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Dickhäuter schnurren nicht

Anatomie. - Elefanten äußern gern und in verschiedensten Tonhöhen und Lautstärken. Sie beherrschen auch die Langstreckenkommunikation mittels Infraschall, also mit extrem tieffrequenten Schallwellen. Wiener Forscher haben jetzt herausgefunden, dass sie diese mit genau dem Instrumentarium produzieren, mit dem auch wir sprechen: den Stimmlippen im Kehlkopf. Einer der Wissenschaftler, Christian Herbst von der Universität Wien, erklärt die Entdeckung im Gespräch mit Arndt Reuning.

Christian Herbst im Gespräch mit Arndt Reuning | 03.08.2012
    Reuning: Herr Dr. Herbst, welches Tier hat denn da eben so geknurrt?

    Herbst: Was Sie da gehört haben, und ich bin mir nicht sicher, ob man wirklich Knurren dazu sagen kann, ist ebenfalls ein Elefant. Und zwar haben Sie hier einen tieffrequenten Schall gehört, welchen der Elefant verwendet, um über weite Strecken zu kommunizieren miteinander.

    Reuning: Das nennt man auch Infraschall. Über diese Infraschallsignale der Elefanten berichten Sie heute im Fachblatt "Science". Welcher Frage sind Sie denn dabei ganz genau nachgegangen?

    Herbst: Wir wollten wissen: Wie geht das? Wie geht das physikalisch? Was sind die Stimmproduktionsmechanismen hier? Denn diese Klänge, diese tieffrequenten Klänge werden seit mehreren Jahrzehnten eigentlich gut untersucht, phänomenologisch klassifiziert. Was ist der soziale Kontext hier? Warum machen die Elefanten das? Das ist eigentlich relativ gut bekannt. Aber wir wissen noch nicht, wie das Ganze physikalisch vonstatten geht.

    Reuning: Es gibt also verschiedene Mechanismen, über die solche Geräusche produziert werden können?

    Herbst: Es gibt hier mehrere, und einen, der es ganz wichtig und zentral für uns. Das ist nämlich, wie wir Menschen Stimmen produzieren. Und das möchte ich ganz kurz erklären: Wir haben in unserem Kehlkopf zwei Gewebsfalten, die nennen wir Stimmlippen, manchmal werden die auch als Stimmbänder bezeichnet. Und diese Stimmlippen werden vom Atemluftstrom, der von der Lunge kommt, in Vibration, in Bewegung gesetzt. So ungefähr kann man sich das vorstellen wie eine Fahne im Wind. Und das ist also ein ganz zentraler Mechanismus, das ist die Art und Weise, wie ich jetzt Töne produzieren, wenn ich mit Ihnen spreche. In diesem Fall würden meine Stimmlippen ungefähr 100 Mal pro Sekunde aneinander klatschen und so die Töne erzeugen.

    Reuning: Aber jetzt gibt es noch eine Alternative dazu, zum Beispiel wie Katzen schnurren.

    Herbst: Also Katzen können, wenn sie schnurren, Töne mit einer Grundfrequenz von ungefähr 20 bis 25 Hertz erzeugen. Das heißt, dass aber intrinsische Muskulatur im Kehlkopf ungefähr 20 Mal oder 25 Mal aktiviert und deaktiviert werden muss, das ist also ein physiologisch und physikalisch völlig anderer Mechanismus.

    Reuning: Und jetzt war die Frage: Wie machen Elefanten das? Welcher Mechanismus kommt da zum Einsatz?

    Herbst: Ganz genau. Und um das herauszufinden haben wir einen Kehlkopf eines Elefanten, der aus natürlichen Gründen verstorben ist, bei uns im Labor auf einer vertikalen Röhre montiert und dort erwärmte, befeuchtete Luft durchgeblasen. Und wir konnten so beobachten, unter anderem mit einer Hochgeschwindigkeitskamera, dass die Stimmlippen tatsächlich in einem Frequenzbereich schwingen, wie wir das von den natürlichen Klängen der Elefanten kennen.

    Reuning: Das heißt, Elefanten schnurren nicht wie Katzen, sie bilden die Laute wie wir Menschen. Was bringt diese Erkenntnis denn nun?

    Herbst: Es ist für uns wichtig, eine Art Landkarte zu bauen. Also wir sind hier mit einer Theorie konfrontiert, einer Theorie der physikalische Stimmproduktion, die sowohl für ganz große, als auch mittlere, als auch kleine Säugetiere gilt. Wir haben das eben untersucht jetzt beim größten landlebenden Säugetier. Wir kennen das sehr gut vom Menschen, wir kennen das aber auch von einigen ausgewählten anderen Tierarten. Und das Schöne ist eben zu sehen, wie die Natur hier das Ganze simultan hervorgebracht hat. Und das hilft uns besser, uns selber einzuordnen. Dann möchte ich noch dazu sagen: Es ist gerade sehr schön, ich sitze hier im Studio des Bayerischen Rundfunks, schräg gegenüber vom Salzburger Festspielhaus, wo vermutlich heute Abend wieder eine Oper stattfinden wird, die dann hier kommentiert wird. Also hier wird Kunst auf höchstem Niveau gebracht und das ist exakt derselbe Stimmproduktionsmechanismus. Das heißt, wir müssen das sehr gut dokumentieren, und es ist auch wichtig, das im Bewusstsein der Gesellschaft zu verankern, was das für eine, was Stimme für eine zentrale Rolle spielt.

    Reuning: Dann hören wir vielleicht auch bald Elefanten bei den Salzburger Festspielen. Dr. Christian Herbst von der Universität Wien, vielen Dank.