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Deutsche Burschenschaft "wird immer mehr zu einem Verband von Verfassungsfeinden"

Für die Politikwissenschaftlerin Alexandra Kurth haben sich seit Langem Teile der Deutsche Burschenschaft "von wichtigen Aspekten des Grundgesetzes verabschiedet". Angesichts dessen sollten Politiker, beispielsweise Bundesverkehrsminister Ramsauer, ihre Mitgliedschaft im Verband prüfen.

Alexandra Kurth im Gespräch mit Manfred Götzke | 26.11.2012
    Manfred Götzke: Stellt sich natürlich die Frage, was sagt das aus über den Dachverband Deutsche Burschenschaft. Das möchte ich mit Alexandra Kurth einordnen. Sie ist Politologin der Uni Gießen und ausgewiesene Expertin zu den Themen Rechtsextremismus und Studentenverbindungen. Frau Kurth, konservativ-liberale Burschenschaften hatten sich von dem Treffen ja ein klares Zeichen gegen Rechtsextremismus erhofft, das hat es also nicht gegeben. Steht die deutsche Burschenschaft noch auf dem Boden des Grundgesetzes?

    Alexandra Kurth: Das ist schwierig zu beantworten, wenn man die Frage so stellt, dass es um die Deutsche Burschenschaft als Ganzes geht. Teile der Deutschen Burschenschaft haben sich ein Stück weit von wichtigen Aspekten des Grundgesetzes verabschiedet, allerdings nicht jetzt erst in Stuttgart, sondern schon sehr viel länger, und die Kräfteverhältnisse, die jetzt erneut in Stuttgart sichtbar geworden sind, geben da doch Anlass zur Befürchtung, wobei man natürlich von der jetzt vorsitzenden Wiener akademischen Burschenschaft Teutonia auch nicht erwarten kann, dass sie auf dem Boden des Grundgesetzes steht, das ist für sie ja gar nicht gültig.

    Götzke: Genau, also die Teutonia Wien soll ja im nächsten Jahr den Vorsitz übernehmen. Was ist das für eine Verbindung und welches Zeichen setzt die Deutsche Burschenschaft damit?

    Kurth: Das ist eine Verbindung, die in den letzten Jahren in Österreich immer wieder für Skandale gesorgt hat. Es ist eine Verbindung am äußersten rechten Rand. Auch selbst wenn man sich die Homepage anschaut der Verbindung, wird das schon deutlich. Also wenn da aufgezählt wird, dass man die Mitglieder in allen Lebenslagen unterstützen will und dass dazu auch gehört das mannhafte Eintreten für unsere Heimat und unser Volk und dass es dabei um eine Erziehung geht, wo auch das völkische Wesen ausgebildet werden soll, was auch immer das bedeuten mag. Aber da liegt das Antidemokratische schon im Begriff.

    Götzke: Es sollte ja auf diesem Sonderburschentag klargestellt werden oder die Liberaleren wollten das, dass die Mitgliedschaft in verfassungsfeindlichen Vereinigungen mit dem Wirken in einer Burschenschaft unvereinbar ist, das wurde so nicht beschlossen. Was sagt das aus über diesen Verband?

    Kurth: Nun, das sagt aus, dass es noch nicht mal für diese Minimalforderung eine Mehrheit gibt. Also die Minimalforderung, zu sagen, wer Mitglied ist in einer verfassungsfeindlichen Organisation, der kann nicht Mitglied einer Burschenschaft sein – das würde ja trotzdem das Meinungsspektrum noch relativ weit offenhalten. Das heißt, die Mitgliedschaft in der NPD ist vereinbar mit der Mitgliedschaft in der Deutschen Burschenschaft genauso wie die Mitgliedschaft in allen möglichen anderen als verfassungsfeindlich eingestuften Gruppierungen.

    Götzke: Ist das nun also ein Verband von Verfassungsfeinden, kann man das so sagen?

