Donnerstag, 18. April 2024

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Deutschland als Antreiber

Klima. – Deutschland hat in diesem Jahr den Vorsitz der G8-Staaten und im ersten Halbjahr die EU-Präsidentschaft inne. Der Klimaexperte Professor Hans Joachim Schellnhuber, Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, fordert daher im Gespräch mit Grit Kienzlen besondere Anstrengungen von der Bundesregierung, damit Europa und die Industriestaaten in der nächsten Runde der Klimaschutzpolitik ihrer Rolle als Vorreiter und Antreiber gerecht werden. Schellnhuber ist Chefberater der Bundesregierung in Klimafragen.

02.02.2007
    Kienzlen: Was musste das Ziel der deutschen Politik seien angesichts der neuen Klima Erkenntnisse?

    Schellnhuber: Na ja, wie die Doppelpräsidentschaft schon impliziert: Deutschland muss dafür sorgen, dass innerhalb der Europäischen Union ein entsprechender Dialog jetzt geführt wird, dass man gegen Ende des Jahres mit einer Stimme kraftvoll für den Klimaschutz sprechen kann. Dann steht ja die nächste Vertragsstaatenkonferenz in Bali an, im Dezember dieses Jahres. Und da geht es letztendlich um die wichtigsten Vorbereitungen für die Nachfolge des Kyoto-Protokolls. Und dort muss Europa sicherlich in einer Vorreiterrolle auftreten, und mit einer starken Stimme sprechen. Da hat Deutschland sicherlich eine wichtige Funktion, um diesen europäischen Konvergenzprozess, wenn Sie so wollen, in Gang zu bringen. Und auf der anderen Seite, die G8, da muss man sagen, da sind die USA mit an Bord, natürlich, es wird in Heiligendamm diesen Gipfel geben, da werden Energie und Klima eine wichtige Rolle spielen. Deutschland muss in doppelter Weise Brücken bauen, versuchen Brücken zu bauen, in diesem Prozess, nämlich mit den USA speziell, was künftige Minderungen von Treibhausgasen angeht. Die USA sind ja nicht an Bord des Kyoto-Zuges gekommen, wie wir wissen. Aber, in Heiligendamm werden sicherlich auch die so genannten O5-Länder eine Rolle spielen, das heißt outreach countries, das sind die großen Schwellenländer, China, Indien und so weiter, die seit Gleneagles, also vor zwei Jahren, in dem Prozess einbezogen sind. Und letztendlich wird die Klimazukunft dieses Planeten [davon abhängen], ob diese Schwellenländer rechtzeitig an Bord kommen werden. Wofür allerdings die Bereitschaft der USA, sich dieser Gemeinschaft anzuschließen, entscheidende Voraussetzung ist.

    Kienzlen: Sie haben jetzt verschiedene Dinge angesprochen. Unter anderem das Kyoto-Protokoll. Und da ist es ja auch so, dass selbst die Unterzeichner nicht das einhalten, was das Protokoll vorsieht. Beispielsweise hat Spanien einen weit höheren CO2-Ausstoß. Da muss man doch fragen, was bringen all diese Gespräche?

    Schellnhuber: Na ja, es ist zunächst einmal, man kann auch sagen, the only show in town. Es gibt zunächst einmal keine Alternativen im internationalen Bereich, außer dem Kyoto-Protokoll. Das Kyoto-Protokoll hat natürlich darunter gelitten, dass, weil etwa die USA nicht an Bord kommen, dass es eigentlich nie das politische Gewicht entwickelt hat, das eigentlich verdienen würde. Insofern sind sicherlich verschiedene Staaten relativ lax mit ihren Verpflichtungen umgegangen. In Europa kann das ja aufgefangen werden, dass die anderen Länder in diesem Fall, da müssen eben andere Länder ihre Pflicht übererfüllen. Aber es ist sicherlich so, dass man zunächst einmal eher mit dem Finger auf andere gedeutet hat, wie jetzt die USA, oder Australien, als vor der eigenen Haustür zu kehren. Es ist allerdings auch so, dass man wahrscheinlich den Prozess des Klimawandels trotz allem nicht ernst genug genommen hat. Und der Anlass heute, der Sachstandsbericht der Vereinten Nationen, weist eben mit aller Deutlichkeit daraufhin, dass wir uns mitten in Klimawandel befinden. Dass der Mensch der Hauptverursacher ist und dass die Projektionen für die Zukunft ziemlich düster aussehen. Ich glaube, diese Botschaft ist auch in vielen Mitgliedsländern in Europa, gerade in den mediterranen Ländern, bisher nicht so angekommen, und ich hoffe, der Bericht wird hier ein deutliches Signal setzen. Also mit anderen Worten: Bisher hat die Bereitschaft gekrankt daran, dass man doch mit dem Finger auf andere gezeigt hat, und dass man nicht wirklich motiviert war etwas zu tun. Ich glaube, das wird sich jetzt ändern.

    Kienzlen: Die letzte gute Gelegenheit etwas zu tun, war ja die Weltklimakonferenz in Nairobi im vergangenen November. Und die war ein glatter Fehlschlag: Es gab keine Einigung für die Zeit nach Kyoto. Und dort ist genau das passiert, was Sie gerade gesagt haben: Die Industrienationen haben auf die Schwellenländer gezeigt, und die Schwellenländer haben auf die Industrienationen gezeigt, und es ist nichts passiert. Wie lässt sich das auflösen?


    Schellnhuber: Ja, das ist sicherlich ein Dilemma. Aber man muss dazu sagen, dass man vor Nairobi… Diese Konferenz, deren Ergebnis Sie richtig beschrieben haben, man hat sich vielleicht zu viel davon versprochen. Richtig ernst wird es wirklich erst in diesem Jahr. Dann geht es nämlich darum, so etwas wie ein Mandat für ernsthafte Verhandlungen auszusprechen, in Bali, das wird dann möglicherweise das Bali-Mandat. Vor dem Kyoto-Protokoll gab es ja das Berliner Mandat, das ist ja so ein bisschen in Vergessenheit geraten. Es war damals die erste Vertragsstaatenkonferenz, das damals Frau Merkel noch ausgehandelt hat, das Berliner Mandat. Sie war Präsidentin der Konferenz, ich kann mich noch sehr gut daran erinnern. Wenn also so ein Bali-Mandat kommen wird, mit dem Auftrag an die Vertragsstaaten - das hört sich alles fürchterlich juristisch kompliziert an, ich weiß, aber es muss eben erstmal so gehen. Wenn so ein Mandat kommt, dann habe ich schon positive Erwartungen, dass wir 2009 zu einem Nachfolgeprotokoll von Kyoto kommen können. Und in dieses Nachfolgeprotokoll muss dann sehr viel kraftvoller sein als Kyoto selbst war. Sie dürfen nicht vergessen, selbst wenn Kyoto vollständig umgesetzt worden wäre, hätte das die Temperaturerhöhung um gerade einmal ein Zehntel Grad verlangsamt. Wir brauchen natürlich jetzt etwas, das im Bereich von einem oder zwei Grad wirksam ist, und damit schließt sich der Kreis zu Ihrer ersten Frage. Damit in Bali die richtigen Verhandlungen geführt werden, müssen ja die Regierungschefs der wichtigsten Nationen ihre Position geltend machen. Es muss Klimaschutz wirklich Chefsache sein, und auch da wiederum bin ich zuversichtlich. Vor ein paar Jahren noch so eine Forderung zu stellen, wäre illusorisch gewesen. Inzwischen ist es aber möglich.