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Deutschlandtag der Jungen Union
"Konservatives Profil muss gestärkt werden"

"Wir müssen uns breiter aufstellen, wenn wir Volkspartei bleiben wollen", sagte der JU-Vorsitzende Paul Ziemiak im Dlf mit Blick auf die Wahlergebnisse der CDU. Die Bundeskanzlerin sei in diesen Zeiten ein Stabilitätsanker, aber neben ihr gäbe es Platz für neue und unverbrauchte Köpfe.

Paul Ziemiak im Gespräch mit Silvia Engels | 06.10.2017
    Der Bundesvorsitzende der Jungen Union, Paul Ziemiak.
    Will sich nicht damit abfinden, dass "rechts von der Union im Parlament noch eine andere Partei sitzt": Paul Ziemiak (picture alliance / dpa / Michael Kappeler)
    Silvia Engels: Nach der Wahl im Bund, vor der Wahl in Niedersachsen und mitten im Gezerre zwischen CDU und CSU über gemeinsame Positionen in der Migrationspolitik trifft sich ab heute die Junge Union in Dresden zu ihrem Deutschlandtag. Das ist die gemeinsame Jugendorganisation von CDU und CSU.
    Am Telefon ist Paul Ziemiak. Er ist der Vorsitzende der Jungen Union und gerade auf dem Weg nach Dresden. Guten Morgen, Herr Ziemiak.
    Paul Ziemiak: Guten Morgen, Frau Engels.
    Engels: Wird es so einen Applaus wie am Wahlabend noch mal für Angela Merkel geben, oder verlangen Sie jetzt knallharte Aufarbeitung, wie beispielsweise der Junge-Unions-Vorsitzende in Bayern Hans Reichhart?
    Ziemiak: Wir freuen uns sehr auf den Besuch der Kanzlerin. Ich war zwar nicht im Konrad-Adenauer-Haus am Wahlabend, sondern in meinem Wahlkreis, aber ich kann gut verstehen, dass dort viele auch gejubelt haben und geklatscht haben. Denn eins steht doch fest: Da waren viele junge Leute, die über Wochen Wahlkampf gemacht haben, und da freut man sich auch zusammen, wenn so eine Wahl dann gelaufen ist, auch wenn ich mir persönlich ein anderes Ergebnis gewünscht hätte. Deswegen wird es einen freundlichen Empfang geben. Wir freuen uns auf den Besuch der Kanzlerin. Wir werden über die Zukunft sprechen. Aber wir werden auch über das Wahlergebnis diskutieren.
    Engels: Sie können doch nicht zufrieden damit sein, dass Angela Merkel über die miserablen 32,9 Prozent für die Union einfach hinweggeht.
    Ziemiak: Genau. Deswegen brauchen wir jetzt eine Debatte, woran es gelegen hat. Wir haben Wähler verloren an die AfD, noch mehr Wähler haben wir verloren an die FDP, und deswegen geht es darum, das aufzubereiten. Denn ich sage Ihnen ganz ehrlich: Ich möchte auf Dauer, dass wir andere Ergebnisse erzielen bei Wahlen, vor allem bei der Bundestagswahl, und ich will mich nicht damit abfinden, dass rechts von uns in den Parlamenten noch eine andere Partei sitzt.
    Engels: Sie haben von der Kanzlerin gefordert, die Union solle wieder breiter aufgestellt werden. Die Flügel müssten stärker beachtet werden. Heißt das nicht, de facto übersetzt, Sie wollen, dass das konservative Lager gestärkt wird?
    Ziemiak: Auch das konservative Profil muss gestärkt werden. Wir sind Volkspartei, wir haben einen christlich-sozialen Flügel, wir haben einen liberalen Flügel, aber eben auch einen konservativen Flügel, und deswegen müssen wir uns breiter aufstellen, wenn wir Volkspartei bleiben wollen, und genau das habe ich eingefordert.
    Die Kanzlerin - "ein Stabilitätsanker"
    Engels: Nun ist es nicht so, dass alle direkt bereit sind, nach vorne zu schauen, wie Sie das tun. Peter Gauweiler zum Beispiel, ehemaliger CSU-Parteivize, fordert heute in der Süddeutschen Zeitung, Merkel und Seehofer sollten nach dem schwachen Wahlergebnis ihre Ämter zur Verfügung stellen. Schließen Sie sich an?
