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Deutscher Schulpreis 2021
Eine eigene Late-Night-Show für das Miteinander

Ein Gemeinschaftsgefühl herstellen ohne zusammen zu sein, das war die Herausforderung im Lockdown, die eine Hamburger Schule besonders gut umgesetzt hat - unter anderem mit einer aus dem TV abgekupferten Late-Night-Show. Dafür erhält sie von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier den Deutschen Schulpreis.

Von Manuel Waltz | 10.05.2021
Bundespräsident und Schirmherr Frank-Walter Steinmeier spricht bei der Verleihung des Deutschen Schulpreises 20|21 Spezial, die zum größten Teil digital stattfindet.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier spricht bei der Verleihung des Deutschen Schulpreises 20|21 Spezial, die zum größten Teil digital stattfindet. (dpa/Bern von Jutrczenska)
Schulleiter Björn Lengwenus kommt mit Hemd und offenem Sacko in sein Late-Night-Studio. Vor ihm der große Schreibtisch wie damals bei Harald Schmidt. Im Hintergrund die Silhouette von Hamburg mit einer Discokugel darüber. "Herzlich willkommen zu Dulsberg Late Night Nummero 20"
Als er im März 2020 alleine in den Fluren seiner Schule steht, wird ihm klar: Er muss nicht nur den Unterricht irgendwie aufrecht erhalten - er muss sich auch um Gemeinschaftsgefühl kümmern.
"Unser Schulmotto ist 'be part'. Weil wir nicht nur ganz differenziert unterrichten wollen, sondern jeder ein Puzzlestück des großen Ganzen ist und wie versuchen, schon im Schulalltag viele verbindende Dinge zusammen zu machen."

Eine Schule so bunt wie die Welt

Die Schule Alter Teichweg hat eine sehr bunte Schülerschaft: Sie beginnt in der ersten Klasse, Abschlüsse kann man in der zehnten oder der 13. Klasse machen, sie hat einen Schwerpunkt auf Inklusion genauso wie in der Begabtenförderung, ist auch Stützpunkt für den Spitzensport und dabei kommen die 1.600 Schülerinnen und Schüler aus mehr als 85 Nationen.
"So eine heterogene Schule gibt es, glaube ich, in Deutschland sonst gar nicht", sagt Schulleiter Björn Lengwenus.
Auf die Frage, wie bei so einer bunten und unterschiedlichen Schülerschaft, Unterricht überhaupt möglich ist, antwortet Schulleiter Lengwenus gerne: "Weil wir es so wollen, weil wir es genau so wollen: Eine Schule, die genau so bunt wie die Welt ist."
Dabei ist ein Gemeinschaftsgefühl enorm wichtig, die Schule soll eine Heimat sein, soll verbinden. Der digitale Unterricht funktionierte im Lockdown ganz gut, erinnert sich Lengwenus, daneben wurden beispielsweise auch Lernpakte per Leiterwagen ausgeteilt.
"Aber was uns wirklich gefehlt hat, ist das Miteinander, das man sonst am Tag hat, also auf dem Schulhof stehen, mal jemanden in den Arm nehmen, jemandem zulächeln, also all diese Dinge, die die Menschlichkeit ausmachen."

Eine Late Night Show als digitaler Pausenhof

Und weil die Schule bereits vorher medial ganz gut aufgestellt war, kam ihnen die Idee einer Late Night Show. Aufgebaut ist die Sendung wie bei Harald Schmidt: Lengwenus sitzt an seinem Schreibtisch, ordnet und kommentiert die Geschehnisse des Tages, interviewt Gäste und dazwischen kommen immer wieder Beiträge, die ihm die Kinder und Jugendlichen der Schule schicken.
"Ich habe mir viel Mühe gegeben, Frau Quehl zu schreiben. Du bist das Geburtstagskind und deshalb habe ich hier eine Krone hingestellt."
Eine Woche nach der Schulschließung ging die Show auf Sendung, jeden Abend gab es eine neue Folge. Mit beachtlichem Erfolg.
"Ja, so eine Collage ist, wie eine Late Night Show, ist ja ideal, um kleine Schnipsel unterzubringen. Da kann man eben Tänze und Beiträge schön anmoderieren und dadurch, dass wir es online gemacht haben und keine Fernsehshow war, war es dann auch ganz egal, ob die Sendung dann zwölf oder 20 Minuten lang war."
Täglich erhielt Lengwenus neue Filmchen unterschiedlichster Art, die er in die Show einbauen konnte.
"Hallo, ich werde heute, ähh, wie heißt das? Nicht Trick aber etwas, das ich mir selbst ausgedacht habe. Man braucht einen Topf, zwei Fäden, so etwas, wo man was drauf stellen kann und ein Gefäß, wo man Wasser rein füllt."

Gestärktes Gemeinschaftsgefühl nach dem Lockdown

Neben der Show gab es noch andere Aktionen: Das Schulessen wurde beispielsweise weiter verteilt, zu Ostern bekam jedes Kind einen Schokohase auf die Fußmatte….
"Und das hat über mehrere Wochen, die Schulgemeinschaft zusammengehalten. Wir hatten große Angst, dass unser Schulmotto "be part" verloren geht. Was sich aber gezeigt hat, ist, dass durch diese ganzen vielen Aktionen, die wir gemacht haben, das Motto nicht verloren gegangen ist, sondern so stark ist, wie nie zuvor."
Seitdem unterschreiben Eltern beispielsweise Mails an die Schule mit "be part" und künftig soll der Schulhof ein offener Treffpunkt für das Viertel werden, freut sich der Schulleiter. Auch die Show ist noch nicht zu Ende, auch wenn nach 28 Folgen für ihn selbst Schluss war.
"Wir hätten es glaube ich noch viel, viel länger gemacht aber irgendwann fehlt natürlich auch die Kraft, das hat viel Zeit gekostet. Und was wir gemacht haben, ist, diese Late Night Show ein bisschen in die Hände der Schülerinnen und Schüler zu übergeben. Seitdem findet, das heißt "die neue Show" statt. Im Prinzip, jeder Jahrgang von Klasse eins bis 13 darf eine eigene Show mit einem Filmemacher zusammen designen."