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Deutschland sucht das Wirtschaftstalent - aber wie?

In der Wirtschaft sind Unternehmen ständig auf der Suche nach Talenten. Aber die Betreuung ist allzu oft eher dürftig. Da ist "Talentmanagement" gefragt. Was sich dahinter verbirgt und wie es richtig angewendet wird, haben sich Personalchefs und andere Wirtschaftsmanager gestern auf der Tagung "Talente im Fokus – Risiken mindern durch innovatives Talentmanagement" in Bonn-Bad Godesberg erklären lassen.

Von Martin Koch | 21.11.2008
    Wer das Wort "Talent" hört, denkt an Castingshows, an Nachwuchssportler oder an junge Musiker. Und auch viele Wirtschaftsunternehmen suchen unter diesem Begriff vor allem nach Absolventen mit erstklassigen Zeugnissen. Doch das ist viel zu kurz gedacht, sagt Jutta Rump von der Fachhochschule Ludwigshafen:

    "Talent ist etwas, was jeder Mensch hat, egal wie alt er ist, Talent ist auch etwas, das nicht verloren geht, es ist wie ein Diamant, den man weiter polieren kann und so gesehen ist das völlig altersunabhängig."

    Diese Einsicht will die Professorin möglichst vielen Personalchefs und Unternehmensvorständen vermitteln. Ihrer Ansicht nach spielt das Talentmanagement eine maßgebliche Rolle für den nachhaltigen Erfolg einer Firma. Viele Unternehmen gehen jedoch bei der Suche nach Mitarbeitern noch immer unprofessionell vor und machen vieles falsch, beklagt die Wirtschaftswissenschaftlerin:

    "Einer der ganz wesentlichen Fehler, die Unternehmen im Kontext mit Talentmanagement machen, dass sie sich ausschließlich auf ihre 'high potentials' fokussieren, also auf die absoluten High Performer, und damit eine Zwei-Klassen-Gesellschaft im Unternehmen hineintragen, was der Unternehmenskultur und dem Betriebsklima nicht sehr förderlich ist, und das behindert letztlich auch die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens."

    Heiko Lorson von der Unternehmensberatung PriceWaterhouseCoopers erlebt immer wieder, dass Unternehmen eine unflexible Personalentwicklung betreiben, die sich nicht an dem tatsächlichen Bedarf ausrichtet:

    "Man schickt Leute zu Konferenzen und Seminaren, die nicht immer zielorientiert sind. Und ein Problem ist, dass oftmals nur junge Mitarbeiter zur Fortbildung geschickt werden und man Leute ab 40 vergisst, weil man denkt, die wissen eh schon alles. Aber das ist nicht richtig, da muss man genauso weitertrainieren und weiterbilden, erst recht vor dem Hintergrund, dass sie bis 67 arbeiten müssen. Also das ist ein Punkt, der wird zu stark vernachlässigt."
    Außerdem haben ältere Arbeitnehmer oft zusätzlich zu ihrer Erfahrung eine viel größere und über Jahre gewachsene Loyalität mit ihrem Unternehmen. Die nachrückende Talent-Generation setzt dagegen andere Prioriäten: Die Arbeit soll interessant sein, mit dem Familienleben vereinbar – und Möglichkeiten zur persönlichen Entwicklung bieten. Gerade in der aktuellen schwierigen Wirtschaftslage müssen die Arbeitgeber da kreative Anreize schaffen, empfiehlt Unternehmensberater Lorson:

    "Vielleicht mal 'n interessantes Projekt, mehr Gehalt, Aufstieg, aber auch wie schaff ich's als Bank, dass die Leute bleiben, dass die nicht sagen, die werfen bestimmt noch Leute raus, hoffentlich bin ich nicht auch dabei, dann geh ich doch lieber von mir aus. Also wie schaff ichs als Unternehmen, mich so darzustellen, das auch in Krisenzeiten nicht gleich Talente über Bord wirft, sondern wirklich auch hält, motiviert und weiterbringt."

    Der verantwortliche Umgang mit qualifizierten Mitarbeitern ist noch längst nicht so weit verbreitet, wie es für alle Beteiligten wünschenswert wäre, sagt Jutta Rump. Die weltweite Finanzkrise lässt sie als Begründung für Defizite nicht gelten. Die Professorin sieht darin vielmehr eine Chance:

    "Ich glaube, dass gerade schwierige Wirtschaftssituationen vielen Unternehmen deutlich macht, welches ihre Kernkompetenzen sind, und sie setzen viele Unternehmen auch unter Druck, sich zu bewegen und etwas zu verändern. Und in einer Wissensgesellschaft, in die wir uns hineinbewegen, ist tatsächlich das Talentmanagement eine Möglichkeit, um mit einer Krise umgehen zu können und sie bewältigen zu können."

    Doch beim Talentmanagement sind nicht nur die Unternehmen gefordert. Auch die Mitarbeiter müssen sich ihres Wertes bewusst sein: Bei einem Verdienst von 40.000 Euro pro Jahr kostet ein Angestellter seinen Arbeitgeber bei 40 Arbeitsjahren rund 1,6 Millionen Euro. Und entsprechend sorgfältig und selbstbewusst sollten die Arbeitnehmer auftreten, empfiehlt Jutta Rump:

    "Nicht nur auf Arbeitgeber zu hoffen, sondern auch sich selbst im klaren zu werden, dass es mein Vermögenswert ist, dass ich dafür auch Verantwortung trage, dass ich auch selbst darauf achte, dass dieses Talent immer mein Talent bleibt, dass ich es aktuell halte und dass ich es in gewisser Weise auch ganz gut selbst vermarkten muss. "