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Deutschland kann "im Alleingang auch ein Klimaschutzgesetz verabschieden"

Der Vorsitzende des Umwelt-Sachverständigenrats, Martin Faulstich, kann sich höhere CO2-Abgaben vorstellen. Alternativ könne Deutschland auch selbstständig den Klimaschutz verschärfen. Eine wichtige Rolle schreibt er den Erneuerbaren zu, die faktisch die preisgünstigste Energiequelle seien.

Martin Faulstich im Gespräch mit Georg Ehring | 31.10.2013
    Georg Ehring: Wie geht es weiter mit der Energiewende? Darüber beraten heute Unterhändler von Unions-Parteien und SPD, und die Ampel steht zumindest auf Gelb. So schnell wie bisher wird es wohl nicht weitergehen mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien. Vor allem die garantierte Einspeisevergütung steht auf dem Prüfstand, und wenn die Investoren nicht mehr wissen, wie viel sie einnehmen, dann werden auch viele Investitionen auf den Prüfstand gestellt werden. Die Verbraucher vom Strom sollen nicht über Gebühr belastet werden, so das Argument. Professor Martin Faulstich ist der Vorsitzende des Sachverständigenrates für Umweltfragen und ihn begrüße ich jetzt am Telefon. Guten Tag, Herr Faulstich!

    Martin Faulstich: Ja! Guten Tag, Herr Ehring!

    Ehring: Herr Faulstich, wird erneuerbarer Strom ohne eine Reform der Förderung zu teuer?

    Faulstich: Wir haben natürlich jetzt viele Jahre, wie schon angesprochen, die Festvergütung gehabt. Das hatte ja auch den Vorteil, dass man diese Technologien im Markt anschieben konnte. Aber natürlich hat es da sicherlich in den einen oder anderen Bereichen Überförderungen gegeben und deswegen hat der Sachverständigenrat ja auch eine Reform vorgeschlagen. Aber ganz wichtig ist: Das EEG soll auf jeden Fall beibehalten werden. Es soll aber reformiert werden und natürlich mehr Marktelemente enthalten.

    Ehring: Wo liegen denn die Alternativen?

    Faulstich: Es ist ja so, durch die Festvergütung haben wir jetzt zum Beispiel solche Probleme, dass die Fotovoltaik-Anlagen alle zur Mittagszeit, wenn die Sonne scheint, gleichermaßen ins Netz gehen, und damit haben wir natürlich ganz niedrige Börsenpreise und eine hohe EEG-Umlage. Wenn man jetzt alle Anlagen verpflichtend in die Direktvermarktung schickt – bisher ist das nur freiwillig, wir wollen, dass sie alle verpflichtend in die Direktvermarktung geschickt werden -, dann würden auch manche Anlagenbetreiber sagen, wir richten die Anlagen vielleicht nicht nach Süden aus, sondern ein bisschen nach Westen und nach Osten. Dann können wir zwar weniger Stunden einspeisen, können aber höhere Preise erzielen und einen höheren Wert des Stroms generieren und insgesamt wäre das Portfolio dann ausgeglichener. Da gibt es sicherlich etliche Möglichkeiten, die Kosten zu senken und gleichzeitig die Erneuerbaren dennoch zielgerecht auszubauen.

    Ehring: Haben Sie denn den Eindruck, dass das in der Politik auf positiven Widerhall stößt, Ihre Vorschläge?

    Faulstich: Die Politik geht da natürlich mit einer sehr großen Breite heran. Es werden natürlich auch Positionen gehandelt, die Erneuerbaren zu deckeln. Das halten wir natürlich für fatal, denn man muss ja sagen, es gibt langfristig nun wirklich keine Alternative zu den Erneuerbaren. Aus der Nuklearenergie haben wir uns ja verabschiedet, die fossilen Energien tragen ganz klar zum Klimawandel bei. Aber selbst, sagen wir mal, Industrieverbände wie jetzt der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft sind ja auch unserer Auffassung, dass man das EEG beibehalten muss, nur dass man es marktgerechter gestalten muss. Also wir sind da doch noch zuversichtlicher Dinge.

    Ehring: Die Kosten für fossil erzeugten Strom werden ja in puncto Umwelt nicht so in den Preisen abgebildet, was mit dem Emissionshandel zu tun hat. Wie stellen Sie sich da die Reform vor?

    Faulstich: Natürlich hat der Emissionshandel bisher in Europa nicht die steuernde Wirkung, die wir uns erhofft haben. Dort muss wirklich dringend nachgesteuert werden, denn wenn es einen hohen CO2-Preis geben würde, dann würde das ganze System natürlich automatisch in die richtige Richtung gelenkt. Wenn es das aber nicht geben sollte, dann haben wir alternativ auch vorgeschlagen, dass Deutschland durchaus im Alleingang auch ein Klimaschutzgesetz verabschieden könnte. Es könnte auch CO2-Grenzwerte für alte Kraftwerke festlegen. Also es gibt auch eine ganze Menge Handlungsoptionen, die auf der nationalen Ebene möglich sind.

    Ehring: Wie können Sie denn die Kosten für Erneuerbare in Grenzen halten nach Ihren Vorstellungen?

    Faulstich: Man muss sagen, die Erneuerbaren sind ja derzeit schon sehr günstig, nur dass die Preisvorteile, die die Erneuerbaren haben, nicht weitergegeben werden. Der Industriestrompreis zum Beispiel an der Börse, der sinkt seit Jahren, und die Industrie hat schon Vorteile davon. Die Haushaltsstrompreise zumindest von den Entstehungskosten her sinken auch, nur die Preisvorteile werden derzeit nicht weitergegeben. Das, was wir wirklich brauchen: Wir brauchen wirklich eine echte volkswirtschaftliche Gesamtrechnung. Man muss sich ja mal vorstellen, dass so ein Land wie Deutschland alleine für 100 Milliarden Euro im Jahr Kohle, Öl und Gas einkauft. Diese Kosten werden natürlich nicht betrachtet. Auch die gesamten Gesundheitsschäden durch Abgase werden nicht betrachtet. Wenn man das alles zusammenzählt, dann würde man ziemlich schnell zu der Erkenntnis kommen, dass die Erneuerbaren faktisch eigentlich die preisgünstigste Energiequelle sind.

    Ehring: Die bisherige Bundesregierung hatte sich ja vorgenommen, 35 Prozent des Stroms aus Erneuerbaren zu erzeugen bis 2020. Ist das realistisch und angemessen?

    Faulstich: Das ist nicht nur realistisch; wir sind ja jetzt schon an guten Tagen bei 25 Prozent. Man muss wirklich sagen, dass die Erneuerbaren immer schneller gewachsen sind, als die Prognosen gezeigt haben, und damit sind wir klar auf dem richtigen Weg. Außerdem bietet das ja auch erhebliche industriepolitische Chancen, denn langfristig müssen ja auch viele Staaten auf der Welt auf Erneuerbare umsteigen. Wenn wir dann in Deutschland schon gezeigt haben, wie es geht und wie man es machen kann, dann haben wir da auch entsprechende Exportschlager.

    Ehring: Professor Martin Faulstich, der Vorsitzende des Sachverständigenrates für Umweltfragen war das. Danke für das Gespräch.


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