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Deutschland, schwarz-gelb

Die Koalitionsverhandlungen zwischen der Union und der FDP haben begonnen. Konflikte sind dabei vorprogrammiert. In wichtigen Fragen sind die Wunschpartner weit voneinander entfernt: Ob Onlinedurchsuchungen, Mindestlöhne oder Kündigungsschutz - es gibt reichlich zu tun für die zehn gemeinsamen Arbeitsgruppen von CDU, CSU und FDP.

Von Wolfgang Labuhn und Gerhard Schröder | 04.10.2009
    "Wir wollen jetzt Deutschland mitregieren, weil wir dafür sorgen müssen, dass es ein faires Steuersystem gibt, bessere Bildungschancen und dass die Bürgerrechte endlich wieder respektiert werden!"

    FDP-Partei- und Fraktionschef Guido Westerwelle heute vor einer Woche auf der Wahlparty der Liberalen in Berlin.

    Rückblick: 1. Oktober 1982. Bundestagspräsident Richard Stücklen verkündet das Ergebnis des konstruktiven Misstrauensvotums gegen Bundeskanzler Helmut Schmidt, SPD:

    "Ich stelle fest: Der Abgeordnete Dr. Helmut Kohl ist zum Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland gewählt!"

    An die Stelle der sozialliberalen Koalition trat wieder ein schwarz-gelbes Regierungsbündnis. Mit dem jetzt anstehenden Regierungswechsel in Berlin allerdings ist der Machtwechsel in Bonn 1982 kaum zu vergleichen, den der neue Bundeskanzler Kohl gar als "geistig-moralische Wende" in der deutschen Politik verstanden wissen wollte. Die FDP freilich wechselte damals als Koalitionspartner nur die Seiten, weil man mit der Wirtschaftspolitik des Regierungspartners SPD nicht mehr einverstanden war. Schon im August 1981 hatten Hans-Dietrich Genscher, seinerzeit FDP-Chef, Außenminister und Vizekanzler und Otto Graf Lambsdorff, Wirtschaftsminister im sozialliberalen Kabinett, eine sogenannte "Wende" in der Konjunktur- und Finanzpolitik gefordert. Wirtschafts- und beschäftigungspolitische Beschlüsse des SPD-Parteitags im April 1982 nannte Lambsdorff einen "Gruselkatalog sozialistischer Marterwerkzeuge" und legte im September ein wirtschaftspolitisches Konzept vor, das bis heute im Mittelpunkt des wirtschaftpolitischen Denkens der Liberalen steht. Seine zentralen Forderungen: Mehr Eigenverantwortung in Wirtschaft und Gesellschaft verbunden mit investitionsfreundlichen Strategien in der Wirtschafts- und Finanzpolitik. Nur Lambsdorffs Forderung nach drastischen Kürzungen bei den Sozialleistungen würden in der heutigen FDP wohl nicht mehr viele unterschreiben.

    Lambsdorffs sogenanntes "Wendepapier" rief bei SPD und DGB erboste Proteste hervor und führte am 17. September 1982 zum Bruch der sozialliberalen Koalition, als die vier FDP-Minister ihrer Entlassung durch Rücktritt zuvorkamen. Am 1. Oktober 1982 wurde Kanzler Schmidt mit den Stimmen der FDP auf dem Wege eines konstruktiven Misstrauensvotums durch Helmut Kohl, CDU, abgelöst. Zahlreiche Vertreter des sozialliberalen Flügels verließen die FDP, einige jüngere Politiker wie Günther Verheugen und Ingrid Matthäus-Maier wechselten zur SPD,
    während als Gegengewicht zu den sozialliberalen Jungdemokraten gar eine neue Nachwuchsorganisation entstand, die Jungen Liberalen. Einer ihrer Wortführer: Guido Westerwelle.
    Er steht nun als Ergebnis einer regulären Bundestagswahl vor dem Höhepunkt seiner politischen Karriere. Er leitet auch das neunköpfige Team der FDP, das morgen in der nordrhein-westfälischen Landesvertretung in Berlin die Koalitionsverhandlungen mit CDU und CSU zur Bildung einer schwarz-gelben Koalition aufnehmen wird. Dabei mangelt es auf FDP-Seite nicht an markigen Worten. Der FDP-Vorsitzende am vergangenen Donnerstag:

