Donnerstag, 28. März 2024

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Deutschland-Tour vor der Neuauflage
Lange Geschichte, keine Tradition

Die Geschichte deutscher Radrennen reicht bis ins Jahr 1911 zurück. Doch im Vergleich mit Frankreich, Italien und später Spanien, hat sich eine große Deutschland-Tour nie etablieren können. Nach dem Radsport-Boom Anfang des neuen Jahrtausends kommt jetzt die Neuauflage: Wird sie dieses Mal ein Erfolg?

Von Steffen Gaa | 22.08.2018
    Radsport - Deutschland Tour 2008 - 03.09.2008, 5. Etappe - Mainz > Winterberg, Maxime Monfort (FRA/COF), Gesamtführender Linus Gerdemann (GER/THR), - Cycling Germany Tour 2008 03 09 2008 5 Stage Mainz > Winterberg Maxime Monfort FRA COF Leading overall Linus Gerdemann ger THR
    Linus Gerdemann (rechts) im Trikot des Gesamtführenden bei der Deutschland-Tour 2008. (imago sportfotodienst)
    Linus Gerdemann ist der bislang letzte Sieger der Deutschland-Tour. Um den Ersten zu finden, muss man weit zurück. Bis ins Jahr 1911.
    Breslau, an einem Sonntag im Mai. Hier beginnt die Geschichte der Rundfahrt. Hans Ludwig hat zwar nur noch ein Auge. Er fährt trotzdem allen davon. Mit Augenklappe, Kniestrümpfen und nur einem Gang. Nach mehr als achteinhalb Stunden kommt Ludwig als Erster in Dresden an. Auftaktsieg und nach sechs Etappen auch Gesamtsieg bei "Quer durch Deutschland", wie das Rennen damals heißt.
    Wechselnde Namen und zahlreiche Unterbrechungen
    Namen hat die Tour viele. In den 30ern zum Beispiel Opel-Rundfahrt. Der Automobil-Hersteller organisiert. Die Fahrer bekommen Opel-Räder. Die Tour wird zur Internationalen-Deutschland-Rundfahrt. Auch die Nationalsozialsten nutzen die Tour. Ende der 30er: Hauptsache Groß! Eine Groß-Deutschland-Fahrt, mit mehr als 5.000 Kilometern Gesamtstrecke.
    Die Deutschland-Tour hat eine lange Geschichte. Eine Tradition aber hat sie nicht. Immer wieder neue Namen, immer wieder Pausen. Auch nach dem Krieg. Während im Ostblock die Friedensfahrt floriert, tut sich die Deutschland-Tour schwer. Rudi Altig oder Didi Thurau lösen zwar Radsport-Begeisterung aus. Die Deutschland-Tour aber gibt es immer nur kurz. Mal fehlt das Geld, mal wird schlecht geplant, wie es heißt. Der bislang letzte Versuch startet Ende der 90er.
    Ullrich und Zabel sorgen ab 2000 für Boom der "dtour"
    Die ersten Jahre im neuen Jahrtausend sind auch die besten dtour-Jahre. 10 Auflagen am Stück. Ullrich und Zabel bringen den Boom, aber auch den Absturz. Doping – der größte Feind, auch der "dtour". Noch bleibt das Fernsehen. Weil die "dtour" ernst macht: mehr Doping-Tests, Blutscreening, Chaperon-System. Es ist nicht nur ein Kampf gegen Doping, sondern ein Kampf für Sendezeit und damit ein Kampf ums Überleben der dtour.
    Im Herbst 2008 aber kommt das Aus. Die ARD will die Tour de France nicht mehr Live zeigen. Keine Tour heißt letztlich auch keine "dtour". Die Deutschland-Tour – in mehr als 100 Jahren geht sie zwar oft aus dem Sattel. Richtig ins Rollen kommt sie nie. Sie kommt nur auf 32 Auflagen. Jetzt der nächste Versuch.