    Ziemiak: Ich habe das gelesen, aber ich schließe mich dem nicht an. Gerade die Kanzlerin brauchen wir in diesen Zeiten. Ich meine, in Zeiten von Herrn Putin, Herrn Erdogan und anderen ist das ein Stabilitätsanker. Aber ich finde, neben der Bundeskanzlerin ist Platz für neue und unverbrauchte Köpfe in Regierung, Partei und Fraktion, und das steht uns gut zu Gesicht, denn es geht nicht nur um das Zurückschauen, sondern um die Frage von Zukunft, und ich möchte, dass die Union die Zukunftspartei ist, und dafür brauchen wir junge Köpfe.
    Engels: Haben Sie da jemand Konkretes im Auge, vielleicht sich selbst?
    Ziemiak: Nein, nicht mich selbst. Es gibt viele andere, die schon erfahren auch in der Bundestagsfraktion sind, die jetzt schon andere Ämter bekleiden, die wir brauchen. Aber ich will jetzt hier keine einzelnen Namen nennen, denn davon haben wir sehr, sehr viele in der Fraktion.
    Engels: Nicht zufällig Jens Spahn?
    Ziemiak: Und Jens Spahn gehört sicher auch dazu.
    Zuwanderung: "Wir brauchen klare und bessere Regeln"
    Engels: Gut. – Dann schauen wir auf Inhalte. Der Streit zwischen CDU und CSU um das schöne Wort der Flüchtlingsobergrenze – einige finden es nicht so schön -, der ist natürlich auch in den letzten Tagen weitergegangen. Mit diesem eher konservativeren Profil, für das die Junge Union in letzter Zeit steht, wird es da überhaupt Streit geben, oder ist man sich einig zwischen CDU- und CSU-Jugend, dass diese Obergrenze in den Koalitionsvertrag gehört?
    Ziemiak: Sie meinen, dass wir politisches Asyl begrenzen?
    Engels: Ja, das wäre in diesem Zusammenhang der Fall. Politisches Asyl ist das eine, aber eigentlich ging es mit dieser Obergrenze ja einmal ganz generell darum, dass nicht mehr so viele Menschen nach Deutschland kommen.
    Ziemiak: Ich habe deswegen diese Frage gestellt, weil wir genau diese Unterscheidung brauchen. Wir brauchen die Unterscheidung zwischen politischem Asyl, zwischen der Frage, wer ist wirklich Flüchtling und wer kommt aus anderen Gründen. Zuwanderung aus anderen Gründen müssen wir regeln in einem Zuwanderungsgesetz. Da bestimmen aber wir, wer zu uns nach Deutschland kommt und in welcher Anzahl die Menschen kommen. Und am Ende sagen wir auch, nicht jeder, der gerne hier hinkommen möchte, wird das auf Dauer tun, sondern da muss man Anforderungen erfüllen, eine Qualifikation mitbringen und wir bestimmen das. Die Menschen, die nicht bleiben dürfen, die müssen auch wieder gehen. In dieser Frage herrscht tatsächlich Einigkeit zwischen der Jungen Union in Deutschland.
    Engels: Verstehe ich Sie richtig? Indem man die Gruppe der Zuwanderer besser in die Untergruppen Asyl, zwischenzeitlicher Flüchtling und Einwanderer unterteilt, nimmt dadurch rein mathematisch die Zahl der glasklaren Asylbewerber so stark ab, dass man am Ende auch dafür die Grenze 200.000 dranschreiben könnte, weil die eh nie erreicht wird?
    Ziemiak: Es geht jetzt nicht um eine Zahl, sondern wir sehen einfach, dass die meisten, die zu uns kommen, die politisches Asyl beantragen, gar nicht asylberechtigt sind. Deswegen müssen wir dort klar unterscheiden. Diejenigen, die kein politisches Asyl bekommen oder keine Flüchtlinge sind, die müssen unser Land auch wieder verlassen, es sei denn, sie wollen als Einwanderer kommen. Aber dann erwarten wir bestimmte Dinge, zum Beispiel das Beherrschen der deutschen Sprache oder eine bestimmte berufliche Qualifikation. Aber es kann nicht sein, dass Leute zu uns kommen, die dann sagen, politisches Asyl, sind gar nicht verfolgt, bleiben dann hier und sind darauf angewiesen, dass der Staat sie unterstützt. So kann ein modernes Land nicht funktionieren.
