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Deutsche Bundesregierung soll bedrohte Journalisten besser schützen

Er sei kein Soldat, seine Waffe sei der Kugelschreiber, sagt Hamid Skif. Als der Zeitungsjournalist aus Algerien von islamistischen Terroristen bedroht wurde, hatte er Glück: die Heinrich-Böll-Stiftung lud ihn zunächst für drei Monate nach Deutschland ein; anschließend erhielt er ein Jahresstipendium der Hamburger Stiftung für politisch Verfolgte. Das Böll-Haus in Langenbroich, die Hamburger Stiftung und der PEN-Club gehören zu den wenigen Anlaufstellen in Deutschland, wo bedrohte Journalisten Zuflucht finden – auch mit Familie. Hamid Skif durfte mit seiner Frau und seinen Töchtern zwei Jahre in Hamburg bleiben. Er arbeitete als Journalist weiter, und konnte sogar einen Roman fertig stellen, der inzwischen ins Deutsche übersetzt und mit einem Preis ausgezeichnet worden ist. Hamid Skif hatte großes Glück, denn nur sehr wenige bedrohte Journalisten finden in Deutschland solchen Schutz. Zeynel Kizilyaprak, in der Türkei wegen angeblicher Propaganda für einen separaten Kurdenstaat mehrfach verhaftet, gefoltert und zuletzt im Untergrund, hat in den letzten 18 Monaten eine Odyssee quer durch Europa hinter sich: Deutschland, Österreich, Frankreich und wieder Deutschland waren die Stationen, immer mit Kurzstipendien.

Von Martina Sabra | 05.01.2004
    Es war sehr schwierig. Das ständige Hin und Her, von einem Ort zum anderen, immer wieder die Visa verlängern zu müssen. Ich bin dabei ein Buch über die kurdische Geschichte zu schreiben: es war unglaublich nervenzerrend ständig umzuziehen und dabei die Akten mitzunehmen. Ich bin mit den Gedanken ständig woanders, weil ich überhaupt nicht weiß, was die Zukunft bringt, wovon ich leben soll. Ich habe das Gefühl, immer noch auf der Flucht zu sein, genauso wie in der Türkei, als ich mich versteckte...

    Zur Zeit ist Kizilyaprak wieder auf dem Sprung, diesmal für vier Monate nach Hamburg. Er hofft, dass er danach in seine Heimatstadt Istanbul zurückkehren kann: die Türkei hat mit Blick auf den EU-Beitritt die Kurdengesetze gelockert, und die Gefängnisstrafe, vor der Kizilyaprak geflohen war, soll aufgehoben worden sein. Sicher sei aber noch gar nichts, sagt der Journalist:

    Zeynel Kizilyaprak befürchtet, dass die Liberalisierungsmaßnahmen der türkischen Regierung nur Kosmetik sein könnten. Klar ist aber: Ende März läuft sein Stipendium ab, und damit auch sein Visum. Die Erteilung von Visa und vor allem die Verlängerung des Aufenthaltes stellen die einschlägigen Hilfsorganisationen oft vor riesige Probleme, wenn sie Hilferufe aus dem Ausland bekommen. Um den Schutz bedrohter Kollegen zu verbessern, hat die deutsche Sektion von Reporter ohne Grenzen in Berlin gemeinsam mit anderen Menschenrechtsgruppen detaillierte Vorschläge ausgearbeitet. Kernpunkte des sogenannten "Programms zur Aufnahme bedrohter Menschenrechtsverteidiger" sind vereinfachte Einreise – und Aufenthaltsbestimmungen sowie die Erteilung befristeter Arbeitsgenehmigungen für bedrohte Journalistinnen und Journalisten. Das sei notwendig, weil das klassische Instrument der Hilfe für politisch Verfolgte, das Asylrecht, für bedrohte Medienleute oft ungeeignet sei, erklärt Elke Schäfter, Geschäftsführerin der deutschen Sektion von Reporter ohne Grenzen:

    Es ist ja so, dass Journalisten, die akut gefährdet sind, nicht unbedingt ins Asyl gehen wollen. Die müssen einfach für eine ne Weile aus der Schusslinie, und sie wollen ihre Arbeit fortsetzen. Da erhalten wir dann ein Visa, in einer akuten Situation, das dauert vielleicht zehn Tage, bis zu zwei Wochen. Das reicht ja in der Regel nicht aus, um die Gefährdung zu lösen. Und ich meine, man muss sich ja nichts vormachen, es ist nicht so, dass die Leute unbedingt hier her kommen wollen, es ist einfach so, dass es nicht mehr auszuhalten ist, und dass es oft ums eigene Leben geht. Die Leute haben oft andere Sorgen, als den Aufenthalt zu verlängern.

    Auch Zeynel Kizilyaprak will auf keinen Fall Asyl beantragen, weil er fürchtet, im Falle einer Ablehnung in der Türkei noch mehr Probleme zu bekommen, als er ohnehin schon hat. Theoretisch sollte ein Asylantrag auch gar nicht nötig sein, denn die Bundesrepublik Deutschland hat sich 1998 im Rahmen der UN-Erklärung zum Schutz von Menschenrechtsverteidigern verpflichtet, bedrohte Journalistinnen und Journalisten besonders zu unterstützen. Doch mit der Umsetzung hapert es noch. Auf Druck des Forums für Menschenrechte - ein nationales Netzwerk mit vierundvierzig Mitgliedsorganisationen, dem auch Reporter ohne Grenzen angehört - haben die vier Bundestagsfraktionen CDU/CSU, SPD, Bündnis 90/Grüne und FDP im November 2003 einen gemeinsamen Antrag zum Schutz von bedrohten Menschenrechtsverteidigern vorgelegt. Darin wird die Bundesregierung unter anderem aufgefordert, unabhängige Untersuchungen von Menschenrechts-Verletzungen zu unterstützen, die Straflosigkeit zu bekämpfen und den Aufbau unabhängiger Justizapparate in den Herkunftsländern zu fördern. Die Bundesregierung soll dazu verstärkt mit deutschen politischen Stiftungen und lokalen Nichtregierungsorganisationen vor Ort zusammenarbeiten. Erste Zeichen wurden bereits gesetzt: Am 10. Dezember 2003, dem Internationalen Tag der Menschenrechte, lud der Bundestag JournalistInnen aus Syrien, Brasilien, Tunesien, dem Tschad und Russland zu einer Anhörung nach Berlin ein.

    Das ist für uns eine wichtiges Instrument, diese Ebene der offiziellen Einladungen, weil Öffentlichkeit immer ein ganz wichtiger Schutz ist. Das haben auch die Gäste noch mal deutlich gemacht. Wir sind jetzt gespannt auf die konkreten Maßnahmen.

    Ein Anfang ist gemacht – nun darf man auf die konkreten Maßnahmen gespannt sein.