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Deutschland schwarz-gelb - Schwerpunkt beim Hintergrund

Mit der morgigen Wiederwahl zur Bundeskanzlerin ist Angela Merkel vermutlich am Ziel ihrer vorläufigen Wünsche angekommen. Ihr, der ersten Frau an der Spitze der Bundesregierung, ist es zugleich gelungen, den Koalitionspartner zu wechseln und sicherer denn je auf dem Chefsessel zu sitzen.

Von Sabine Adler | 27.10.2009
    Die langen Verhandlungsnächte mit dem neuen Partner haben sichtbare Spuren hinterlassen, doch von Amtsmüdigkeit kann keine Rede sein.

    "Ich bin wahrscheinlich älter und reifer geworden, der Spaß hat nicht nachgelassen, mir geht es gut."

    Ungebrochen ist ihr Machtbewusstsein, zu dem sich nun Regierungserfahrung gesellt. Keine Ostdeutschen im Kabinett vertreten, zwei Frauen weniger als in der Vorgängerregierung? Was macht's.

    "Immerhin haben wir es geschafft, dass die Kanzlerin ostdeutsch ist und das ist ja auch schon mal was."

    Ihr Selbstbewusstsein ist eher gewachsen, wenngleich sie es nach wie vor weit gedämpfter artikuliert als ihre männlichen Kollegen.

    "Da gibt es nicht die Angela Merkel als Parteivorsitzende und die als Bundeskanzlerin, sondern die Angela Merkel entfaltet sich dann immer sehr gut und ich hoffe, das ist meistens gelungen, wenn sie beides in einem gleichermaßen verkörpert. Und das wird auch so bleiben."

    Den Vorwurf wie vor vier Jahren, sie könne es nicht, bringt niemand mehr über die Lippen und doch weiß kaum jemand zu beantworten, welche Angela Merkel Deutschland ab morgen lenkt und wohin. Noch weniger nach diesem Satz, gesagt am Tag nach der Wahl.

    "Ich verstehe meine Aufgabe auch in der neuen Koalition als eine Aufgabe, Kanzlerin für alle Deutschen zu sein. Also, Sie werden mich so kennenlernen, wie ich bin. Und, das hatten Sie schon das Vergnügen einige Jahre und ich hoffe, dass ich mich, ja auch wie jeder Mensch, ein Stück weiterentwickle. Aber ansonsten mich auch nicht total verändere durch die Koalitionsfarben."

    Was nun anders und aus ihrer Sicht natürlich besser wird, bleibt, wie so oft bei ihr, vage. Der Blick zurück liefert auch keine Hinweise, für welche Politik sie in der Zukunft steht. Kein schlechtes Wort über die große Koalition.

    Dem Ringen um den Koalitionsvertrag war anzumerken, dass jeder Eindruck, mit Schwarz-Gelb zöge die soziale Eiszeit in Deutschland ein, von Anfang an tunlichst vermieden werden sollte.

    So verkündete nun ausgerechnet Schwarz-Gelb Wohltaten, mit denen die rot-grüne Regierung ihre eigenen Reformbemühungen nicht selbst in Frage stellen wollte, und zu denen sich auch die große Koalition nicht durchringen konnte, Stichwort: Schonvermögen.

    "Wir wollen, dass die Menschen, die in der Krise arbeitslos geworden sind, die Chance haben, Erspartes zu erhalten, diejenigen, die fleißig sind und sparsam sind, die sollen durch das Hartz IV-System nicht bestraft werden."

    Die eigene Immobilie müssen laut Ronald Pofalla Arbeitslose künftig nicht mehr verkaufen, um ihren Unterhalt zunächst aus eigenen Mitteln zu bestreiten. Und auch die Zuverdienstmöglichkeiten für Hartz IV-Bezieher sollen steigen, so der künftige Chef des Bundeskanzleramtes. Auch wenn sich die neue Koalition weiterhin gegen den flächendeckenden Mindestlohn ausspricht, hält sie vorerst doch an den für einzelne Branchen ausgehandelten Untergrenzen fest. Zudem sollen sittenwidrige Löhne gesetzlich verboten werden: Angela Merkel, schon in der großen Koalition auf einen engen Schulterschluss mit den Gewerkschaften bedacht, fuhr mitten in den Koalitionsverhandlungen zum Kongress der Industriegewerkschaft Bergbau Chemie und Energie nach Hannover, um zu versichern:

    "Ich bin der Meinung, dass wir nichts ändern werden bei der Mitbestimmung. Dass auch die Diskussionen über den Kündigungsschutz gerade jetzt in der Krisenzeit aus meiner Sicht nicht hilfreich sind."