    Engels: Aber das klingt doch sehr nach Formelkompromiss. Die CSU wollte einfach die Zahl der Menschen, die nach Deutschland kommen, begrenzen. Die Zahl 200.000 wurde immer wieder genannt. Die Obergrenze wurde immer wieder genannt. Denken Sie, mit so einem Formelkompromiss hier innerhalb der Gruppen zu unterscheiden, kommen Sie tatsächlich voran?
    Ziemiak: Ich glaube, dass das tatsächlich der beste und auch klügste Weg ist, weil er sich an dem Problem orientiert. Wir haben tatsächlich ein Problem mit Zuwanderung aus anderen Gründen. Die meisten sind keine Kriegsflüchtlinge, sind nicht politisch Verfolgte, und dafür brauchen wir klare und vor allem bessere Regeln. Ich glaube, dass das die Menschen von uns erwarten, nicht nur eine theoretische Diskussion über Begriffe, sondern dass wir die Probleme lösen. Dazu gehört übrigens auch, dass wir die Außengrenze der Europäischen Union sichern. Das erwarten schlicht die Leute von uns.
    Engels: Dann drehe ich es anders herum. Finanzminister Schäuble nennt das Ringen um eine Obergrenze angesichts sinkender Flüchtlings- und Zuwandererzahlen einen Scheinstreit, der im Koalitionsvertrag nichts verloren habe. Hat er da recht?
    Ziemiak: Er hat damit recht, weil das Problem ist heute ein anderes als 2015. Ich habe ja selbst 2015 davon gesprochen, dass es so auf Dauer nicht weitergehen kann. Die Zahlen wurden aber reduziert und insofern haben wir jetzt tatsächlich keine Debatte nötig über theoretische Obergrenzen, egal in welcher Zahl, sondern wir brauchen jetzt ein Zuwanderungsgesetz, um die tatsächlichen Probleme zu lösen. Momentan ist es doch so, dass die Menschen vor allem aus Nordafrika zu uns kommen, die hier ihr Glück versuchen, aus wirtschaftlichen Gründen zu uns zu kommen, was ich nachvollziehen kann. Aber das kann nicht unbegrenzt stattfinden.
    Forderungen an Koalitionsvertrag "selbstbewusst" formulieren
    Engels: Nehmen wir an, die Union legt den Streit bei, dann haben Sie gefordert, die Union solle rote Linien für Koalitionsverhandlungen mit Liberalen und FDP festlegen. Kanzleramtsminister Altmaier lehnt genau das ab. Liegt das daran, dass er verhandeln muss mit den anderen und Sie nicht?
    Ziemiak: Das liegt daran, dass wir als Junge Union eine klare Vorstellung haben, was wir von dieser Koalition erwarten. Wir erwarten übrigens nicht nur eine Diskussion über Zuwanderung und Flüchtlinge, sondern wir wollen vor allem in die Zukunft schauen, uns mit dem Thema Bildung auseinandersetzen, mit der Frage von Digitalisierung, mit der Frage auch von innerer Sicherheit, wie wir Polizistinnen und Polizisten ausstatten, wie viele wir davon haben. Das alles erwarten junge Menschen. Wir erwarten übrigens auch, dass wir die schwarze Null im Haushalt behalten, dass wir keine neuen Schulden machen auf Kosten der jungen Generation, und deswegen finde ich schon, kann man schon sagen, man muss nicht von roten Linien sprechen. Ich spreche von schwarzen Linien, also unseren Forderungen an diesen Koalitionsvertrag, und es ist wichtig, dass wir die haben und auch sehr selbstbewusst formulieren. Wir sind die stärkste Fraktion im Deutschen Bundestag.
    Engels: Paul Ziemiak war das. Er ist der Vorsitzende der Jungen Union und er ist gerade auf dem Weg zum Deutschlandtag seiner Jugendorganisation in Dresden. Ihnen weiter gute Fahrt und danke für Ihre Zeit.
    Ziemiak: Ich danke Ihnen! Alles Gute!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.