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"Die Armen gehören der Kirche, nicht der Politik"

Volle Gotteshäuser, enthusiastische Gläubige: Jorge Bergoglios Wahl zum Papst hat der katholischen Kirche Argentiniens einen kräftigen Schub verliehen. An Differenzen mit der linksperonistischen Regierung über Themen wie die Pille danach, Armut und Homosexualität hat sich dagegen kaum etwas verändert.

Von Victoria Eglau | 20.06.2013
    San José del Talar, eine katholische Kirche in Buenos Aires. Ricardo Aloé ist hier seit sechs Jahren Pfarrer. Zum Priester geweiht wurde er vom damaligen Erzbischof Jorge Bergoglio, dem heutigen Papst Franziskus.

    "Franziskus' Wahl hat hier in seiner Heimat starke Auswirkungen gehabt. Nicht nur auf die Menschen, die sowieso zur Kirche gingen, sondern auch auf Katholiken, die sich entfernt hatten, und zum Glauben zurückgefunden haben. Diese Menschen fühlen sich bewegt durch alles, was der Papst sagt und uns beibringt."

    In der Kirche San José del Talar befindet sich ein Gnadenbild der Mutter Jesu. Das Original hat seinen Ort in Augsburg - in seiner Zeit als Erzbischof hatte Bergoglio eine Kopie nach Buenos Aires bringen lassen.

    "An diesen Wallfahrtsort kommen viele, die sich mit Gott versöhnen wollen, und sich nach vielen Jahren der Kirche wieder annähern. Sie sagen, sie kämen wegen Franziskus zurück."

    Gut besuchte Gotteshäuser und geradezu enthusiastische Katholiken – dass Jorge Bergoglios Wahl zum Papst Argentiniens Kirche einen kräftigen Schub verliehen hat, daran besteht kein Zweifel. Eine weitere Auswirkung: Das Verhältnis der Kirche zur Regierung hat sich, zumindest oberflächlich, verbessert. Unter der amtierenden Präsidentin Cristina Kirchner und ihrem Vorgänger und Ehemann Nestor Kirchner prägten Spannungen die Beziehung zum Klerus. Die Kontakte zu Bergoglio, viele Jahre Vorsitzender der Bischofskonferenz, waren spärlich. Doch seine erste Audienz gewährte der Papst der argentinischen Präsidentin.

    "Die Regierung hat ihre Beziehung zum jetzigen Papst überdenken müssen, und ist zu einer nicht-konfrontativen Haltung übergegangen", "

    sagt der argentinische Theologe Ruben Dri. Dass die Zeichen auf Annäherung stehen, zeigte sich auch bei jüngsten Feierlichkeiten in Argentiniens katholischer Kirche. Als der neue Erzbischof von Buenos Aires, Mario Poli, im April sein Amt antrat, wohnten hochrangige Regierungsvertreter der Zeremonie bei. Ähnlich war es, als der Rektor der Katholischen Universität, Victor Manuel Fernandez, in diesem Monat zum Bischof geweiht wurde. Theologe Ruben Dri will das allerdings nicht überbewerten:

    ""Dies ist eine pragmatische Annäherung. Es wird sich zeigen, wie lange dieser Burgfrieden hält. Meiner Ansicht nach wird er nicht von langer Dauer sein."

    An den grundsätzlichen Differenzen zwischen der linksperonistischen Regierung und der konservativ aufgestellten Kirche Argentiniens hat sich tatsächlich wenig geändert. Die Spannungen der letzten Jahre hingen unter anderem mit der Ausgabe der sogenannten "Pille danach" in staatlichen Gesundheitszentren zusammen, sowie mit der rechtlichen Gleichstellung von Homosexuellen bei der Eheschließung. Die Bischöfe lehnen auch die geplante Modernisierung des Zivilgesetzbuches bei Themen wie Ehe, Adoption, Scheidung und künstlicher Befruchtung ab. Dass Franziskus als Erzbischof von Buenos Aires gesellschaftliche Missstände wie die hohe Armutsrate anprangerte, kam bei der Regierung Kirchner ebenfalls nicht gut an.

    "Der Papst ist ein geschickter Politiker. Und er hat immer ein politisches Projekt verfolgt: Die Armen gehören der Kirche. Die Kirche kümmert sich um die Armen. Caritas ist für die Lösung des Armutsproblems zuständig. Ihre Macht baut die Kirche vor allem auf ihrer Mildtätigkeit auf."

    Damit liegt die Kirche für Dri im Wettstreit mit Lateinamerikas linken Regierungen, die das Armutsproblem nicht durch Wohltätigkeit lösen wollten, sondern durch Sozialpolitik.

    "Ich glaube, Franziskus wird bei der Armutsbekämpfung mit diesen Regierungen konkurrieren. Der Kampf gegen die Armut ist das zentrale Thema Lateinamerikas."

    Die argentinischen Katholiken warten unterdessen ungeduldig auf den ersten Besuch des Papstes in seiner Heimat – ein Termin steht noch nicht fest. Obwohl Franziskus im Juli zum Weltjugendtag nach Brasilien kommt, wird er keinen Abstecher ins Nachbarland machen. Das liegt wohl auch daran, dass in Argentinien im Oktober Parlamentswahlen stattfinden – und der Papst jegliche politische Vereinnahmung vermeiden will. Der Religionssoziologe Fortunato Mallimaci glaubt, dass die Gefahr der Vereinnahmung auch bei einem späteren Besuch bestehen wird.

    "Das gab es noch nie: einen Papst aus der Dritten Welt, der sein Heimatland besucht. Regierung und Opposition werden ihn auf ihre Seite ziehen wollen. Eine Herausforderung für die Regierung, für die Opposition und für Franziskus selbst. Ihm wird daran gelegen sein, zu signalisieren, dass er keinem politischen Lager verpflichtet ist, sondern nur den Armen. Aber die Armen haben auch politische und soziale Bindungen. Hoffentlich kann der Papst ihnen Antworten geben."