenwirkungen einer Niedrigzins-Politik zu kämpfen"
    Heckmann: Lassen Sie uns noch mal zurückblicken auf die Entscheidungen der vergangenen Jahre. Erst hat man ja das Privatkunden-Geschäft in die Bank24 auslagern wollen, dann gab es wieder den Rückzieher. Erst hat man die Postbank gekauft, um sich neue Käufer- und Kundenschichten zu erschließen, jetzt wieder der geplante Verkauf. Gestern wurde ja die neue Strategie vorgestellt, wonach ein großer Teil der Filialen geschlossen wird, dass die Postbank verkauft wird, auch der Investment-Bereich, der wird verkleinert. Haben Sie das Gefühl, dass hinter all dem eigentlich wirklich eine Strategie steckt?
    Burghof: Nach einem großen Maßnahmenpaket sieht das nicht aus, um es mal so zu sagen. Das ist natürlich auch eine Reaktion auf Wandel, der stattfindet, der auch andere Banken betrifft. Ich will mal einen Punkt sagen: zum Beispiel Zweigstellen. Zweigstellen werden in der gegenwärtigen Situation problematisch, weil man mit zinstragendem Geschäft kaum noch Gewinn machen kann. Zweigstellen sind ja zum Beispiel etwas, was Einlagen generiert, Kundeneinlagen. Erst mal verlagert sich dieses Einlagen generieren stärker aufs Internet heute. Und zweitens: Sie verdienen kein Geld mehr mit normalen Kundeneinlagen, weil Sie dann einen Zins nicht geben, sondern fordern müssten, der deutlich unter null Prozent läge, und das funktioniert im Kundengeschäft nicht, im Kundengeschäft mit kleineren Anlegern. Deswegen denken alle Banken im Moment darüber nach, was machen sie eigentlich mit ihrem Zweigstellen-System. Auch für jede Sparkasse ein ganz, ganz großes Problem, was machen wir damit, weil die in der gegenwärtigen Situation sich eigentlich kaum tragen. Man muss sich da überall Gedanken machen und eine richtige Lösung hat keiner. Das sind Nebenwirkungen einer Niedrigzins-Politik der EZB auf das deutsche Finanzsystem, die relativ verheerend sind und dem sich alle Kreditinstitute trotzdem stellen müssen.
    Heckmann: Die 2,3 Milliarden Euro Buße wegen des Libor-Skandals habe ich gerade schon angesprochen. Die Deutsche Bank, die konnte das deshalb ganz gut wegstecken, weil das Investment-Banking wieder sehr gut läuft. Ist das ein Zeichen dafür, dass das Kasino in der Finanzwirtschaft wieder eröffnet ist?
    Burghof: In einigen Bereichen gilt das sicherlich. Die amerikanischen Banken, die sehr stark auf ein Investment-Banking setzen, sind ja nun auch sehr erfolgreich und produzieren noch Gewinne in ganz anderen Dimensionen, die sie allerdings ähnlich wie die Deutsche Bank brauchen, um dann die Strafzahlungen für die Taten der Vergangenheit zu leisten. Fragt sich natürlich auch wieder: Sind diese Gewinne real, oder ist da auch wieder irgendetwas faul dran? Wenn man in bestimmten Märkten, die eigentlich sehr, sehr gut funktionieren, hohe Gewinne macht, dann muss man sich als Aufsicht, aber auch als Bankvorstand fragen, woran liegt das, wo kommen diese Gewinne her, und muss dann ganz genau prüfen, ob das möglicherweise rasante Spekulationen sind, aber vielleicht auch Manipulationen sind, die dann nachher, wenn es dann zur rechtlichen Prüfung kommt, nicht Bestand haben können. Da muss man ein ganz sorgfältiges Auge drauf haben. Von außen geht das nicht. Aber als Bankvorstand muss man genau sich überlegen, ist das jetzt wirklich Geschäft, was wir da machen, oder ist das eben wieder eine Luftnummer.
    Heckmann: Kommen wir noch ganz kurz zum Schluss - 30 Sekunden haben wir noch - auf den Prozess zu sprechen. Falls Fitschen und Co freigesprochen werden sollten, ist das dann eine gute Nachricht für die Deutsche Bank, oder entsteht da nicht ein neues Problem, weil die Deutsche Bank hat ja fast eine Milliarde Euro an die Kirch-Erben gezahlt, und das ist keine gute Nachricht aus Sicht der Aktionäre.
    Burghof: Ja, das ist natürlich sehr unerfreulich, und heute sagen auch viele Juristen, man hätte nicht so schnell klein beigeben müssen. Aber man kann immer nur situativ entscheiden. Damals hat man gehofft, man schafft sich das Problem wenigstens vom Halse und erspart sich einen langjährigen problematischen Prozess. Dass natürlich, wenn sie freigesprochen werden, damit ein Teil des Vorwurfs sich auch erledigt hat, wegen dem man gezahlt hat, das ist klar. Trotzdem wäre es wahrscheinlich doch eine gute Nachricht für die Deutsche Bank. Das heißt immer gegenhalten gegen das, was passieren würde, wenn sie verurteilt würden.
    Heckmann: Wir werden sehen, wie sich die Geschichte weiterentwickelt. Im Deutschlandfunk werden wir natürlich intensiv darüber berichten. Am Telefon war das Professor Hans-Peter Burghof von der Universität Hohenheim. Herr Burghof, danke Ihnen für Ihre Zeit!
    Burghof: Schönen Tag. Tschüss!