    "Das komplette Programm der Unionsparteien ist verhandelbar, und das komplette Programm der FDP ist verhandelbar. Alles wird verhandelt, weil wir natürlich auch wollen, dass es eine richtig gute, erfolgreiche Regierung für unser Land wird."

    Einfach werden die Verhandlungen jedoch nicht. In wichtigen Fragen sind die Wunschpartner weit voneinander entfernt. So steckten führende Unionspolitiker schon kurz nach der Wahl großflächig die Sperrbereiche ab, die nicht verhandelbar seien. Ob Onlinedurchsuchungen oder Vorratsdatenspeicherung, Mindestlöhne oder Kündigungsschutz – da muss alles beim Alten bleiben, heißt es in der Union. Und auch in der Gesundheitspolitik sind keine grundlegenden Korrekturen zu erwarten:

    Merkel: "Ich sage Ihnen auch, dass die Grundstruktur des Gesundheitsfonds aus meiner Sicht nicht angetastet werden darf. Das heißt aber nicht, dass man im Gesundheitswesen nicht was weiterentwickeln kann. Aber, ich habe jetzt nicht vor, die ganzen Entscheidungen der letzten vier Jahre durchzugehen und zu sagen: Das müssen wir rückgängig machen, und das, und das."

    Beim liberalen Regierungspartner in spe macht sich Ernüchterung breit. Von Aufbruchstimmung ist schon am Tag nach dem Wahltriumph wenig zu spüren. Ein sichtlich gereizter und dünnhäutiger Parteichef Guido Westerwelle fertigt einen britischen Journalisten barsch ab, der eine Frage auf englisch stellen möchte. Und er weigert sich, die liberale Kernforderung schlechthin – nämlich die nach einfachen, gerechten und niedrigen Steuern – noch einmal zu wiederholen.

    "Selbstverständlich kann ich das, aber ich tu's jetzt nicht. Aus dem ganz einfachen Grund: Weil das, was ich gesagt habe, gilt. Aber ich möchte vor allem gute Ergebnisse. Koalitionsverhandlungen werden am Verhandlungstisch geführt und auch dort entschieden."

    Irritiert registrieren viele in der FDP, dass der Reformeifer in der Union gebremst ist. Tatsächlich müht sich die Kanzlerin nach Kräften, die Hoffnungen der Liberalen auf grundlegende Änderungen zu dämpfen. Sie will die Kanzlerin aller Deutschen sein, betont sie noch am Wahlabend. Und das soll wohl heißen: Für marktradikale Reformen steht sie nicht zur Verfügung.

    "Wir werden eine ausgewogene Politik von wirtschaftlicher Vernunft und sozialer Balance machen."

    Konflikte sind programmiert. Zum Beispiel in der Arbeitsmarktpolitik. Hier zog die Kanzlerin schon am Montag nach der Wahl eine scharfe Trennlinie. Die mit der SPD vereinbarten Mindestlöhne für rund zwei Millionen Beschäftigte will sie nicht in Frage stellen.

    "Die Mindestlohnvereinbarung, die wir getroffen haben, werde ich nicht zurückdrehen."

    Und auch beim Kündigungsschutz soll alles beim Alten bleiben. Die FDP dagegen drängt auf Korrekturen. Die Bestimmungen seien zu rigide, sie erschwerten Arbeitslosen die Rückkehr ins Berufsleben. Für Beschäftigte, die weniger als zwei Jahre in Betrieben mit weniger als 20 Beschäftigten arbeiten, soll der Kündigungsschutz ganz gestrichen werden, so steht es im Wahlprogramm. Eine Forderung, die aber nur für Neuverträge gelten soll, beschwichtigt Philip Rösler, FDP-Wirtschaftsminister in Niedersachsen und Mitglied im Verhandlungsteam.

