Ständig erwache ich außerhalb der Menschheit die ausgestorben ist Nur leere Gebäude und sonderbare in die Erde einwachsende Gegenstände die immer mehr Erde werden Ich kann sie berühren kann alles Tatsächlich sind über mir nur die Sterne der gefräßige Anus der Sonne meine bedeutungslose Dämmerung einer Unsterblichen Ich habe dieses Ideal von Askese vor mir der Weg über Erde und Himmel mit dem verirrten Planeten oder auch das Liegen vor dem Spiegel bis auch er in die Erde einschmilzt in ihr zerfließt vernarbt
Fast alle Zutaten zur lyrischen Kantinenküche der Urszula Benka lassen sich aus diesem "Salzigen Geschmack" herauskosten. Bereits die ersten beiden Verse - "Ständig erwache ich außerhalb der Menschheit / die augestorben ist" - enthalten eine deutliche Auskunft zu der Perspektive, aus der das Ich dieser Texte die Welt besieht. Da die Menschheit alles andere als ausgestorben ist, kann es sich bei dem hier genannten "Erwachen" in der Menschenleere wohl nur um ein Aufwachen in der Welt des Traums handeln. Feuilletongsch, das krude Deutsch der Kulturbeflissenen, hält erprobte Floskeln für derlei Fälle von Realitätsverkehrung bereit. Merke: Die Gedichte der Urszula Benka folgen einer ganz eigenen, traumhaften Logik. Traum und Wachen sind in ihnen untrennbar verwoben, und nicht selten erscheint der Wahn des Traums als das wahre Leben.
So lax Urszula Benka die Gesetze des wirklichen Lebens handhabt, so genau nimmt sie es mit dem immergleichen Schema ihrer Gedichte und Prosastücke. Zu Beginn wird meist eine Konstellation zwischen dem Subjekt und einem typisierten Gegenüber umrissen - "Vater", "Mann" oder "Geliebte" sind solche Typen. Dann kommt ein bißchen "Seele" ins Spiel - oft genug wird sie beim Namen genannt -, und zum Schluß geht alles den Bach runter. Kaum ein Stück endet, ohne das etwas aufweicht, fault, zerrinnt, zerreißt oder eben, wie im vorliegenden Gedicht, einwächst, einschmilzt und zerfließt. Wie der Leser es sich aber vorzustellen hat, daß ein "Spiegel", der all diese Metamorphosen bis hin zur völligen Selbstauflösung durchlaufen hat, zum Schluß auch noch, wie es in "Salziger Geschmack" heißt, "vernarbt", das läßt die Dichterin leider offen. Hauptsache, die Reizwörter sind stark und effektvoll gesetzt, nicht wahr?
Daß die von Urszula Benka selbst zusammengestellten Texte in "Die Bestie und die Seele" sich sprachlich oft ungelenk ausnehmen, mag auch mit den Übertragungen von Bettina Eberspächer zusammenhängen. Genährt wird dieser Verdacht durch die sieben Gedichte des Bandes, die nicht von Eberspächer, sondern von Karl Dedecius ins Deutsche gebracht worden sind. Zwar herrscht auch in ihnen ein prosaischer Ton vor, aber man gewinnt doch eher den Eindruck, es mit einer lyrisch gespannten Sprache als mit kleingehackter Prosa zu tun zu haben. An der ermüdenden Gleichförmigkeit der Texte freilich vermag die Übersetzung, wie gut oder schlecht sie auch immer ausfällt, nichts zu ändern. Wohlmeinende werden im Schematismus das Brandzeichen der Obsession erkennen wollen, zumal Urszula Benka nicht mit drastischen Bildern von Gewalt und Verzweiflung geizt. Aber es ist doch eine seltsam marionettenhafte Obsession, die da auf Anpfiff herbeigewackelt kommt. Mehr als für jede andere literarische Gattung ist die sprachliche Form der Prüfstein des Gedichtes. Im Fall der Gedichte Urszula Benkas widerlegt die geläufige Form den vermeintlich exzeptionellen Inhalt. Es ist nun einmal so: Tiefe Gefühle lassen sich am Fließband ebensowenig empfinden wie in Kunst sublimieren. Das Eine, das fast alle Prosastücke und Gedichte in "Die Bestie und die Seele" eint, hört auf den schnöden Namen "Kunstgewerbe".