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Die Bettel-Industrie

Die Konkurrenz um Spendengelder ist hart. Umso wichtiger ist für Hilfsorganisationen oder Bildungseinrichtungen eine professionelle Mittelbeschaffung. Damit die Zuwendungen sprudeln, lassen sich Fundraiser strategisch schulen - und über die Tücken im Kampf um volle Kassen aufklären.

Von Anja Kempe | 23.02.2013
    Arne Kasten steht im dunklen Anzug vor den Seminarteilnehmern. Die meisten hier tragen Jeans und Pulli, wie es in der Szene der Hilfsorganisationen üblich ist. Rund 30 Fundraiser sind es, die ihrem Coach lauschen.

    Arne Kasten hat, bevor er in die Trainer-Branche wechselte, als Fundraiser bei "Ärzte ohne Grenzen" gearbeitet:

    "Ich habe Ärzte ohne Grenzen übernommen, da hatten sie ein Jahreseinkommen von 2,2 Millionen Euro. Als ich aufhörte, haben wir ein Volumen von 40 Millionen gehabt."

    Dass Arne Kasten als Fundraiser den Umsatz seiner Organisation verzwanzigfacht hat, gefällt den Spendensammlern. Und wie das geht, sollen sie hier lernen.

    "Was wir heute vorhaben, ist ein bisschen Input."

    Der Markt ist hart. Über 20.000 Hilfsorganisationen konkurrieren um die Gunst der Spender, und alle wollen volle Kassen haben. Insider schätzen das jährliche Spendenvolumen in Deutschland auf 4,5 Milliarden Euro - auch wenn in den Helferkreisen der Wohlfahrtsverbände viele gar nicht so gern an Geld denken möchten, wie eine Seminarteilnehmerin von Greenpeace erklärt:

    "Sehr typisch ist ja, dass in Deutschland nicht über Geld geredet wird. Auf der anderen Seite spielt Geld natürlich eine wichtige Rolle. Testament, viele sind empört, wie können Sie so was fragen!"

    Fundraising, die professionelle Kapital- oder Mittelbeschaffung, können Hilfsorganisationen am katholisch-sozialen Institut in Bad Honnef lernen. Gegründet wurde die Bildungsstätte 1947 von Joseph Kardinal Frings – auf Grundlage der katholischen Soziallehre. Der Träger des Instituts ist das Erzbistum Köln.

    Effektivität oberstes Gebot beim Spendensammeln
    Welthungerhilfe oder Tierschutzverein, und auch alle nur denkbaren kirchlichen Hilfsorganisationen lassen ihre Fundraiser hier ausbilden. Von der katholischen Caritas und dem Diakonischen Werk der evangelischen Kirche bis zur Heilsarmee und international tätigen Missionswerken sind alle dabei. Effektivität beim Eintreiben von Spendengeldern ist ihnen oberstes Gebot:

    "Fundraising ist ja eigentlich ne Sache, die aus der Bibel kommt. Würde ich jetzt sagen als Theologe. Wenn man ins Neue Testament hinein guckt, ist der Apostel Paulus eine Art Vorreiter. Von dem her sehe ich da keine Schwierigkeit."

    Fritz Rüdiger Volz ist Professor für Sozialphilosophie. Er hält an der Ausbildungsstätte für Fundraiser regelmäßig Vorträge zur Philosophie des Gebens. Etwa 3000 Fundraiser arbeiten zurzeit in Deutschland. Nach Einschätzung von Experten soll sich ihre Zahl in den nächsten zehn Jahren verdoppeln. Längst gibt es auch an den Unis den Studiengang Fundraising.

    "Wir haben fast alles probiert, getestet, geschaut, ob es funktioniert für Ärzte ohne Grenzen, was man als Fundraising-Methoden machen kann. Ich hab schnell festgestellt, dass Fundraising ohne Vernetzung nicht funktioniert, und hab angefangen, auch Gruppen zu gründen, die sich mit Management, mit Steuerung, mit Controlling usw. beschäftigen."

    Der moderne Spendensammler ist Manager, meint der Trainer. Man kann den Leuten nicht einfach die Sammelbüchse vor die Nase halten, da kommt zu wenig Geld herein. Das Ankurbeln des Spendenrads nach markt- und betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten sollen die Fundraiser üben:

    "Wir lernen Management-Handwerkszeuge, wie organisiere ich was, wie gehe ich konzeptionell an etwas heran."