    Das Nein aus der Union ist gleichwohl nicht zu überhören. Die Firmen hätten längst ausreichend Möglichkeiten, neues Personal flexibel zu rekrutieren, sagt der christdemokratische Arbeitsminister in Nordrhein-Westfalen, Karl-Josef Laumann.
    "Wir haben viele Flexibilitätsregelungen in den letzten Jahren in das deutsche Arbeitsrecht eingeführt. Es ist möglich, Menschen befristet zu beschäftigen, es ist möglich, über Leiharbeit ein sehr flexibles Instrument im Arbeitsmarkt zu haben. Und da gibt es überhaupt keinen Grund, die stabilen sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnisse hier infrage zu stellen."

    Keine Zeit für Experimente, so lautet auch die Devise der Kanzlerin in der Gesundheitspolitik. Sie will ausgerechnet jenes Konstrukt erhalten, für das der FDP-Chef Westerwelle im Bundestag nur Hohn und Spott übrig hatte.

    "Zwei Wanderer wollen einen Weg gemeinsam gehen, stehen vor einem Sumpf, der eine sagt links vorbei, der andere sagt rechts vorbei. Und weil sie sich nicht einigen können, sagen sie dann: Dann gehen wir glatt durch die Mitte."

    Hier immerhin zeichnet sich eine Kompromisslinie schon ab. Der Gesundheitsfonds bleibt erhalten, da steht das Wort der Kanzlerin. Die Kassen aber sollen mehr Spielraum bekommen, indem die Deckelung der Zusatzbeiträge auf ein Prozent des Einkommens gestrichen wird. Diese ist nicht praktikabel und gehört abgeschafft, sagte der CDU-Gesundheitspolitiker Jens Spahn.

    Dies könnte der Einstieg in einen größer angelegten Umbau sein, hoffen viele in der FDP. Wenn die Deckelung entfällt, könnten die Zusatzbeiträge zu einer Art Kopfprämie ausgebaut werden, über die ein wachsender Teil der Ausgaben gedeckt werden könnte. Die Prämie soll nach Vorstellung der Liberalen – und des Wirtschaftsflügels der Union - allein von den Versicherten gezahlt werden.

    Damit wäre ein Ziel erreicht, dass der Wirtschaft wichtig ist: Die Arbeitgeber werden entlastet, sie könnten sich aus der paritätischen Finanzierung des Gesundheitssystems schrittweise zurückziehen. FDP-Gesundheitsexperte Daniel Bahr:

    "Wir müssen die Finanzierung des Gesundheitswesens entkoppeln, damit steigende Gesundheitskosten oder steigende Krankenkassenbeiträge aufgrund steigender Arbeitslosigkeit nicht immer wieder den Arbeitsmarkt belasten, wie das jetzt immer wieder jetzt die Folge ist. Und da sage ich: Wir sollten den Mut haben, zu einem echten Prämiensystem zu kommen, sonst kommen wir immer wieder in die Spirale zurück von kurzfristiger Kostendämpfung und steigenden Lohnzusatzkosten."

    Eine Lösung, die auch Stefan Sell, Professor für Sozialpolitik an der Fachhochschule Koblenz, für wahrscheinlich hält:

    "Damit kann man Stück für Stück die Gesundheitsfinanzierung von den Arbeitgebern abkoppeln. Das ist deren zentrale Hauptforderung. Und ich glaube, das wird der Preis sein, den die FDP sich bezahlen lassen wird."

    Viel Detailarbeit ist aber noch nötig, wie auch bei der geplanten Reform der Pflegeversicherung – hier wollen Union und FDP eine kapitalgedeckte Finanzierung einführen. Grundlegende Einigkeit besteht auch in der Energiepolitik, die Laufzeiten der Atomkraftwerke sollen verlängert, die Förderung der Solarbranche beschnitten werden.

