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Deutscher-Zukunftspreis-Nominierte
Ein Roboterarm mit Tastsinn

Drei Forscherteams sind für den diesjährigen Deutschen Zukunftspreis nominiert. Eines von ihnen hat sich der Robotik verschrieben: Die Experten haben einen Roboterarm entwickelt, der nicht nur feinfühlig ist, sondern auch lernfähig. Er könnte in Zukunft bei der Montage von Smartphones und Tablets eingesetzt werden.

Von Frank Grotelüschen | 27.11.2017
    Der vom Team des Roboterforschers Sami Haddadin entwickelte Roboterarm ist mit einem Tastsinn ausgestattet
    Der vom Team des Roboterforschers Sami Haddadin entwickelte Roboterarm ist mit einem Tastsinn ausgestattet (Ansgar Pudenz)
    Die Werkhalle eines Autokonzerns. Stoisch, mit kantigen Bewegungen erledigen Industrieroboter ihre Arbeit. Sie schweißen, kleben und beschichten – und zwar nach strikter Vorgabe, nach einem definierten Programm. Anders der Roboterarm, den das Team von Sami Haddadin entwickelt hat.

    "Diese Roboter sind insbesondere durch eine Fähigkeit sehr anders im Vergleich zu klassischen Industrierobotern: Das ist der Tastsinn. Diese Roboter können fühlen."
    Drei Maßnahmen hat es gebraucht, um einem Roboterarm das Fühlen beizubringen, sagt Haddadin, Professor für Regelungstechnik an der Uni Hannover. Erstens: Leichte Materialien statt wuchtiger Bauteile.
    "Leichtbau bedeutet feinfühliger in der Mechanik sozusagen."
    Zweitens: Sensoren, die die Kräfte messen, die von außen auf den Roboterarm einwirken. Und drittens: Ein zentrales Nervensystem, also eine Software, die die Sensorsignale intelligent verarbeitet: "Diese drei Dinge müssen ineinandergreifen und aufeinander abgestimmt sein und von Anfang an als ein Gesamtkunstwerk konzipiert worden sein."
    Eine menschlich anmutende Reaktion
    Der Roboterarm mit Tastsinn ist recht zierlich, mit seinen sieben Gelenken ziemlich beweglich, etwa so groß wie ein menschlicher Arm – und zeigt eine verblüffende Eigenschaft: Er spürt quasi, wenn er auf ein Hindernis trifft und weicht dann sofort ein Stückchen zurück. Eine geradezu menschlich anmutende Reaktion - und ein Sicherheitsfeature, das es erlaubt, dass Mensch und Maschine auf engstem Raum gemeinsam agieren können. Und: Die Forscher haben den Robotern beigebracht, sich die künstlichen Sinneseindrücke zu merken. Das macht die Maschinen lernfähig.
    "Sie können motorische Fähigkeiten autonom erlernen. Sie zeigen dem Roboter nur grob, was er tun soll. Und er erlernt dann autonom, wie er es tut und ist dann ein fähigeres Werkzeug, das Ihnen die Arbeit erleichtern kann."
    Wie das in der Praxis aussieht, zeigt Sami Haddadin in seinem Labor. Dort steht ein Roboterarm vor einer Metallleiste mit Löchern drin. In diese Löcher soll er Metallstifte stecken – was gar nicht so einfach ist, denn die Stifte passen gerade mal so in die Löcher, sagt Haddadins Kollege Lars Johannsmeier. Dann legt die Maschine los.
    "Er versucht jetzt herauszufinden, wie es überhaupt geht. Jetzt hat er das erste Mal das Loch getroffen. Noch ein bisschen langsam, ein bisschen unbeholfen."
    Beim nächsten Anlauf geht’s schon flinker. Und nach weiteren Versuchen hat er den Bogen raus, ganz von selbst, ohne Hilfe von außen.
    "Der Roboter versucht, Strategien zu finden, ein bisschen wie ein kleines Kind, wie das zum Erfolg führen kann. Und man sieht, wie es jetzt langsam immer feinfühliger wird, immer besser."
    Einsetzbar bei der Montage von Smartphones
    Der feinfühlige Roboter kann auch schon komplexere Aufgaben erledigen: Lars Johannsmeier zeigt auf einen Roboterarm, der vor einem abgeschlossenen Bücherschrank steht: "Ich gebe ihm einfach einen Klaps. Dann fährt er los." Zielsicher findet der Roboterarm das Schloss, steckt den Schlüssel rein, schließt auf und öffnet die Schiebetür. Dann greift er ein Buch und streckt es dem Forscher entgegen.
    "Ich gebe ihm einen kleinen Stups. Dann macht er den Greifer auf."
    Mittlerweile ist das System über das Prototyp-Stadium hinaus. Mit seinem Bruder Simon hat Sami Haddadin die Firma Franka Emika gegründet. Gemeinsam mit Chefingenieur Sven Parusel sind die beiden für den Deutschen Zukunftspreis (29. November) nominiert.
    "Die Produktion ist angelaufen. Das System, was jetzt gerade angeboten wird, nennt sich Panda. Das ist bei knapp unter 10.000 Euro in der Basisversion."
    Was den Roboterarm auch für kleine Unternehmen interessant macht. Einsetzbar wäre er zum Beispiel bei der Montage von Smartphones und Tablets, was derzeit noch per Handarbeit in Fernost passiert.
    "Durch die Roboter ist es möglich, das wieder in wirtschaftlicher Art und Weise hier in Deutschland durchzuführen."
    Unterstützung für Senioren
    Und Haddadin hat weitere Pläne. Bei einem Roboterarm nämlich soll es nicht bleiben. Der Forscher tüftelt bereits an einem Automaten, der Senioren in ihrem Alltag unterstützt.
    "Stellen Sie sich einen kleinen, sympathischen Zweiarm vor. Der hilft Ihnen im Alltag: Dinge aufheben, die Tür öffnen, einfache Mahlzeiten zubereiten, ein paar Erinnerungsfunktionen, und im Zweifelsfall auch den Notarzt rufen."
    Lange schienen die Ergebnisse der Robotik eher ernüchternd. Von aufgeweckten Maschinen, die geschmeidig mit Menschen agieren können, ist man noch ein gutes Stück entfernt. Doch das, meint Sami Haddadin, dürfte sich bald ändern.
    "Wir sind jetzt wirklich an dieser Schwelle, es passiert gerade sehr viel. Wir sind auf dem Weg in eine Ära der Robotik, absolut."