Dienstag, 19. März 2024

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Die beste wissenschaftliche Messung der Antike
Eratosthenes, ein Brunnen und der Umfang der Erde

Am 21. Juni ist Sommersonnenwende. Der griechische Philosoph und Mathematiker Eratosthenes wusste, dass an diesem Tag in Syene – dem heutigen Assuan – die Sonne mittags tief in einen Brunnenschacht hinein scheint. Die Sonne steht dort also senkrecht am Himmel.

Von Dirk Lorenzen | 15.06.2021
Die Erde, aufgenommen von Meteosat-9
Eratosthenes hat mit seinen Messungen im Nordosten Afrikas den Umfang der Erde bestimmt (Eumetsat)
Der Gelehrte war Leiter der Bibliothek von Alexandria und sehr an Geografie interessiert. Er plante eine Karte der gesamten Welt zu erstellen und wollte dafür wissen, wie groß die Erde ist – dabei half die Sonne. Mit Hilfe eines Schattenstabs hat Eratosthenes am Tag der Sonnenwende gemessen, wie groß in Alexandria der minimale Winkelabstand der Sonne vom Zenit ist. Er kam auf etwas mehr als sieben Grad, ein Fünfzigstel des vollen Kreisumfangs.
Er ließ die Entfernung zwischen Alexandria und Syene ausmessen – das geschah mit Hilfe von Schrittzählern, die besonders gleichmäßig laufen konnten – und hat so den Umfang der Erde berechnet. Dies alles geschah vermutlich im Jahr 240 vor Christus, also vor 2260 Jahren.
Eratosthenes berechnete den Erdumfang aus der Höhe des Sonnenstands am Tag der Sommersonnenwende
Eratosthenes berechnete den Erdumfang aus der Höhe des Sonnenstands am Tag der Sommersonnenwende (SDO/NASA)
Da nicht genau bekannt ist, wie lang die von Eratosthenes verwendete Einheit Stadion war, ist auch das Ergebnis etwas unklar. Im Idealfall kam er auf einen Erdumfang von gut 39.600 Kilometern – die Abweichung vom heutigen Wert läge damit bei nur einem Prozent! Vielleicht lag er aber auch um 16 Prozent zu hoch. So oder so: Die Größe der Erde hat Eratosthenes brillant abgeschätzt – und das nur mit einem Brunnen in Syene, einem Stab in Alexandria, Schrittzählern und etwas Geometrie.