    Also startet Schwarz-Gelb doch als harmloses Tigerentlein? Nicht mehr neoliberal, wie es der Wunschkoalition für 2005 zugetraut wurde, weshalb die Wähler sie nicht haben wollten?
    Bei so viel Wohlfühlpolitik musste die SPD fürchten, im Kampf um die soziale Gerechtigkeit arbeitslos zu werden. Beinahe drei Wochen lang, fast genau so lange wie die Koalitionsverhandlungen dauerten, war vom Chef der SPD-Bundestagsfraktion Frank Walter Steinmeier, der sich jetzt als Oppositionsführer versteht, kein Wort zu hören.
    Die Grünen, weitaus geübter in der Oppositionsarbeit als die Genossen, die elf Jahre regierten, ließen sich nicht beirren. Sie kritisierten nicht nur pflichtgemäß die erwartete Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke, sondern erinnerten auch daran, dass das höhere Schonvermögen von den schwarz-gelben Länderregierungen im Bundesrat verhindert wurde. Außerdem, so Jürgen Trittin:

    "Anstatt den Skandal zu beenden, dass Menschen von 351 Euro im Monat leben sollen, stattdessen verspricht man eine Erhöhung des Schonvermögens für Langzeitarbeitslose. Das trifft von den fünf Millionen Hartz IV Empfänger gerade mal 11.000.
    Wir erleben Koalitionsverhandlungen, die sorgsam kleine Bonbons in die Welt setzen."

    Und so stellen sich viele die Fragen: Wie sozial wird die neue Regierung? Sind Union und FDP überhaupt in der Lage, sozial zu regieren? Selbst wer ihnen das nicht von vornherein abspricht, zögert dennoch mit einer Antwort. Denn die die Erhöhung des Kinderfreibetrages auf 7000 Euro oder des Kindergeldes um 20 Euro sind noch kein Ausweis für soziale Politik. Der Lackmustest, wie gerecht Christdemokraten und -soziale gemeinsam mit den Liberalen agieren, wird die Gesundheitsreform sein. Das bis 2011 unter dem FDP-Newcomer Philipp Rösler umgestaltete Gesundheitssystem wird ...

    "freiheitlich, wettbewerblich und solidarisch."

    ... sein, allein, den Menschen fehlt der Glauben. Angela Merkel argumentiert wie häufig in kontroversen Situationen detailreich, vergleicht das jetzige Beitragssystem mit dem künftigen und dringt dennoch nicht durch, kann nicht überzeugen.

    "Jeder weiß, dass der Deckel von einem Prozent, der heute gilt, natürlich einer ist, der noch keinen Sozialausgleich nötig macht. Dass aber in dem Moment, wo die Zusatzbeiträge höher würden, der soziale Ausgleich zwingend erforderlich ist. Und genau das haben wir uns vorgenommen."

    Dass jetzt vor der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen alles als sozial deklariert wird, hinterher aber möglicherweise unsozial umgesetzt wird, im Sinne der Umverteilung an die eigene mittelständische Wählerschaft, diese Unterstellungen gehen der alten und ab morgen neuen Kanzlerin gehörig auf die Nerven.

    "Ich wehre mich dagegen, dass es bestimmte Begriffe gibt, die irgendwie gleich schon mal der SPD zugeordnet werden. Wir sind von allen Bevölkerungsgruppen, mit Ausnahme der Arbeitslosen, am meisten gewählt worden. Und bei den Arbeitslosen war es die Linke. Und deshalb kann ich nur sagen, die Bevölkerungsgruppen haben an uns eine sehr große Erwartung. Und sozial ist auf der einen Seite das was Arbeit schafft, sozial ist aber auch das, was durch Arbeit dann die Möglichkeit gibt, dass wir die sozialen Sicherungssysteme sozusagen gut ausstatten. Und sozial bedeutet natürlich auch, nicht auf Kosten der Zukunft zu stark zu leben."

    Dass politische Beobachter und Gegner der Kanzlerin keine soziale Politik aus eigener Überzeugung heraus zutrauen, hat mehrere Gründe. Der erste liegt in der zu Ende gegangenen Regierungszeit, in der sich die SPD als Garant und treibende Kraft für sozial gerechtes Handeln verstand. Der zweite, und den kann beim besten Willen niemand ändern: Absichtserklärungen sind noch keine Taten. Der eigentliche Grund für das abgrundtiefe Misstrauen jedoch ist der CDU-Parteitag 2003 in Leipzig. Auch wenn er lediglich politische Absichten formulierte, die nicht bis dahin das Handeln der Christdemokraten kennzeichneten und auch nicht danach. Der Flurschaden war dennoch immens.

