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"Devotion" von Tirzah
Großer Wurf mit wenigen Pinselstrichen

Nachdem sie ihren Job als Designerin an den Nagel gehängt hatte, feilte die Londonerin Tirzah Mastin zusammen mit Mica Levi von "Micachu and the Shapes" viele Jahre an ihrem Debüt. Auf dem Album "Devotion" widmen sich die beiden mit Hingabe dem Introvertierten und Verschwurbelten.

Von Diviam Hoffmann | 11.08.2018
    Londoner Musikerin Tirzah Mastin (r.) und ihre Co-Producentin Mica Levi lachen in die Kamera
    Londoner Musikerin Tirzah Mastin (r.) und ihre Co-Producentin Mica Levi (Clare Shilland)
    Tirzah: "It's like: Why not do something that is the most creative part of my life?"
    Wieso sich nicht auf das konzentrieren, was der kreativste Teil des Lebens ist …
    Tirzah: "Yeah, and make something of it - rather than doing it half-heartedly."
    … anstatt diesen Teil des Lebens nur halbherzig voranzutreiben?
    Die britische Musikerin Tirzah spricht über ihr Debütalbum, an dem sie viele Jahre geschraubt hat. Ihren Day-Job als Designerin hat sie dafür nun aufgegeben: Für ihr erstes Album "Devotion", zu Deutsch: "Hingabe".
    Es ist kein Soloprojekt
    "Devotion" erscheint unter Tirzahs Namen, aber als Soloprojekt versteht sie das Album nicht. Es ist "unser Ding" sagt sie - und meint damit sich und Mica Levi, eine Produzentin aus London, die unter anderem als Michachu auftritt.
    Kennengelernt haben Mica Levi und Tirzah auf einer privaten Londoner Musikschule, der Purcell School for Young Musicians. Mica Levi lernte dort Violine und Komposition. Tirzah kam ein Jahr später dazu, mit 13, hatte ein Stipendium für die Harfe. Doch Levi und Tirzah lassen ihre klassischen Instrumente bald im Schrank stehen.
    Tirzah: "She probably would have been in the tech room, or playin' her guitar."
    Mica Levi sei immer im Technikraum zu finden gewesen oder habe Gitarre gespielt, meint Tirzah. Heute ist Mica Levi als DJ und Kollaborateurin gefragt, war für den Oscar nominiert und bekam den Europäischen Filmpreis für ihre Soundtracks.
    Tirzah: "A lot of the time when me and Mica met up, we'd be doing music. And the other time she was doing her thing and I was doing my thing. So it felt just like doing life."
    "Meistens wenn wir uns getroffen haben, kam dabei neue Musik heraus. Den Rest der Zeit hat jede einfach ihr Ding gemacht", sagt Tirzah zur Zusammenarbeit mit der Produzentin Levi. So sind auf dem neuen Album nun Songs aus mehreren Jahren versammelt, Songs, an denen immer wieder gearbeitet wurde.
    Verkopft-verschwurbelte Produktion
    Dass Mica Levi und Tirzah auch Dancefloor-Songs und lupenreine Clubmusik können, das haben sie immer wieder gezeigt. "Devotion" aber setzt auf das introvertierte Moment der Zusammenarbeit. Anstatt den Pop-Appeal von Tirzahs Stimme noch weiterherauszuschälen, setzt das Album auf eine Stärke von Mica Levi: eine verkopft-verschwurbelte Produktion. Zu hören sind simple, geloopte Beats, E-Gitarre, sparsam eingesetzte Effekte und Synths, die mal nach Piano, mal nach Cembalo klingen. Dazu Tirzahs vernuschelter, unprätentiöser Gesang.
    "Basic Need" heißt ein Song - der mit seinem Titel genau das ausdrückt, was das Album "Devotion" ausmacht: Es geht in den elf Songs zwar um Sehnsucht, um Hingabe, aber ohne viel Theater darum zu machen. Im Mittelpunkt steht auf "Devotion" das Grundlegende, eben die Basics des Zwischenmenschlichen.
    Die Platte lässt Raum für die Produktion
    Wie VHS-Bänder, die zu lang in der Sonne gelegen haben, klingt "Devotion". Verschwommen, irgendwo zwischen R&B und Clubmusik, mit verstolperten Beats. Ganz ähnlich wie zuletzt die Alben von King Krule, Sampha oder Mount Kimbie, ist auch Tirzahs Album vor allem eins: bescheiden. Die Platte lässt Raum für die Produktion, für Pausen und Stille. Wo moderner Charts-Pop oft steril wirkt und vollgestopft ist mit allem, was die Musikgeschichte hergibt, vertrauen Tirzah und Levi auch auf Improvisation und Zufälle.
    Wie aus wenigen Zutaten ganz viel werden kann, das zeigt "Devotion". Eine Tagträumerin sei sie, meint Tirzah - und das hört man irgendwie auch. Im allerbesten Sinne.
    Tirzah: "I'm just a big day dreamer, that's my problem."