    Fundraising braucht Strategie
    "Das Strategiepapier ... "

    Der Trainer erläutert die Notwendigkeit eines strategischen Konzeptes. Strategisches Fundraising heißt: Es muss herausgefunden werden, wo das meiste Geld zu erwarten ist:
    "Wenn ich strategisch arbeiten will, um dort zu investieren, wo der höchste Return kommt."

    "Das Spendenaufkommen geht zurück, und das heißt: Menschen sollen mit den aus der Betriebswirtschaft direkt übernommenen Methoden dazu gebracht werden, Geld rauszurücken."

    Fritz Rüdiger Volz, der Sozialphilosoph, macht in seinen Vorlesungen für Fundraiser auf die Ärgernisse aufmerksam, mit denen die potentiellen Spender oft konfrontiert sind:

    "Gerade bei Spendenaufforderungen ist ja auch immer ein Aufforderungsaspekt dabei und oft auch eine Sanktion, wenn du das nicht machst, halten wir dich für böse, und wenn du doch was machst, dann freuen wir uns, und der liebe Gott freut sich, oder irgendjemand freut sich. Ich finde die Vorstellung, man könne menschliches Verhalten steuern, schon ganz abwegig. Menschen sind keine Dukatenesel, bei dem ich nur die richtige Stelle finden muss, wo ich drücken muss, damit an der anderen Stelle Knete raus kommt."

    Menschen über 50 werden bevorzugt angesprochen. Denn, das zeigen die Statistiken, sie spenden am meisten.

    "Das ist ärgerlich. Je älter ich werde, umso weniger finde ich das lustig. Man wird in so ner Tatawuwu-Sprache angesprochen. Die Apothekenrundschau, die hat einen eigenen Sound, mit dem man Jugendlichen garantiert nicht kommen kann, und das Schlimme ist, dass man meint, Alterchen damit kommen zu können."

    "So. Ihr definiert die Marke. Um dann eine Handlungsanweisung der Strategie zu gewinnen ..."

    Der Trainer zieht die Krawatte gerade und schaut die Fundraiser an. Er ist noch nicht fertig mit seinem Vortrag über die Wichtigkeit von Strategien beim Geldeintreiben:

    "Ein Spender kann Euch nicht klarer sagen, dass er Euch mag."

    Gespendet wird mit Gefühl. In der Spendenhierarchie ganz oben stehen Gaben für Kinder und Behinderte. Das lächelnde Kind mit Down-Syndrom sei am erfolgreichsten. Gleich danach komme alles, was mit Tieren zu tun hat.

    Im Trainingslager für Spendensammler in Bad Honnef lassen sich viele Vertreter von Tierschutzorganisationen ausbilden:

    "Es geht darum, die Lebensbedingungen von Ottern wieder zu verbessern, und dafür setz' ich mich ein mit aller Kraft. Es gibt halt viele treue Spender, die die Otter halt gern unterstützen wollen. Oft sind das halt Leute, die naturbewegt sind oder die vielleicht Muttergefühle kriegen, wenn sie die Tiere sehen, die sehen ja einfach auch süß aus."

    "Tierschutzvereine kriegen in Deutschland immer noch mehr Spenden als die Bildung. Die Spenden für Bildung lagen 2010 bei vier Prozent des gesamten Spendenaufkommens in Deutschland, und 2011 sind sie sogar leider zurückgegangen und liegen nur noch bei drei Prozent. Im Vergleich zu dem Bildungsbereich liegen Tierschutzvereine mit 14 Prozent des Spendenaufkommens viel weiter vorne als die Bildung."

    Uni-Fundraising ist relativ neu
    Die Fundraiserin Angela Poth steht im imposanten Foyer des sogenannten Super-C der Technischen Hochschule in Aachen. Das Servicezentrum für Studenten bekam seinen Namen, weil es aussieht wie ein großes C. Das verglaste Gebäude mit Tagungs- und Seminarräumen wurde zum Teil durch Spendengelder finanziert:

    "Zum Beispiel ist einer der Konferenzsäle, die wir oben haben, von einem Förderer gespendet, also die ganze Ausstattung und auch die Kosten, die wir für diesen ganzen Saal hatten. Das ist das, was es für den Förderer greifbar macht, wo er eben auch den Freunden zeigen kann, das ist mein Saal in der Hochschule, den ich finanziert habe."

    Für den Deutschen Fundraising-Verband ist sie die Sprecherin für Universitäts-Fundraising. Nicht nur die Hilfsorganisationen für Mensch und Tier, auch Unis sammeln Spenden ein. Denn um in der Wissenschaft international Top zu sein, reichen die öffentlichen Gelder nicht.

