Donnerstag, 28. März 2024

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Deutsche Enthaltung "war das Mindeste"

Ein deutsches Nein bei der Abstimmung über die Anerkennung Palästinas als Beobachterstaat wäre auf "Unverständnis" gestoßen, sagt Rolf Mützenich. Bei den Bemühungen um einen Friedensprozess in Nahost werde es vor allem auf die Obama-Administration ankommen, so der außenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion im Bundestag.

Rolf Mützenich im Gespräch mit Christiane Kaess | 30.11.2012
    O-Ton Guido Westerwelle: "Unser Ziel ist und bleibt eine faire ausverhandelte Zwei-Staaten-Lösung. Nur sie wird dauerhaft Frieden und Stabilität in die Region bringen. Und deswegen ist dieses Votum der Vereinten Nationen auch ein Auftrag dafür, dass die Verhandlungsunterbrechung beendet wird, dass direkte Friedensgespräche wieder aufgenommen werden, und hier wird die internationale Gemeinschaft auch einen konstruktiven Beitrag leisten."

    Christiane Kaess: Die Reaktion von Bundesaußenminister Guido Westerwelle nach dem Beschluss bei den Vereinten Nationen, den Palästinensern einen Beobachterstatus zu verleihen. – 138 der 193 Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen stimmten für einen Beobachterstatus Palästinas. Mitglied der Vereinten Nationen sind die Palästinenser damit zwar nicht, sie können aber in Ausschüssen mitarbeiten und haben ein Rederecht bei Debatten. Außerdem hoffen die Palästinenser, dass ihre Position gegenüber Israel bei Verhandlungen über einen eigenen Staat jetzt gestärkt ist.
    Am Telefon mitgehört hat Rolf Mützenich, er ist außenpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im Bundestag. Guten Tag, Herr Mützenich!

    Rolf Mützenich: Guten Tag, Frau Kaess.

    Kaess: Herr Mützenich, Deutschland hat sich bei der Abstimmung enthalten. War das richtig?

    Mützenich: Nun, die Bundesregierung hat ja offensichtlich zwischen Nein und Enthaltung geschwankt, und ich glaube, das war das Mindeste gewesen, dieses Abstimmungsverhalten, um Präsident Abbas wieder die Stärke zuzuweisen, die er braucht, wenn dann Verhandlungen auch möglich werden.

    Kaess: Auf der anderen Seite: Wenn sich Deutschland mit Rücksicht auf Israel bei der Abstimmung enthalten hat, hätte man doch auch klar Position beziehen können für Israel.

    Mützenich: Ja das war offensichtlich in der Bundesregierung umstritten gewesen. Aber wir hatten ja auch vorher Diskussionen im Auswärtigen Ausschuss, und ich glaube, da ist der Bundesregierung auch deutlich geworden, dass über die Fraktionsgrenzen hinaus ein Nein auf Unverständnis gestoßen wäre.

    Kaess: Jetzt heißt es von Seiten der USA, die Anerkennung werde kontraproduktiv sein für die Verhandlungen über eine Zwei-Staaten-Lösung. Was glauben Sie?

    Mützenich: Ja es kommt eben insbesondere auf die Administration Obama an, auf die Außenministerin oder den neuen Außenminister, ob er sozusagen dann auch das Heft in die Hand nimmt und versucht, was wir ja gerade gehört haben, der alte Mechanismus wirkt nicht mehr, für neue Initiativen zu sorgen. Das wird erst nach der israelischen Wahl möglich sein. Und dann wird es natürlich insbesondere darauf ankommen, ob auch die israelische Regierung bereit ist, durch deutliche Zeichen und auch durch Verhandlungsbereitschaft möglicherweise zuerst mal außerhalb der Öffentlichkeit für diese Verhandlungen auch einzustehen. Ich glaube, Präsident Abbas ist weiterhin dazu bereit, und eine wichtige Initiative, die ja offensichtlich doch noch nicht ganz vom Tisch ist, ist auch die Initiative der Mitglieder der Arabischen Liga, Israel in den Grenzen von 1967 anzuerkennen, und darüber hinaus geht die palästinensische Autonomiebehörde vielleicht auch sogar etwas weiter.