    Er verhinderte 2005 fast den Wahlsieg, die große Koalition wiederum machte die Umsetzung der Leipziger Parteitagsbeschlüsse unmöglich. Kein Wunder dass sich heute, da der Wunsch einer schwarz-gelben Koalition Wirklichkeit geworden ist, die Frage neu stellt, welche Politik nun angesagt ist. Stichwort Kopfpauschale. Auch wenn die neuen Koalitionäre das Wort bislang nicht in den Mund genommen haben, ist das alte Thema wieder da. 2003 erklärte es die damalige CDU-Vorsitzende so:

    "Jawohl, die Gesundheit jedes einzelnen Menschen ist uns gleich viel wert. Die Gesundheit der Sekretärin und die Gesundheit des Chefs. Und deshalb sind die Kosten, die für die Gesundheit anfallen, auch gleich hoch. Wenn umgestellt wird, und umgestellt wird, sobald wir Regierungsverantwortung übernehmen, dann soll niemand mehr zahlen als er heute in dem bestehenden System zahlt. Das bringt Verlässlichkeit für die Menschen im Lande und Klarheit."

    Wie wenig Begeisterung die Kopfpauschale auslöste, zeigte der Erfolg der SPD bei der vorgezogenen Bundestagswahl 2005, die viele für die Sozialdemokraten schon verloren gegeben hatten. Heute, vier Jahre später, wird eben jener Pauschalbeitrag erwogen, für den diejenigen Zuzahlungen bekommen sollen, die ihn aus eigener Kraft nicht aufbringen.
    Schwergewichtiger Skeptiker des neuen Konzepts: der designierte SPD-Vorsitzende Siegmar Gabriel:

    "Ich halte Herrn Rösler für einen schneidigen Menschen, er ist ein schneidiger Spalter. Diese Koalition hat sich für das, was sie machen wollen, den richtigen Gesundheitsminister ausgesucht. Frau von der Leyen wäre für diese Koalition die falsche Gesundheitsministerin gewesen, weil sie ein anders Konzept von Gesundheitspolitik vertreten hat, deshalb haben die beiden sich ja auch gestritten. Frau von der Leyen hat gedacht, Frau Merkel stände hinter ihr. Sie musste erleben, dass Frau Merkel gar nichts tut, um die gesundheitspolitischen Vorstellungen, von denen Frau von der Leyen geglaubt hat, sie seien ernst gemeint, durchzusetzen."

    Wenn die Mehrheit der Bundestagsabgeordneten morgen Angela Merkel zur Kanzlerin wählt, tut sie dies, ohne hundertprozentig zu wissen, wohin die Reise geht. Nicht einmal die Regierungschefin kann dies mit Bestimmtheit sagen, hängen doch viel zu viele künftige Entscheidungen davon ab, wie lange die Wirtschaftskrise dauert, die der Finanzkrise gefolgt ist.

    Doch nicht nur deswegen schlägt dem noch nicht einmal vereidigten Kabinett so viel Misstrauen entgegen wie kaum einem anderen neuen zuvor. Und das liegt nicht nur an den bereits erwähnten Zweifeln daran, ob das Gesundheitssystem sozial gerecht reformiert wird. Die neue Regierung beantwortet einfach die eine, alles entscheidende Frage nicht: Wie will sie ab 2010 die Bürger um rund 20 Milliarden Euro entlasten und ab dem Jahr 2011 die Steuern um 24 Milliarden senken, wenn sie nicht sagen kann, wie immer höhere Schulden vermieden werden sollen und vor allem wo es Einsparungen geben wird? Auch Guido Westerwelle, der zu noch mehr Selbstbewusstsein aufgepumpte Außenminister in spe wird nur prinzipiell, aber nicht konkret:

    "Einsparungen und Wachstum, das sind die beiden entscheidenden Säulen für eine gute Haushalts- und Finanzpolitik. Und das wichtige ist: Der Staat spart bei sich selbst zuerst und nicht bei den Bürgern oder indem er dort mal wieder Steuern und Abgaben erhöht."