    Hier stehen die Grundlinien. Die eigentliche Nagelprobe müssen die Unterhändler aber in der Finanz- und Steuerpolitik bestehen. Hier hat die FDP hohe Erwartungen geschürt, die angesichts der dramatischen Haushaltslage aber schwierig umzusetzen sein werden. Eine echte Strukturreform streben die Liberalen an, einen großen Wurf mit einem klaren Ziel: Die Steuern sollen einfacher, gerechter und vor allem niedriger sein, wie Parteichef Westerwelle vor der Wahl gebetsmühlenartig wiederholte, am 19. Juli zum Beispiel im Deutschlandfunk:

    "Wir werden einen Koalitionsvertrag nur unterschreiben, wenn darin ein niedrigeres, einfaches und gerechtes Steuersystem vereinbart ist. Weil Arbeit sich wieder lohnen muss, und weil es nur so wieder gesunde Staatsfinanzen gibt. Und wir haben vorgerechnet, wie es geht und dass es geht."

    Nach den Vorstellungen der FDP soll es nur noch drei Einkommenssteuertarife geben: nämlich 10, 25 und 35 Prozent. Familien sollen zudem durch hohe Freibeträge entlastet werden. Das aber wird teuer werden.

    Auf nur noch 15 Milliarden Euro taxiert Angela Merkel das Entlastungspotenzial, das in den kommenden vier Jahren in zwei Stufen ausgeschöpft werden soll. Und selbst darauf werden die Steuerzahler noch eine Weile warten müssen.

    "Wir wollen zwei Schritte machen, und die beiden Schritte können 2011 oder 2012, oder 2011 und 2013 oder 2012 oder 2013 sein. Das sind die drei Möglichkeiten, die realistischerweise ins Auge zu fassen sind."

    Selbst FDP-Frontmann Guido Westerwelle gibt sich inzwischen sichtlich Mühe, die Erwartungshaltung zu dämpfen – zu prekär ist die Finanzlage des Staates. In der laufenden Legislaturperiode fehlen 300 Milliarden Euro, der Schuldenberg wird bis zum Ende der Wahlperiode im Jahre 2013 vermutlich auf 1,9 Billionen Euro steigen.

    Allein an Zinsen muss der Staat dann 76 Milliarden Euro pro Jahr zahlen, das ist dreimal soviel, wie die Erhöhung der Mehrwertsteuer vor zwei Jahren eingebracht hat. Eine Folge der Rettungsprogramme, die die Große Koalition einleitete, um Banken zu retten und die Wirtschaft vor dem Absturz zu bewahren. Gibt es da noch Spielraum für weitere Entlastungen? Spätestens 2016 muss der Bund auf das Schuldenmachen verzichten. Dann greift die im Grundgesetz fixierte Schuldenbremse.

    Die meisten Ökonomen sehen nur zwei Möglichkeiten, die Staatsfinanzen wieder ins Lot zu bringen: Durch höhere Steuern – oder durch Einschnitte bei den Ausgaben. Hier sieht auch die FDP Möglichkeiten, vor allem bei den Sozialausgaben, die machen immerhin über 60 Prozent des Bundeshaushaltes aus.

    Ein klares Nein aber kommt von der Kanzlerin, Rentner, Arbeitslose und Kranke sollen nicht die Verlierer einer schwarz-gelben Regentschaft sein. Jetzt zu sparen, das wäre ganz verkehrt, sagt Angela Merkel:
    "Wir müssen alles tun, damit wir das nicht erleben, was die Amerikaner Ende der 30er-Jahre erlebt haben. Nämlich in den kleinen Aufschwung, der sich dann angezeigt hat nach der Krise, dann sofort reinzusparen und damit diesen Aufschwung kaputtzumachen. Das wäre absolut falsch."

