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Diabetes Typ 2
Das Risiko wird von mehreren Faktoren bestimmt

Tübinger Wissenschaftler suchen in einer Studie nach den Faktoren, die bei einem Menschen das Risiko für Diabetes Typ 2 erhöhen. Gezielte Maßnahmen sollen dann bei diesen Patienten der Krankheit möglichst frühzeitig entgegenwirken.

Von Christina Sartori | 19.05.2015
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    Eine Diabetikerin spritzt sich Insulin. (dpa/picture alliance)
    Die Portionen sind kleiner geworden, das Sportprogramm dagegen umfangreicher: Es hat sich einiges verändert im Leben von Gertraude Baumgart. Seitdem sie an der Studie "Tübinger Lebensstil-Interventions-Programm", kurz TULIP, teilgenommen hat, knabbert die schlanke Seniorin deutlich weniger Nüsse am Abend, gönnt sich seltener ein Glas Wein und läuft fast jeden Tag acht Kilometer. Sich so zu disziplinieren, das ist nicht einfach. Aber Gertraude Baumgart ist hochmotiviert.
    "Einmal tut mir laufen gut, denn ich wohne in der Nähe von zwei Seen, und wenn ich um die laufe, die sehen jeden Tag anders aus, das ist einfach schön. Das zweite ist, dass ich einen Sohn habe, der mit acht Jahren Diabetes 1 bekommen hat, und ich weiß, was es heißt, Diabetes zu haben und sich spritzen zu müssen. Und wenn ich irgendetwas tun kann, um das bei mir zu vermeiden, tue ich das!"
    Mit viel Disziplin und Motivation
    Diese Disziplin trägt Früchte: Als Gertraude Baumgart an der TULIP-Studie teilnahm, wurde sie genau untersucht, mit dem Ergebnis: Sie hatte ein hohes Risiko, bald an einem Typ-2-Diabetes zu erkranken, also dem Diabetes, der nicht angeboren ist, sondern sich in der Regel erst im Alter entwickelt. Im Rahmen der Studie änderte die lebenslustige Frau einiges. Und wurde belohnt: Nicht nur ihr HbA1 Wert, der Langzeit-Blutzuckerwert, hat sich verbessert, berichtet sie: "Mein Hb1 ist wieder auf ganz normalem Wert unten, die Fettleber ist weg, und in dem Programm, das war mehr oder weniger so ein Nebeneffekt, habe ich auch noch zehn Kilo abgenommen und fühle mich dadurch auch recht gut."
    Es braucht viel Disziplin und Motivation, um dauerhaft die Ernährung umzustellen und regelmäßig Sport zu treiben. Deswegen ist es so wichtig, vorher zu wissen, welche Patienten wirklich von diesen Maßnahmen profitieren, bei welchen sich der Aufwand lohnt, sagt Dr. Norbert Stefan. Der Professor für klinisch-experimentelle Diabetologie am Uniklinikum Tübingen war an der inzwischen beendeten TULIP-Studie beteiligt - und konzentriert sich jetzt auf die aktuelle Prädiabetes-Lebensstil-Interventionsstudie, kurz PLIS:
    "In der Studie wollen wir versuchen, Menschen die ein erhöhtes Risiko für Typ-2-Diabetes haben, im Rahmen einer Lebensstil-Intervention so zu betreuen, dass sie machbar das Gewicht leicht reduzieren, aber vor allem die Blutzuckerwerte senken und somit keinen Diabetes bekommen. Und das Besondere bei dieser Studie ist, das wir vorher uns klar machen, ob jemand ein Hochrisikopatient ist oder ob jemand in die Gruppe gehört derjenigen, die eigentlich gar nicht so viel tun müssen."
    Drei Hauptrisikofaktoren
    Es sind vor allem drei Faktoren, die darauf schließen lassen, ob jemand ein hohes oder ein eher geringes Risiko für Diabetes Typ 2 hat, sagt Professor Stefan: "Die Hauptrisiko-Faktoren sind eine verminderte Insulin-Wirkung, das kann man am Nüchtern-Zucker und Insulinwert bestimmen. Das zweite ist eine verminderte Insulin-Produktion, da gibt es einen speziellen Wert, sogenanntes C Peptid, das man messen kann, auch im Nüchternwert. Und der dritte Faktor, den ich als sehr wichtig erachte, der ist, ob eine Fettleber vorliegt oder nicht."
    Diese drei Hauptrisikofaktoren lassen sich also von jedem Hausarzt bestimmen: Per Blutuntersuchung und durch einen Ultraschall der Leber. Das ist wichtig, denn auch schlanke Menschen können eine Fettleber haben. Allein auf das Übergewicht zu achten, messbar durch den BMI, reicht da nicht aus, erklärt Professor Stefan:
    "Wir wissen natürlich, dass es auch die übergewichtigen und dicken Gesunden gibt - etwa 25 Prozent der fettleibigen Menschen sind relativ gesund. Das heißt nicht, dass sie das ganze Leben gesund bleiben. Man weiß, dass wenn nichts getan wird, ein Drittel dieser Menschen auch wieder schlechte Blutwerte bekommt und das Risiko wieder ansteigt, aber zwei Drittel bleiben gesund. Und andererseits gibt es die Normalgewichtigen, das heißt, der BMI ist akzeptabel, die haben allerdings ein erhöhtes Risiko für Stoffwechselerkrankungen."
    Und dann sind Arzt und Patient gefordert. Denn zu dem Zeitpunkt bewirkt eine Lebensstiländerung am meisten: bevor der Diabetes ausbricht.