    Der FDP-Haushälter Otto Fricke, Mitglied der Arbeitsgruppe Finanzen bei den Koalitionsverhandlungen der vergangenen drei Wochen, hätte gern konkreter gesagt, wo der Gürtel enger geschnallt werden muss. Weil die Unterhändler aber auf schnelle Ergebnisse setzten, wurde die Spar-Debatte verschoben. Skeptiker mutmaßen, dass ihnen die künftigen Grausamkeiten mit Blick auf die kommende Landtagswahl im Mai nächsten Jahres an Rhein und Ruhr verschwiegen werden.

    "Die Menschen sagen und haben großen Zweifel, ob Steuersenkungen überhaupt machbar sind."

    ... griff Angela Merkel die Bedenken auf. Das war allerdings 2003 in Leipzig, als die damalige Oppositionsführerin ihren Parteifreunden in Leipzig zurief:

    "Aber die Menschen sagen: Ich will meine Steuererklärung auf einem kleinen Zettel oder auf einem Bierdeckel endlich wieder machen können und das schafft man mit Friedrich Merz' Steuersystem und dafür, lieber Friedrich, herzlichen Dank. Alles Gute für Deine Beratung und ... "

    Anstelle von Friedrich Merz gilt heute Hermann Otto Solms als Kopf der neuen Steuerreform. Von ihrem Mann wünscht sich die FDP, dass er seine Vorstellungen eines dreistufigen Systems durchsetzt. In das Westerwelle-Mantra von einfachen, niedrigeren und gerechten Steuern hat Angela Merkel erst bei der Vorstellung des Koalitionsvertrages am vergangenen Samstag eingestimmt, sich im Wahlkampf aber davor noch gehütet.

    Die Vermutung, dass Schwarz-Gelb statt auf die Unterstützung sozial Schwacher zu schauen, Klientelpolitik betreibt, schien sich beim ersten Blick in den Koalitionsvertrag zu bestätigen. So wurde zum Beispiel der Mehrwertsteuersatz für das Hotel- und Gaststättengewerbe auf 7 Prozent gesenkt. Statt Vereinfachung des Steuersystems eine zusätzliche Ausnahmeregelung.
    Ein alter Grundsatz, 2003 noch voller Inbrunst vorgetragen, klingt heute, nach Bankenverstaatlichung und Rettungsfonds, wie aus einer anderen Zeit:

    "Jawohl, wir sind immer die Partei gewesen, die Steuersenkungen für richtig gehalten hat. Aber Steuersenkungen angesichts der Sparanstrengungen unserer Ministerpräsidenten völlig auf Pump, das kann und wird es mit der Union nicht geben, liebe Freunde."

    Die Ministerpräsidenten, im Glauben an diesen Satz von vor sechs Jahren, schlugen Alarm, als an dem zweiten Verhandlungswochenende die Finanzen unter die Lupe genommen wurden. Hinter verschlossenen Türen gab es Krach, Christian Wulff sprach von finanzpolitischem Blindflug, weil laut den Plänen der Berliner Koalitionäre der Schuldenberg zugunsten sozialer Ausgaben immer weiter wachsen sollte. Es kam noch schlimmer, als Mitte der dritten Verhandlungswoche bekannt wurde, dass die neuen Haushälter erwogen hatten, mit einem Schattenhaushalt zu arbeiten. Der wurde freilich nicht sogenannt, sondern Sozialversicherungsstabilisierungsfonds. Georg Fahrenschon, bayrischer Finanzminister und CSU-Unterhändler, gab sich alle Mühe, die Idee zu verkaufen.

    "Wir haben den Fonds eingerichtet zur Rettung und Stabilisierung der Banken, wir haben den Fonds eingerichtet zur Rettung und Stabilisierung von Mittelstand und Unternehmen und wir richten ihn jetzt auch ein, um auch die Arbeitslosenversicherung mit stabilen Beiträgen weiterzuführen. Und das gewährleisten wir über den Fonds, den wir am Anfang der Agentur zur Verfügung stellen."

    Mag der Name noch so erfinderisch wie sperrig gewesen sein, die Absicht noch so löblich: Die Folgen der Finanzkrise sollen alle Steuerzahlen tragen, nicht nur die, die Beiträge in die Arbeitslosenversicherung und in die Gesetzlichen Krankenkassen zahlen. Der Weg, die Beiträge mit einem Schattenhaushalt zunächst niedrig zu halten und dafür weitere Kredite aufzunehmen, löste einen Sturm der Entrüstung aus. Selbst in den eigenen Reihen, wo der ehemalige grüne Haushälter Oswald Metzger klang, als wünschte er sich wieder von der CDU weg zurück zu den Grünen:

    "Ich weiß nicht, ob man die Bürger für dumm verkaufen will in unserem Land und ihnen sagt, ihr kriegt Steuersenkungen, weil wir das im Wahlkampf versprochen haben. Aber das ganze wird durch eine massive Kreditaufnahme refinanziert und irgendwann müssen die Bürger quasi Zins und Zinseszins bezahlen für die vermeintlichen eigenen Steuerentlastungen."

