Freitag, 29. März 2024

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Deutsche Orchestervereinigung
NS-Vergangenheit von Hermann Voss war "im Verband unbekannt"

Hermann Voss, Gründer und langjähriger Geschäftsführer der Deutschen Orchestervereinigung, war während der NS-Zeit Kulturfunktionär im Reichspropagandaamt. Diese Vergangenheit sei ihm und dem Verband gänzlich unbekannt gewesen, sagte der aktuelle Geschäftsführer der DOV, Gerald Mertens, im Dlf.

Gerald Mertens im Gespräch mit Jochen Hubmacher | 08.02.2021
Logo der DOV mit Noten.
Die Deutsche Orchestervereinigung wurde 1952 gegründet - dabei war Hermann Voss (DOV)
Hermann Voss, Gründer und langjähriger Geschäftsführer der Deutschen Orchestervereinigung DOV, war während der NS-Zeit ein hochrangiger Kulturfunktionär im Reichspropagandaamt. Das hat der Historiker Martin Rempe herausgefunden.
In seinem neuen Buch "Kunst, Spiel. Arbeit – Musikerleben in Deutschland 1850 – 1960" bezeichnet der Historiker von der Universität Konstanz Hermann Voss als "willigen Jurist zu Diensten des nationalsozialistischen Kultur- und Propagandaapparats".

"Das war dem Verband gänzlich unbekannt"

"Ich war ziemlich überrascht", sagt Gerald Mertens, aktueller Geschäftsführer der Deutschen Orchestervereinigung, im Deutschlandfunk zu den Forschungsergebnissen. Er habe von der NS-Vergangenheit Hermann Voss‘ durch das Buch Martin Rempes erfahren: "Zur Zeit des Nationalsozialismus hieß es in den eigenen Unterlagen nur, dass er bei der Wehrmacht war und seinen Wehrdienst geleistet hat. Alle weiteren Funktionen, die erst durch dieses Buch herausgekommen sind, waren uns im Verband und mir gänzlich unbekannt", so Gerald Mertens.
Der Historiker Martin Rempe habe Zugang zu den Archivakten des Verbandes für die Erstellung des Buches gehabt. Nachdem die Verwicklungen von Hermann Voss mit dem NS-Regime vor etwa einem Jahr, im Dezember 2019, durch das Buch bekannt geworden seien, habe der Verband den Hermann-Voss gewidmeten Kulturpreis um seinen Namen bereinigt sowie noch politisch aktive Preisträger über diese historische Aufklärung informiert.

"1952 beginnt unsere Verbandsgeschichte"

Man verweigere sich nicht einer historischen Aufklärung, so Gerald Mertens im Deutschlandfunk – Martin Rempe habe ja schließlich den Zugang zu den Archiven des Verbandes gehabt.
"Aber der Verband ist erst nach dem Krieg gegründet worden. Und insofern finde ich das schon legitim, dass wir als Verband gesagt haben: Wir fangen 1952 an, da beginnt unsere Verbandsgeschichte."
Gerald Mertens, Geschäftsführer Deutsche Orchestervereinigung, DOV, verliest eine Resolution bei einer Protestaktion von rund 150 Berufsmusikern aller grossen öffentlich geförderten Orchester Deutschlands.
Gerald Mertens, aktueller DOV-Geschäftsführer: Historiker hatte "Zugang zu den Archivakten unseres Verbandes". (imago / Kristina Schäfer)
Denkbar sei jedoch, dass der Verband einen Hinweis auf die Historie Hermann Vosses einbringe – zurzeit ist auf der Website des Verbandes weder der Name Hermann Voss noch etwas zu seiner Geschichte zu finden. Den Verband mit anderen Verbänden zu vergleichen, die bereits im 19. Jahrhundert begründet wurden und sich in der Zeit des Nationalsozialismus "nicht mit Ruhm bekleckert haben – dass finde ich Birnen mit Zitronen miteinander verglichen", erklärte Gerald Mertens.

Gründung eng mit dem Namen Hermann Voss verknüpft

Die Deutsche Orchestervereinigung hat als Branchenverband und Musikergewerkschaft gut 12.000 Mitglieder. Sie gründete sich im Jahr 1952. In der Düsseldorfer Gaststätte "Wolfsschlucht" spalteten sich knapp 70 Orchester vom damaligen Musikerverband ab und begründeten ihre eigene Interessensvertretung: die DOV.
Die Gründung und die Aufbauphase der DOV sind eng mit dem Namen Hermann Voss verknüpft. Von 1952 bis 1976 war Voss Geschäftsführer der DOV. Seit 1979 verleiht die DOV alle drei Jahre ihren Hermann-Voss-Kulturpreis an Persönlichkeiten, die sich um die Orchesterkultur besonders verdient gemacht haben, zuletzt 2018 an die amtierende Kulturministerin Nordrhein-Westfalens, Isabell Pfeiffer-Poensgen.