    Kaess: Glauben Sie, dass sich die Fronten verhärtet haben zwischen Israel und den Palästinensern nach der Anerkennung?

    Mützenich: Das ist schwer zu beurteilen. Ich hoffe, dass beide Seiten und auch gerade die israelische Regierung klug genug ist, sich genau das Abstimmungsverhalten anzuschauen und auch zu sehen, dass in der Zukunft es notwendig ist, dass Israel weiterhin seinen Platz in der internationalen Gemeinschaft hat, und das wird es finden, wenn es auch zu einem verhandelten Frieden, zu einem gerechten Frieden mit bereit ist. Genauso wie auf der anderen Seite: Die Palästinenser haben offensichtlich - und die Hamas hat dem zugestimmt – Präsident Abbas beauftragt, diese Friedensgespräche zu führen. Auch das wäre wichtig. Und ich hoffe auch, dass die Spaltung in den Gebieten Palästinas auch überwunden werden kann.

    Kaess: Kann denn Israel seine Siedlungspolitik jetzt noch weiter so fortsetzen?

    Mützenich: Nun, wir haben ja schon immer – und ich glaube, das ist nicht nur fraktionsübergreifend, sondern innerhalb der internationalen Gemeinschaft auch Konsens – eben auch gerade den Siedlungsbau als ein großes Hemmnis identifiziert, und dass hier mit Sicherheit nicht immer wieder neue Fakten geschaffen werden dürfen, ist ganz offensichtlich. Und es geht ja auch nicht nur um Siedlungen, sondern es geht auch um eine gerechte Verteilung von wirtschaftlichen, von öffentlichen Gütern, auch von sauberem Trinkwasser bis hin eben auch in der Tat von Gebieten, und da kommt es wirklich darauf an, dass die Fakten, die geschaffen worden sind, natürlich vorhanden sind. Aber auf der anderen Seite: sie müssen auch aus dem Weg geräumt werden, und dazu sind beide Seiten, aber eben insbesondere auch die israelische Regierung aufgefordert. Und ich würde mir schon versprechen, dass, obwohl Europa ein unterschiedliches Abstimmungsverhalten in der Generalversammlung der Vereinten Nationen gezeigt hat, es hier auch zu einer gemeinsamen Initiative zusammen mit den USA und möglicherweise in der Tat Regionalorganisationen kommt.

    Kaess: Aber, Herr Mützenich, an den Verhältnissen, die Sie jetzt gerade geschildert haben, was ändert denn daran die Anerkennung der Palästinenser durch die UN?

    Mützenich: Ja eben relativ wenig, sondern im Grunde genommen war die Frage, dass Präsident Abbas diesen Antrag gestellt hat, durchaus ein Zeichen gewesen, dass er weiterhin auch bereit ist – und das zeigt ja auch die Resolution, die dort eingebracht worden ist – zu Friedensverhandlungen, dass er gestärkt werden muss. Und wir haben ja durch den Gazakrieg auch noch mal erlebt, wie schwierig es ist, sich sozusagen selbst zu behaupten in einer Rolle, die immer geringer letztlich wird, sowohl was mögliche Wahlergebnisse betrifft, bis hin dazu, dass das Siedlungsgebiet immer stärker letztlich ausgebaut wird. Das ist sozusagen leider die Realität, aber ich glaube, Präsident Abbas war bemüht gewesen, seine Rolle wieder neu zu definieren, und dazu hat diese Resolution aus seiner Sicht beigetragen.

    Kaess: Rolf Mützenich war das, er ist außenpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im Bundestag. Danke für das Gespräch, Herr Mützenich.

    Mützenich: Danke für die Einladung, Frau Kaess.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.