    Während auf die Unterhändler Kritik von allen Seiten einprasselte, flüchtete sich die Kanzlerin in die Deckung. Ihr enger Vertrauter Thomas de Maiziere versuchte zu retten, was nicht mehr zu retten war, und was sein Ko-Verhandler Hermann Otto Solms eher schlimmer als besser machte.

    "Den Begriff Schattenhaushalt, für die Überlegung, die wir haben, weise ich entschieden zurück."

    "Es ist kein Schattenhaushalt, es ist ein Nebenhaushalt."

    Von dieser Panne bis zu Bestellung eines der besten Krisenmanager, über den die Kanzlerin verfügt, war es nur noch ein kleiner Schritt. Sie bat Wolfgang Schäuble um die Übernahme des Bundesfinanzministeriums.

    "Weil diese Person mein Vertrauen hat."

    Ihm gehört ihr Vertrauen. Obwohl er vor Jahren einer ihrer ärgsten Konkurrenten war, obwohl er angeschlagen aus der CDU-Parteispendenaffäre hervorging. Aber er hat sie, anders als Ex-Kanzler Helmut Kohl, politisch überlebt.

    Der bisherige Bundesinnenminister gilt als absolut loyaler Parteisoldat und Diener seines Landes: Es waren nicht die Herausforderungen der Finanzkrise allein, weshalb die Kanzlerin ihm dieses Amt antrug. Sie wollte ihn schon 2005 dafür gewinnen, erzählte er in der ARD, weshalb er auch dieses Mal mit ihrer Frage rechnete.

    "Ich weiß, dass das eine schwierige Aufgabe ist. Aber es steckt ein großes Maß an Vertrauen darin. Und das nimmt man dann hin. Also hab ich gesagt: Das ist eine ehrenvolle Zumutung."

    Merkel, der vorgeworfen wird, niemanden neben sich hochkommen zu lassen, keine Prinzen, auch keine Prinzessin, geht mit Wolfgang Schäuble kein wirkliches Risiko ein. Er dürfte am Ende seines Berufslebens angekommen sein, womit ihm keine Zeit mehr bleibt, ihr das Amt streitig zu machen. Zudem ist sie pragmatisch genug zu erkennen, dass sich kaum jemand politisch besser durchsetzen kann als er, keiner im Kabinett über mehr Erfahrung verfügt.
    Ganz preußisch holt ihr der Badener jetzt die Kohlen aus dem Feuer. Die Panne mit dem Schattenhaushalt nutzt er als erste Fingerübung.

    Eine größere Aufgabe als die Bewältigung der Finanz- und Wirtschaftskrise kommt nach jetzigem Ermessen auf die neue Regierung nicht zu. Die Kanzlerin wird es ihm, dem überaus zähen Kämpfer im Rollstuhl überlassen, der Öffentlichkeit die unbequemen Wahrheiten mitzuteilen. Geduldig, aber dabei hartnäckig wie hier, wird er Gründe vortragen, warum die Steuern 2011 anders eventuell doch nicht gesenkt werden, auf die Gefahr, damit den ersten Koalitionskrach auszulösen.

    "Wir schreiben in dem Koalitionsvertrag fest, was wir wollen, was wir anstreben. Wir tun es mit Zuversicht. Das ist auch notwendig, man braucht auch Optimismus. Wenn Ludwig Erhard keine Zuversicht gehabt hätte, wären wir nie aus dem Schlamassel rausgekommen. Aber wir können auch nicht versprechen, dass wir alles ganz genau wissen, wie es im Jahr 2011 sein wird."

    Ob er weiß, wer ihm die, wie er sagt, ehrenvolle Zumutung abverlangt? Eine sozialdemokratisierten Partei- und Regierungschefin, die heute den sozialen Ausgleich nicht nur beteuert. Oder doch nur eine reichlich konturlose, aber umso mehr auf Machterhalt bedachte Politikerin, der dafür jede Richtung recht ist? Die kommenden vier Jahre werden Antworten liefern.