    "Für das Fundraising eignen sich solche Dinge wie Gebäude und Infrastruktur, das kann zum Beispiel der Neubau eines Lern- und Arbeitszentrums für Studierende sein, das kann aber auch das Thema Stammzellforschung zum Beispiel sein, dass jemand dort einen Wissenschaftler unterstützen möchte."

    Fundraising für Universitäten ist in Deutschland ganz neu, erklärt Angela Poth. Keinen leichten Job hat sie, denn Bildung ist hierzulande ein sprödes Thema:

    "Weil es einfach so ein neues Thema ist. Die meisten Hochschulen haben in den letzten fünf Jahren mit Fundraising begonnen, aber es ist auch so, dass nur die Hälfte der Hochschulen das überhaupt betreibt."

    Es gibt Leute, die brauchen etwas mehr Unterstützung, bis sie auf die Idee kommen, geben zu müssen, es gibt andere, die machen das freier.

    Arne Kasten, der Coach im Seminar für Fundraiser, hebt den Zeigefinger. Der Spendensammler soll sich ganz genau überlegen, welche Menschen er in welcher Form anspricht. Auf welche Themen könnte welcher Spender anspringen, will er von den Fundraisern wissen:

    "Es hat keinen Sinn, jemand, der die absolute Vorliebe hat für Katzen, und dem das das Wichtigste auf der Welt ist, dem mit 'nem Projekt zur Wohnungslosenhilfe zu kommen."

    Renate Sangani hat viel Erfahrung mit Spendern. Seit über zehn Jahren arbeitet die 42-jährige als Fundraiserin für die Deutsche Tafel. Das Thema Hunger gehört nicht zu den größten Herausforderungen für einen Spendensammler. Geld für die Aidshilfe zu bekommen, bei sinkendem Bewusstsein für die Gefahren dieser Krankheit, sei viel schwerer:

    "Ich glaube, dass man grundsätzlich die Situation hat, dass es Bereiche gibt, die den Menschen sehr nahe sind, weil sie einfacher zu verstehen sind, und es Bereiche gibt, die etwas weiter weg sind, weil sie komplexer sind oder eben gerade nicht aktuell sind. Das heißt, ich kann verstehen, warum Kinder einen Spielplatz brauchen, weil ich weiß, ich hab früher selber gespielt, und man muss draußen spielen.
    Dann ist das sehr einfach, und das ist nahe an mir dran."

    "Ich muss Plan- und Messgrößen festlegen. Ganz wichtig, ihr braucht eine Swot-Analyse."

    Der Trainer erläutert die sogenannte SWOT-Analyse. Wie jeder andere Unternehmer soll auch der Fundraiser mit diesem Instrument der Betriebswirtschaft versuchen, seinen Umsatz zu erhöhen. Mit der SWOT-Analyse werden die Stärken und die Schwächen des Marktes, in diesem Fall des Spendermarktes, untersucht.

    Der Philosoph Fritz Rüdiger Volz hofft jedoch, dass die Kultur des Gebens bei den jungen Fundraisern auch noch eine Chance hat:

    "Die wollen überwiegend nützliche Hinweise. Und das will ich ihnen nicht geben. Das lernen sie hier genug. Damit stopfen sie ihre Hirne voll, und sie übernehmen eine Anthropologie, ein Menschenbild, das durch und durch von einem Geist beherrscht wird, der gerade dem Geist der Gabe fundamental entgegengesetzt ist, oder umgekehrt. Alle Gabe-Handlung hat auch immer einen hohen symbolischen Wert. Es geht in besonderer Weise um Zuwendung. Und diese Dimensionen gehen dann verloren, wenn ich das Ganze nach Marktschemata betrachte."

    Der Fundraiser-Trainer steht vor seiner Gruppe und wippt mit den Zehenspitzen:

    "Das Grundproblem besteht einfach darin, wer nicht schreit, der wird nicht gehört."

    Spezialsoftware und Bettelbriefe
    Klappern gehört zum Handwerk, und darum geben die großen Hilfsorganisationen sehr viel Geld für Werbung aus. Kenner der Fundraiser-Industrie berichten, dass es inzwischen spezielle Softwarefirmen gibt, die Programme anbieten, mit denen Daten gesammelt und nach Zielgruppen sortiert werden können, und dass für jeden neuen Spender etwa 1000 Menschen angesprochen oder angeschrieben werden.

    "Die Anforderung an Fundraiser sind sehr unterschiedlich, so ist zum Beispiel das Versenden von Spendenbriefen, allgemein bekannt als Bettelbriefe, man muss die ganzen Techniken kennen, wann schicke ich einen Brief, wem schicke ich einen Brief."