    Kurth: Er ist sicherlich nicht insgesamt ein Verband von Verfassungsfeinden, aber man kann sagen, er wird immer mehr zu einem Verband von Verfassungsfeinden, weil der Erosionsprozess ja längst eingesetzt hat. Eine ganze Reihe von Burschenschaften sind in den letzten Jahren, man muss schon sagen in den letzten 20 Jahren ausgetreten, und es ist ja auch schon angekündigt worden, dass weitere Burschenschaften folgen werden, sodass das, was übrig bleibt, immer mehr der Kern der Verfassungsfeinde bilden wird.

    Götzke: Frau Kurth, letztlich sind ein bis zwei Prozent der Studierenden in Deutschland noch in Studentenverbindungen und davon nur noch ein Bruchteil in diesem Dachverband DB, der ja jetzt wahrscheinlich noch schrumpfen wird. Handelt es sich insofern um eine kleine Minderheit, von der keine Gefahr für Staat, Verfassung und Gesellschaft ausgeht?

    Kurth: Es handelt sich um eine Minderheit, aber obwohl es eine Minderheit ist, geht davon meines Erachtens eine Gefahr aus, und zwar deshalb, weil wir auch schon in der Vergangenheit sehen konnten, dass Burschenschaften Personal gestellt haben für rechtsextreme Organisationen. Das heißt, junge Männer, die ihre politische Sozialisation in Burschenschaften durchlaufen haben, sind dann nach dem Studium oder zum Teil auch schon während des Studiums aktiv geworden für rechtsextreme Organisationen und dort natürlich von unschätzbarem Wert, weil sie einfach entsprechendes akademisches Know-how mitbringen.

    Götzke: Die Burschenschaftler gelten ja als sehr gut vernetzt, bis in die Spitzen von Wirtschaft und Politik und nicht nur in rechtsextremen Organisationen. Welchen Einfluss haben Burschenschaftler aus dem Dachverband Deutsche Burschenschaft heute noch?

    Kurth: Es sind nach wie vor prominente Politiker, beispielsweise aus demokratischen Parteien, Mitglied in Burschenschaften der Deutschen Burschenschaft, das sind jetzt aber auch Burschenschaften, die auf diesem außerordentlichen Burschentag wie beispielsweise die Rhenano-Bavaria aus München auch versucht haben, entsprechend durch Anträge da diesem Rechtskurs etwas entgegenzusetzen, aber da sind sozusagen nach wie vor, was die verschiedenen Mitglieder angeht, die Grenzen noch sehr fließend. Also es sind nicht nur Mitglieder rechtsextremer Parteien oder rechtsextremer Organisationen Mitglied in Burschenschaften der DB, sondern auch Mitglieder demokratischer Parteien und demokratischer Organisationen.

    Götzke: Nun sind ja auch durchaus prominente Politiker – Verkehrsminister Ramsauer oder der CSU-Politiker Hans-Peter Uhl – in Burschenschaften, die auch im Dachverband DB organisiert sind. Ist das vereinbar, die Mitgliedschaft in einer demokratischen Partei mit der Mitgliedschaft in einer solchen Verbindung?

    Kurth: Also letztendlich kann diese Vereinbarkeit ja nur der Einzelne selber stellen, das heißt, Herr Ramsauer oder Herr Uhl müssen sich diese Frage stellen, ob das für sie vereinbar ist. Ich sehe da, wenn ich mir die Programmatiken angucke, also etwa die Programmatik der CDU und die Satzung der Deutschen Burschenschaft, sehe ich doch da einiges, was ich für nicht vereinbar halten würde. Die Franco-Bavaria in München, die hat sich ja relativ stark hervorgetan jetzt auf dem außerordentlichen Burschentag und eine ganze Reihe von Anträgen gestellt, von denen wir aber bislang wissen, dass sie nicht erfolgreich waren. Also von daher muss man gucken, wie jetzt quasi da in der entsprechenden Mitgliedschaft entschieden wird, welche Konsequenzen das hat.

    Götzke: Die Franco-Bavaria ist die Verbindung, in der Ramsauer Mitglied ist?

    Kurth: Richtig, richtig.

    Götzke: Ganz herzlichen Dank, Frau Kurth, für das Gespräch!

    Kurth: Bitte!


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