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Deutschland in der Coronakrise
Den Kommunen brechen die Einnahmen weg

Zahlreiche Städte und Gemeinden in Deutschland sind hoch verschuldet – schon vor der Coronakrise wurden deshalb Modelle diskutiert, um etwa Altschulden auf den Bund zu übertragen. Weil nun unter anderem die Einnahmen städtischer Betriebe fehlen, spitzt sich die Lage zu.

Von Silke Hahne | 27.03.2020
Leere Einkaufsstraßen in Kaiserslautern, verwaiste Innenstadt
Stillstand und Leere - das wird für die Kommen bald zu einem großen Problem werden (picture alliance / Fotostand / Schmitt)
Die Schwimmbäder sind dicht, in Bussen und Bahnen sind kaum noch Fahrgäste unterwegs und an den Flughäfen heben nur noch selten Flieger ab. Die Folgen der Coronavirus-Pandemie reißen tiefe Löcher in die Haushalte der Kommunen.
Bedrohlich für die kommunalen Kassen aber dürfte in den kommenden Monaten vor allem der Wegfall von Steuereinnahmen werden. Besonders auf die Gewerbesteuer seien viele Städte und Gemeinden angewiesen, so Tobias Hentze, Experte für Öffentliche Finanzen beim Institut der deutschen Wirtschaft IW in Köln:
"Und wenn jetzt die Gewinne der Unternehmen einbrechen, und dementsprechend kaum noch Gewerbesteuereinnahmen zu verzeichnen sind, dann werden die Kommunen noch heftiger von der Krise getroffen werden als Bund und Länder."
Knapp eine Million Menschen in Kurzarbeit erwartet
Coronavirus
Coronavirus (imago / Science Photo Library)
Die Gewerbesteuer macht im Schnitt knapp 40 Prozent der kommunalen Steuereinnahmen aus, so der Deutsche Städtetag. Laut dessen Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy zeichnet sich jetzt schon ab, dass hier mit massiven Einbrüchen zu rechnen ist.
"Die Einnahmesituation wird sich insgesamt deutlich zuspitzen. Wir merken das jetzt schon im ersten Quartal bei der Gewerbesteuer, das wird im zweiten Quartal sicherlich nochmal deutlich zunehmen. Die Bundesagentur für Arbeit hat ja letzte Woche gesagt, sie rechnen Stand vor einer Woche mit knapp einer Million Menschen in Kurzarbeit. Danach sind noch Kurzarbeitshinweise gekommen. Das heißt, wir haben Probleme bei der Gewerbesteuer, wir werden Probleme bekommen bei der Einkommenssteuer."
Mit ersten Zahlen rechnet Dedy aber erst im April. Laut IW-Experte Tobias Hentze könnten die Kommunen ihre Einnahmen theoretisch über die kommunalen Hebesätze für die Gewerbesteuer hochschrauben. In vielen Kommunen seien diese Sätze aber schon sehr hoch.
"Von daher gibt es keinen Spielraum für Einnahmesteigerungen. Und dementsprechend sind die Kommunen darauf angewiesen, dass sie Mittel von den Ländern und möglicherweise auch vom Bund bekommen. Ansonsten wird es so laufen wie in der Vergangenheit. Die Kommunen werden Kassenkredite aufnehmen, um sich kurzfristig zu finanzieren."
Städtetag: "Wir werden auf Pump leben müssen"
Diese Kassenkredite sind vergleichbar mit Dispo-Krediten für Verbraucher: Eine kurzfristige Behelfslösung, ein Symptom der finanziellen Überforderung. Für Städtetags-Hauptgeschäftsführer Dedy führt aktuell kein Weg daran vorbei, dass Kommunen diese Kredite in der Krise aufstocken. Denn bei Konjunktureinbrüchen gibt es im kommunalen Haushaltsrecht keine Sonderregelungen wie etwa für den Bund. Eine Reihe von Städten spreche schon mit ihren Banken darüber, die Kreditlinien zu erhöhen:
"Auf Deutsch muss ich sagen: Wir werden auf Pump leben müssen, wir werden stärker in die Kreditaufnahme gehen müssen. Und das bedeutet natürlich, dass das irgendwann dann auch aufgeräumt werden muss. Und da werden wir sicherlich mit Bund und Ländern eine Reihe von Gesprächen führen müssen."
Und zwar über Nothilfen und Rettungsschirme auch für Städte und Gemeinden. Entscheidend werde sein, welchen Ausgang die Krise nehme, so Dedy. Also: Die Exit-Strategie der Bundesregierung.