    Ein junger Mann im schwarzen Rolli hört seinem Trainer aufmerksam zu. Bettelbriefe zu schreiben, ist seine Aufgabe in der Hilfsorganisation, für die er arbeitet:

    "Mein Name ist Holger Steffe, ich arbeite für die Heilsarmee."

    Auch die Heilsarmee möchte mit modernen Werbemethoden arbeiten. Mit der Büchse herumgehen und singen, das reicht nicht mehr:

    "Grundsätzlich testet man. Man schickt zum Beispiel zwei Briefe raus und guckt, auf welchen Brief reagieren die Spender besser. Und da muss ich einfach seinen Nerv treffen, ansonsten hab ich ihn verloren.""

    Jedem Brief, der verschickt wird, liegt ein Werbeprospekt der Heilsarmee bei.

    "Wir versuchen, als Heilsarmee frischer aufzutreten. In der Beilage haben wir oft eine Geschichte, die beispielhaft aufgreift, was wir tun, und da muss ich sagen, ist es besser, wenn das Ganze freundlicher ist in der Kommunikation und nicht zu schwarzmalerisch ist."

    Der Fundraiser von der Heilsarmee lächelt gewinnend. So wie sein Lachen, genauso muss der Werbeprospekt sein:

    "Also, wenn wir das Herz treffen, dann kommen wir auch dort hin, dass der Spender den Wunsch hat, zu handeln, zu unterstützen und mitzuhelfen."

    "Viele Spenden sammelnde Organisationen, die können mit Emotionen arbeiten, die können das Herz der Förderer berühren, weil sie weinende Kinder darstellen, oder weil sie hungernde Kinder darstellen, weil sie Naturkatastrophen oder Verletzte darstellen können, das sind alles Dinge, die wir an Hochschulen natürlich nicht haben."

    Angela Poth, die Sprecherin für Hochschul-Fundraising, zuckt bedauernd mit den Schultern und nimmt einen Keks vom Kaffeebuffet. Sie steht im spendenfinanzierten Konferenzsaal der Technischen Universität Aachen. Studenten und Wissenschaftler aus der ganzen Welt haben sich hier heute zusammengefunden, um aktuelle Fachfragen zu erörtern.

    Dieser Ort sei ein erfolgreiches Beispiel für Bildungs-Fundraising, betont Angela Poth. Meist sei es schwer, den Spender zu überzeugen:

    "Das ist ein Prozess, der dann auch lange dauern kann. Und da darf man dann natürlich auch keine Angst vor dem Nein haben. Das ist auch ganz wichtig, weil nicht jede Person, jede Stiftung oder jedes Unternehmen, das man anspricht, direkt eine Spende zur Verfügung stellt. Und dann ist es wichtig, dass man sich von so nem Nein nicht runterkriegen lässt."

    Wohltäter, passiver Typ, Macher
    "Einer der Grundfehler, die wir als Fundraiser betreiben, ist, dass wir diejenigen Menschen, die nicht wollen, versuchen zu überzeugen."

    Arne Kasten, der Trainer, mahnt. Aus der großen Masse die lukrativen Spendergruppen präzise herauszufiltern, das ist die Kunst. Die Fundraiser wissen das:

    "Es gibt den Wohltäter-Typen zum Beispiel, der groß rauskommen will, der auch fette Spenden gibt. Und dann gibt's den eher passiven Typ, der dann aus schlechtem Gewissen spendet, wenn er einen Brief kriegt. Und es gibt den Machertyp, der was verändern will. Und das ist natürlich ein sehr interessanter Personentyp, der sich auch als Multiplikator eignet."

    Der Missionar Herbert Fischer sammelt Spenden für das Seelenheil der Afrikaner.

    "Ich arbeite für ein christliches Missionswerk, Christus für alle Nationen. Also wir führen große Gottesdienste durch in Afrika, mit mehreren hunderttausend Besuchern. Und das kostet natürlich. Also so eine Großveranstaltung liegt bei 700.000 Euro."

    Auch der Missionar lockt seine Geldgeber mit ergreifenden Bildern. Christus für alle Nationen versteht sich als überkonfessionell, und die Prediger des Missionswerks trumpfen vor allem mit Wunderheilungen auf. Internationale Postwurfsendungen mit Spendenaufrufen, die diese spektakulären Großveranstaltungen finanzieren sollen, haben schon Auflagen von über 90 Millionen erreicht.