    Vielleicht aber doch unvermeidlich. Rund 40 Milliarden Euro müssen in den nächsten vier Jahren eingespart werden – oder durch höhere Steuern gedeckt worden. Das steht angeblich in einem Papier des Kanzleramts, über das das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" berichtet. Es gebe wenig Spielraum für Steuersenkungen, gab Hessens Ministerpräsident Roland Koch zu Protokoll. Denn es müssen noch weitere Lücken in den Sozialkassen gefüllt werden, weil die Arbeitslosigkeit wächst. Die Bundesagentur für Arbeit etwa rechnet für das nächste Jahr mit einem Defizit von 15 bis 20 Milliarden Euro, bis 2013 könnte sich das auf 100 Milliarden summieren. Wenn der Bund nicht einspringt, müssen die Beiträge erhöht werden.
    Was also tun? Höchste Zeit für eine Radikalreform, sagen die Liberalen. Zumal auch das Bundesverfassungsgericht hier einen klaren Termin gesetzt hat. Bis Ende 2010 müssen die Jobcenter neu geordnet werden. Die gemeinsame Betreuung der Langzeitarbeitslosen durch Arbeitsagenturen und Kommunen ist verfassungswidrig. Für die Liberalen die Gelegenheit für eine große Zäsur. Sie wollen die Bundesagentur gleich ganz auflösen und in ein Dreisäulenmodell überführen.

    Weniger Staat, mehr Eigenverantwortung, heißt die Devise. Da könnte man viel Geld einsparen, glauben die liberalen Reformer. Stoßen damit aber in der CDU/CSU auf wenig Gegenliebe. Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Jürgen Rüttgers, der im nächsten Jahr Landtagswahlen zu bestehen hat, will hier keine Angriffsflächen bieten:
    "Also ich glaube nicht, dass wir über Sozialkürzungen reden sollten. Das wird keine Koalition der Zumutungen werden. Sondern eine Koalition, die weiß, wie Wirtschaftspolitik funktioniert, die mit Geld umgehen kann und darauf achtet, dass alle, die Unternehmer wie auch die Arbeitnehmer, davon profitieren. Insofern brauchen wir da nicht über Sozialkürzungen reden."

    Streit zwischen Union und FDP dürfte es auch in der Innen- und Rechtspolitik geben. Dafür ist im FDP-Verhandlungsteam die bayerische FDP-Landesvorsitzende und frühere Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger zuständig, die 1995 aus Protest gegen den damals auch von ihrer Partei befürworteten sogenannten "Großen Lauschangriff" von ihrem Amt zurücktrat und nun – quasi rehabilitiert – auf die bundespolitische Bühne zurückkehrt:

    "Die FDP vertritt geschlossen – auch in unseren Parteitagsbeschlüssen und in unserem Wahlprogramm – die Bürgerrechte. Wir haben zu Recht kritisiert, was in den letzten elf Jahren an Eingriffsbefugnissen - und zwar in unverhältnismäßiger Art und Weise – beschlossen wurde und wir kritisieren eben diese pauschale Verdächtigung vieler Bürger. Ich fühle mich zuhause in der FDP."

    Wirkungslose Internetsperren, Vorratsdatenspeicherung, Aushöhlung des Berufs- und Bankgeheimnisses lauten für die FDP jetzt die Stichwörter für Reformen, die auf Unionsseite niemand will. Dort würde man andererseits den Einsatz der Bundeswehr im Innern etwa bei der Terrorismusbekämpfung begrüßen, was wiederum für die Liberalen nicht infrage kommt.

    Für eine wirksamere Kriminalitätsbekämpfung fordern sie mehr Polizei, mehr Vollzugsbeamte und eine besser ausgestattete Justiz. Gleich zu Beginn der schwarz-gelben Koalition wollen die Freien Demokraten die aus ihrer Sicht unnötigen und unwirksamen Internetsperren beenden. Ein Konflikt mit der Union über die Befugnisse des Bundeskriminalamtes ist damit programmiert. Der FDP-Chef:
    "Wir sind strikt dagegen, dass das Bundeskriminalamt im Internet gewissermaßen zu einer Zensurbehörde ausgebaut wird, ohne dass es dafür irgendeine rechtsstaatliche Kontrolle geben kann. Weil wir als Bürger nichts zu verbergen haben, verbitten wir es uns, wie ein gemeiner Krimineller unter den Generalverdacht eines überwachenden Staates gestellt zu werden."

