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Deutsche Welle
Mitarbeiter befürchten Einstellung des deutschen Online-Programms

Journalisten äußern in einem offenen Brief die Sorge, dass nach dem deutschen Radio- auch das deutsche Online-Programm der Deutschen Welle eingestellt wird. Dabei verfügt der steuerfinanzierte Sender über so hohe Mittel wie noch nie. DW-Programmdirektorin Gerda Meuer weist die Vorwürfe zurück.

Gerda Meuer im Gespräch mit Henning Hübert | 13.01.2020
Der Sitz der Deutschen Welle in Bonn
Die Deutsche Welle soll im Ausland ein umfassendes Deutschlandbild vermitteln und einen Zugang zur deutschen Sprache schaffen (picture alliance/Bildagentur-online/Schoening)
Die rund 50 freien Journalistinnen und Journalisten der Deutschen Welle (DW) weisen in einem hier nachzulesenden offenen Brief an Staatsministerin Monika Grütters auf drastische Einschnitte im deutschsprachigen Online-Angebot hin, die ab Februar umgesetzt werden. Nachdem bereits vor neun Jahren das deutschsprachige Radioprogramm eingestellt wurde und im deutschen Fernsehkanal hauptsächlich Wiederholungen aus dem ARD/ZDF-Angebot laufen, sei die Onlinenutzung auf dw.com das einzige verbleibende deutschsprachige Vollprogramm, das Nutzer rund um die Uhr informieren könne.
Doch damit soll nun Schluss sein, erklären die Autoren des offenen Briefs, denn ab Februar sollen die Nachtschichten in der Nachrichtenredaktion größtenteils wegfallen. Die Folge: eine mehrstündige Informationslücke. Damit sei eine "Grundversorgung" nicht mehr gegeben, betonen die DW-Mitarbeiter. Über wichtige Ereignisse wie die Eskalation zwischen den USA und dem Iran, die Terroranschläge in Nizza 2017 oder den Putschversuch in der Türkei 2016 würde somit erst mit großer Verzögerung informiert.
Peter Limbourg, Intendant der Deutschen Welle DW, beim Deutsche Welle Global Media Forum SHIFTING POWERS 2019 in Bonn.
Peter Limbourg ist seit 2013 Intendant der Deutschen Welle (Sven Simon/picture-alliance )
Auch in anderen Bereichen werde gekürzt, etwa in den Fachredaktionen Politik, Wirtschaft, Kultur und Sport. Mehr als 1.600 Redaktionsschichten sollen pro Jahr eingespart werden. Die freien Mitarbeiter folgern daraus, dass Intendant Peter Limbourg plane, das deutsche Online-Programm mittelfristig einzustellen. Dabei hat sich das Budget des Senders kontinuierlich erhöht. "Belief sich der Etat 2013 noch auf 272 Millionen Euro, so sind es 2020 mehr als 365 Millionen Euro." Aktuell klaffe eine - im Vergleich zum Gesamtetat minimale - Lücke von zwei Millionen im Haushalt, die durch die Kürzungen in der Online-Berichterstattung geschlossen werden solle. Ein festangestellter Redakteur, der namentlich nicht genannt werden will, bestätigt die Sorgen der freien Mitarbeiter, die massive finanzielle Einschnitte verbuchen müssen.
Meuer: "Deutsche Sprache so wichtig wie andere Sprachen"
"Wir stehen natürlich weiter zum Deutsche-Welle-Gesetz, das ist die Basis und Grundlage unseres Arbeitens", erklärte DW-Programmdirektorin Gerda Meuer im Interview mit @mediasres. "Und natürlich gibt es weiter ein deutsches Online-Programm. Wir haben weiter einen 24/7-Kanal, einen Kulturkanal, der angepasst ist an die veränderte digitale Welt."
Meuer räumte Veränderungen im Online-Programm ab Februar ein. "Die Deutsche Welle steht dazu, dass wir die deutsche Sprache fördern auf allen unseren Ausspielwegen, aber wir müssen uns der veränderten, der digitalen Welt stellen und das heißt auch Veränderungen im Digitalen, im Online-Angebot. Uns ist Deutsch genauso wichtig wie alle anderen Sprachen auch."
Die Hauptzielgebiete lägen in Asien und Afrika, dort werde kein Deutsch gesprochen. "Menschen, die Deutsch sprechen, wollen ein anderes Angebot, zeigen alle unsere Umfragen." Die schnelle News könnten die User weltweit von anderen Online-Angeboten beziehen. "Was sie von uns wollen, sind Analysen, hintergründige Themen, die deutsche Analyse auf die Ereignisse in der Welt. Und um dem Rechnung zu tragen, gibt es die Umstrukturierung."
Deutsche Sprache fest verankert im Deutsche-Welle-Gesetz
Die Journalisten betonen in dem Brief, dass ein nicht fremdsprachenkundiger Steuerzahler nur auf einer deutschsprachigen Seite erkennen könne, was mit seinem Geld gemacht werde. Es gebe 130 Millionen Deutschsprechende weltweit - davon 7,5 Millionen Vertreter einer Deutsch sprechenden Minderheit in immerhin 42 Ländern. Natürlich erreichten Artikel auf Englisch oder Arabisch mehr Menschen als auf Deutsch, allerdings hätte ein großer Teil deutsche Ursprungstexte - während der Versuch, Englisch als Zuliefersprache zu nutzen, vielfach gescheitert sei. Die "Arbeitsfremdsprache" der meisten Redaktionen sei Deutsch.
Die Deutsche Welle ist der Auslandssender der Bundesrepublik Deutschland und Mitglied der ARD. In den beiden Standorten in Bonn (Zentrale) und Berlin arbeiten rund 1.500 festangestellte und fast ebenso so viele freie Mitarbeiter aus 60 Nationen. Ihr Auftrag ist es, ein umfassendes Deutschlandbild zu vermitteln und weltweite Ereignisse und Entwicklungen aus europäischer Perspektive darzustellen - und dabei die deutsche Sprache zu fördern, so sieht es das "Deutsche-Welle-Gesetz" vor. "So fördern wir das Verständnis zwischen den Kulturen und Völkern. Zugleich schaffen wir einen Zugang zur deutschen Sprache", heißt es auf der Homepage.
Deutsche-Welle-Gesetz:

§ 3 Aufgabe: (2) Die Angebote der Deutschen Welle werden in deutscher Sprache sowie auch in anderen Sprachen verbreitet.

§ 4 Ziele: Die Angebote der Deutschen Welle sollen Deutschland als europäisch gewachsene Kulturnation und freiheitlich verfaßten demokratischen Rechtsstaat verständlich machen. Sie sollen deutschen und anderen Sichtweisen zu wesentlichen Themen vor allem der Politik, Kultur und Wirtschaft sowohl in Europa wie in anderen Kontinenten ein Forum geben mit dem Ziel, das Verständnis und den Austausch der Kulturen und Völker zu fördern. Die Deutsche Welle fördert dabei insbesondere die deutsche Sprache.
Die Deutsche Welle finanziert sich vorwiegend über Steuergelder aus dem Bundeshaushalt. Dabei erhält sie ihren Zuschuss über den Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien. Das ist zurzeit Staatsministerin Monika Grütters.