    Da muss man seinen Spendern etwas bieten, erklärt Herbert Fischer:

    "Im Magazin da ist immer so ein Bild von so einer Veranstaltung. Das sind meistens Bilder von Leuten, wie sie auf die Bühne kommen und ihre Geschichte erzählen mit der Krücke in der Hand. Wo dann im Laufe der Veranstaltung dann auch Lahme geheilt wurden oder Blinde wieder sehen konnten, das sind ergreifende Bilder."

    "Okay, also, Gruppe eins, eine mittelgroße Organisation aus dem Umweltbereich ..."

    Der Trainer verteilt Texte. Anhand von Fallbeispielen soll das Thema Fundraising und Ethik besprochen werden. Ethik gehört in der Ausbildung zum Pflichtprogramm. Damit den Fundraiser später an der Spendenfront keine Skrupel quälen. Fallbeispiel eins. Eine mittelgroße Organisation aus dem Umweltbereich steht kurz vor der Insolvenz, als eine internationale Firma der Organisation 1 Million Euro anbietet. Diese Firma unterlässt es, zu erwähnen, dass sie gerade einen Skandal wegen Umweltverschmutzung hinter sich hat, und bietet an, eine anonyme Spende zu machen und diese über Lichtenstein oder die Schweiz zu kanalisieren.

    Die Fundraiser sollen vortragen, wie sie sich in einem solchen Fall verhalten würden:

    "Die Alternativen sind drei. Das erste ist, wir nehmen das Ganze an und gehen damit aber offensiv in die Öffentlichkeit, wir machen quasi einen Neustart, weil wir sowieso am Ende sind, und machen ein tolles Umweltprojekt mit dem Geld. Die zweite Alternative ist, wir nehmen es an und halten es geheim und hoffen, dass das nicht auftaucht, irgendwo. Und die dritte Alternative ist natürlich, wir lehnen es einfach ab."

    Das Spendengeld ist schmutzig, merkt eine Teilnehmerin an.

    "Warum wäre das schlimm? Ich meine, in der Kirche ist das im Sinne eines Ablasses durchaus üblich."

    Die Fundraiser im Training möchten das Argument nicht ohne Weiteres gelten lassen:

    "Ich formuliere das anders. Bei der Kirche kriege ich Zuwendungen von jedem Bereich der Wirtschaft. Und ich mache keine Unterscheidung. Und wenn das da legitim ist, warum soll das in anderen Bereichen nicht legitim sein."

    Eine amerikanische Erfindung
    "Fundraising, in Amerika wird anders gearbeitet, eine völlig andere Herangehensweise."

    Melanie Stöhr, Fundraiserin bei Greenpeace, bewundert die Mentalität der Amerikaner.

    "Da da das Selbstverständnis im Umgang mit Geld ein anderes ist, sind da die Berührungsängste deutlich geringer. Eine Firma sagt, ich möchte mich gerne gut darstellen, und die Organisation sagt, das ist in Ordnung, und dann gehen wir gemeinsam vor die Kamera."

    Fundraising wurde in den USA erfunden. Die Amerikaner nennen es das Prinzip zu bitten, wiederholt zu bitten und um mehr zu bitten. Diese Tradition geht bis in die Gründerjahre der Vereinigten Staaten zurück. Es gab und gibt bis heute keinen hoch entwickelten Sozialstaat oder den steuerfinanzierten Wohlfahrtsstaat wie in Europa, ein Großteil der sozialen Belange wird über private Stiftungen und Spendengelder finanziert.

    Von jedem erfolgreichen Unternehmer wird erwartet, dass er der Gesellschaft etwas zurückgibt. Bill Gates gab 25 Milliarden Dollar für wohltätige Zwecke. Das Spendenvolumen insgesamt ist in den USA im Verhältnis rund zehnmal höher als in Deutschland.

    "In der Regel wird Großspenden-Fundraising gemacht, das heißt, es geht oft um Beträge, die im sechsstelligen Bereich liegen oder im Millionenbereich bis hin zu 10 Millionen Euro."

    Die Universitäts-Fundraiserin hat die Zahlen auf dem Schreibtisch. Rund fünf Millionen Euro im Jahr werden für deutsche Hochschulen eingeworben. Das sei noch viel zu wenig, meint Angela Poth:

    "In der Regel ist das etwas, was nicht der Fundraiser selber macht in der Hochschule, weil, wir reden über größere Beträge, und über größere Beträge reden Vorstände natürlich mit dem Rektor oder Präsidenten einer Hochschule. Dieses Spendensammeln auf der Straße, da gibt man auch mal nen Euro. Aber das mache ich nicht, wenn es um hunderttausend Euro geht."