    In der Außen- und Sicherheitspolitik setzen die Freien Demokraten auf Kontinuität und meinen damit vor allem die Fortsetzung der Politik erfolgreicher FDP-Außenminister wie Walter Scheel und Hans-Dietrich Genscher. Westerwelle, der als möglicher neuer Bundesaußenminister im Gespräch ist, sammelte auf einer Reihe von Reisen, die ihn nach Moskau und Peking führten, erste Erfahrungen auf dem außenpolitischen Parkett. Am 4. Mai dieses Jahres hielt er eine vielbeachtete Rede vor der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, in der er seine außenpolitischen Leitlinien erstmals im Zusammenhang präsentierte.

    "Und dazu zählt für uns, dass wir die nächsten beiden Jahre als Schicksalsjahre erkennen, ob wir ein Jahrzehnt der Aufrüstung oder der Abrüstung haben werden. Wir Freien Demokraten begrüßen, dass Präsident Obama in seiner bemerkenswerten Rede vor wenigen Monaten in Prag bedeutende Signale für die Abrüstung gesetzt hat und dass er jetzt Ernst macht und seinen klugen Worten kluge Taten folgen lässt."

    Womit Obama in der Abrüstungspolitik für einen Außenminister Westerwelle ein ähnlicher Signalgeber sein könnte, wie es einst Gorbatschow für Genscher bei der Demokratisierung Ost- und Mitteleuropas war. Bei den Bemühungen um Abrüstung muss sich die Bundesregierung nach Westerwelles Ansicht an die Spitze stellen, wobei er rät, im eigenen Land zu beginnen:

    "Und für uns heißt das, dass die letzten Atomwaffen, die immer noch in Deutschland stationiert sind, dass wir sie abziehen wollen! Und deswegen sagen wir: Wir wollen in der Bundesregierung dafür sorgen, dass Deutschland in den nächsten vier Jahren atomwaffenfrei wird."

    Die Union hingegen möchte diese Frage nicht einseitig, sondern nur im Rahmen eines umfassenderen Sicherheitskonzeptes der NATO für Europa behandeln, womit die Liberalen sich hier auf einen Konflikt bei den Koalitionsverhandlungen einstellen können. Das gilt auch für ein weiteres Anliegen der Freien Demokraten. Sie wollen die allgemeine Wehrpflicht in Deutschland aussetzen, die sie für nicht mehr zeitgemäß halten, und dürften damit auf den erheblichen Widerstand der Union stoßen.

    Es gibt also reichlich zu tun für die zehn gemeinsamen Arbeitsgruppen von CDU, CSU und FDP, die nun Beschlussvorlagen für die große Verhandlungsrunde der drei Parteien erarbeiten sollen. Diese besteht aus je neun Vertretern der künftigen Koalitionspartner. Im Fall der FDP ist das Verhandlungsteam deckungsgleich mit dem Parteipräsidium. Und hier erwartet man Gespräche mit der Union ohne Vorfestlegungen, wie FDP-Chef Westerwelle betonte:

    "Ich lese, da seien Pflöcke da oder dort eingerammt worden. Ich denke, dass Koalitionsverhandlungen am Koalitionstisch geführt werden. Dort entscheidet sich auch der Erfolg der Koalitionsverhandlungen. Ich bin, was öffentliches Begleittrommeln angeht, absolut resistent."

    Und noch in einem weiteren Punkt will sich Westerwelle treu bleiben:

    "Ich gehe mit rheinischer Gelassenheit, Fröhlichkeit, Optimismus, Entschiedenheit und völliger Unbefangenheit in diese Verhandlungen, und sie werden gut werden. Sie werden es sehen."