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Die Architektur des Museums Folkwang

Ein Spiel von Höfen und Kunstboxen, Licht und großen freien Flächen hat Architekt David Chipperfield für Essens neuen Prachtbau, das Museum Folkwang, entworfen.

Von Beatrix Novy | 28.01.2010
    Der Zufall hat gewollt, dass David Chipperfields Neubau für das Folkwang-Museum Anfang Dezember vorgestellt wurde - also ganz kurz, nachdem die Welt staunend von Zaha Hadids Paukenschlag in Rom erfahren hatte: ihr Museum für zeitgenössische Kunst, dessen Hadid-typische Dynamik, Kurvigkeit, Heftigkeit, Grandiosität allen Respekt abforderte, aber auch die Wahrnehmung, dass dies Haus fürs einfache Hängen von Kunstwerken ausdrücklich nicht gemacht ist. Wohingegen der erste Blick in die damals noch leeren Räume des neuen Folkwang den spontanen Gedanken hervorrief: "Aha, ein Haus für Bilder". Wie da, im Foyer, nichts das Auge aufhielt, wie Café, Buchladen, Bibliothek, Ausstellungsräume im Blick lagen, das versprach ruhige Orientierung ohne Erlebniszusatz. Und bei dem Eindruck blieb es.

    Ein Museum verlangt, der Kalauer sei erlaubt, von Haus aus Massivität, um Bilder zu zeigen, braucht es Wandfläche, und davon soviel wie möglich. Wie es David Chipperfield gelungen ist, diese Massivität in Leichtigkeit zu transformieren, ist für seine Arbeitsweise bezeichnend: ohne Schnickschnack, ohne formale Verrenkungen, eben ohne den von ihm sowieso nicht geschätzten Wow!-Effekt. Hier möchte man mit Tony Buddenbrook flüstern: "Vornehm!" Die fließenden Übergänge, hohen Glasflächen, Durch- und Ausblicke sind es, die den Neubau in seiner erklärten Schlichtheit adeln: drei schlichte Baukörper, vulgo: Kisten, die doch nach keiner Seite abweisend wirken: verkleidet mit Platten aus recyceltem Glas - hier fühlt man sich als braver Entsorger endlich mal bestätigt - in jenem warm schimmernden heiteren Hellgrün, das sehr an die Farbe erinnert, die Otto Wagner vor über 100 Jahren seinen Wiener Großbauten applizierte; aufgelockert von Glasflächen, die auch die Stimmung im Innern heben, verbunden durch grüne Innenhöfe, untereinander und auch mit dem alten Folkwang-Museum aus den 50er Jahren.

    Der Teil des Folkwang-Museums, der dem Neubau weichen musste, stammte aus den 80er-Jahren und war überhaupt nicht beliebt gewesen, sagt David Chipperfield. Aber das 50er-Jahre-Haus, das mochten die Leute, was er verstehen kann. Also hat er sich an das Konzept gehalten und alle Ausstellungsräume auf eine Stockwerksebene gelegt.

    Dieses Gebäude ist so einfach, sagt Chipperfield, es ist transparent, man kann von innen nach außen sehen und umgekehrt, und das war quasi die DNA , die wir übernehmen konnten.

    Ein großer Saal für Wechselausstellungen bietet raffinierte Hängevorrichtungen für flexible Wände, hier, fast überall, bleibt man über das Wetter draußen auf dem laufenden: Tageslicht kommt von der Seite und von oben, eingelassene Glaswände leiten immer wieder den Blick nach draußen, und wenn eine Sichtachse geradewegs auf eine hübsche Villa zuläuft, erinnert ein anderer an die Realität bundesdeutschen Städtebaus, indem es den Blick freigibt auf ein klassisches Exemplar banal-häßlichen Wohnbaus - ein Kunstwerk für sich, eines, das der noblen Hülle ein Stück notwendiger Gebrochenheit gibt. Seit heute weiß man, wie sich das Haus zu den Kunstwerken im Innern verhält - die, für die es gebaut wurde.