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Deutschland
OECD rügt unsoziale Wirtschaftspolitik

Bei der Vorstellung des OECD-Wirtschaftsberichts für Deutschland wurde die geplante Einführung des Mindestlohns gelobt. Ansonsten hagelte es Kritik für die aus OECD-Sicht unsoziale Wirtschaftspolitik der Bundesregierung: Vom Wachstum in Deutschland müssten unter anderem mehr Bürger profitieren.

Von Stefan Maas | 13.05.2014
    Gebäudereiniger laufen mit ihren Arbeitsmaterialien am Gürtel in ein Gebäude.
    OECD kritisiert den stark angewachsenen Niedriglohnsektor. (picture alliance / dpa-ZB / Ralf Hirschberger)
    Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel war die Freude kurz anzusehen, als der Generalssekretär der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Angel Gurria, bei der Vorstellung des OECD-Wirtschaftsausblicks für Deutschland sagte:
    "Die Pläne der Bundesregierung zur Einführung eines allgemeinen Mindestlohnes sind zu begrüßen."
    Nicht nur, weil Gurria diesen einen Satz nach einigen Versuchen auch auf Deutsch sprach. Das Lob für die geplante Einführung des Mindestlohns nahm der Wirtschaftsminister auch als Lob für die Politik der Großen Koalition. Dabei steht die vor großen Herausforderungen, sagte Gurria.
    Lob für positive Progression
    Deutschland habe die Krise auffallend gut überstanden, das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf sei sogar um dreieinhalb Prozent höher als vor der Krise. Die Arbeitslosigkeit sei gesunken. Und die Aussichten für dieses und kommendes Jahr sind gut. Für dieses Jahr erwartet die OECD ein Wachstum von 1,9 Prozent, für das kommende Jahr sogar 2,3 Prozent. Doch verbunden mit diesen positiven Prognosen gab es auch eine Warnung.
    Damit Deutschland seinen Standard halten kann, muss die Bundesregierung ihre Hausaufgaben machen. Denn wegen der demografischen Entwicklung wird das Wachstum sonst langfristig dauerhaft sinken. Doch schon jetzt gibt es für die Bundesregierung viel zu tun.
    "Eine unserer wichtigsten Botschaften ist, dass Deutschland ein Wachstum erreichen sollte, das alle Menschen mitnimmt. Das erfordert gute Löhne, ein gerechtes Steuersystem, gleiche Möglichkeiten in der Ausbildung. Und mehr Investitionen in das Ausbildungssystem."
    Kritik an einer Zweiteilung des Arbeitsmarktes in Deutschland
    Kritik übt die OECD vor allem am stark angewachsenen Niedriglohnsektor. Und daran, dass es immer mehr Menschen gibt, die befristet beschäftigt, schlecht bezahlt und schlecht gegen Kündigung abgesichert sind. Das treffe vor allem Frauen sagte Gurria. Deutschland sollte danach streben diese Zweiteilung des Arbeitsmarktes aufzuheben. Mit besseren Löhnen könnte auch die Binnenkonjunktur weiter angekurbelt werden und neben dem Export ein weiterer Wachstumsmotor in Deutschland werden. Hinderlich bei diesem Ziel sei aber auch die Besteuerung in Deutschland, sagte Gurria:
    Zentral für die OECD: den Faktor Arbeit weniger zu besteuern und die Sozialabgaben für Geringverdiener zu senken. Als Ausgleich dafür könnten die Grundsteuern auf Immobilienbesitz nach aktualisierten Wertsätzen erhoben werden. Und der Verkauf von nicht selbst genutzten Immobilien sollte nicht mehr von der Steuer befreit werden. Außerdem sollten steuerliche Vergünstigungen für umweltschädliche Aktivitäten schrittweise abgebaut werden. Hier hat die OECD zum Beispiel die Pendlerpauschale im Auge oder Steuervorteile für Firmenwagen.
    Besonders schlecht kommt die Rentenpolitik der großen Koalition weg. Die Idee, erweiterte Leistungen für Rentner die Beitragszahler tragen zu lassen, kritisiert die OECD. Umverteilungsausgaben für Rentner sollten aus dem allgemeinen Steueraufkommen gezahlt werden, empfiehlt die Organisation. Denn die Steuerzahler damit zu belasten sei beschäftigungs- und wachstumsunfreundlich.