Mittwoch, 24. April 2024

Archiv


Die BRD - ein Bollwerk gegen den Sozialismus

In der Bundesrepublik der 50er und 60er Jahre geht ein Gespenst um, das Gespenst der kommunistischen Bedrohung. Doch zwischen Wahrnehmung und Realität klafft eine große Lücke: Die tatsächliche Einflussnahme der Kommunisten auf Politik und Gesellschaft ist eher gering. Dennoch fährt die Adenauer-Regierung schweres Geschütz auf. Berufsverbote, wie sie der sogenannte 'Erlass gegen Verfassungsfeinde’ vorsieht, gehören noch zu den harmloseren Mitteln.

Von Monika Köpcke | 19.09.2005
    "Meine Damen und Herren, ..."

    Bundeskanzler Konrad Adenauer auf einer Pressekonferenz am 19. September 1950.

    "Die Sowjetzonenregierung und die SED haben auf ihrem sogenannten Nationalkongress in Berlin in nackten und dürren Worten die Anhänger der KPD bei uns im Lande aufgefordert, Revolution zu machen."

    Die junge Bundesrepublik fühlt sich bedroht. Bedroht von den Kommunisten im eigenen Lande. Es herrscht Kalter Krieg, und nirgendwo sonst treffen die beiden konkurrierenden politischen Systeme so unmittelbar aufeinander wie an der deutsch-deutschen Grenze.

    "Wir hier in der Bundesrepublik Deutschland, die Bundesregierung und der Bundestag und, ich glaube, fast restlos die gesamte Bevölkerung sind fest entschlossen, von allen uns zu Gebote stehenden gesetzlichen Mitteln Gebrauch zu machen, um dieser Infiltration von Osten her entgegenzutreten. Sie werden gleich aus dem Munde des Herrn Innenminister einen Kabinettsbeschluss hören, den wir heute morgen gefasst haben und der zum Ziele hat, die Anhänger des Kommunismus aus den Stellen der Bundesregierung, seien sie als Arbeiter, als Angestellte, als Beamte tätig, rücksichtslos zu entfernen."

    "Die Gegner der Bundesrepublik verstärken ihre Bemühungen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu untergraben. Jede Teilnahme an solchen Bestrebungen ist unvereinbar mit den Pflichten des öffentlichen Dienstes. Zu den Organisationen, deren Unterstützung mit den Dienstpflichten unvereinbar sind, gehören folgende:
    1. Die Kommunistische Partei Deutschlands mit allen ihren Unterorganisationen.
    2. Die sozialdemokratische Aktion.
    3. Die Freie Deutsche Jugend (FDJ)
    4. Die Vereinigung der Sowjetfreunde
    5. Die Gesellschaft..."

    Die Formulierung dieses so genannten Erlasses gegen Verfassungsfeinde gibt sich neutral. Aber es ist klar, wer mit ihm getroffen werden soll. Von den dreizehn Organisationen, die Innenminister Gustav Heinemann aufzählt, sind elf dem kommunistischen Spektrum zugeordnet, lediglich zwei dem rechtsradikalen.

    "12. Die so genannte Schwarze Front (Otto-Strasser-Bewegung);
    13. Die Nationale Front (Dachorganisation)."

    Der "Erlass gegen Verfassungsfeinde" hat eher symbolische als praktische Bedeutung. Da Kommunisten sowieso wenig Chancen haben, im öffentlichen Dienst eingestellt zu werden, sind nur wenige Hundert Menschen von ihm betroffen. Vor allem Mitarbeiter bei der Bundespost und der Bundesbahn verlieren ihren Arbeitsplatz. Als Entlassungsgrund reicht die unterstellte Gesinnung. Die SPD-Opposition unter Erich Ollenhauer hält das für bedenklich:

    "Wir als Sozialdemokraten haben dazu zu sagen, dass wir es für rechtsstaatlich unerlässlich halten, dass nicht die Gesinnung, sondern nur die Tat, das Verhalten, im Einzelfall Gegenstand der Beurteilung einer solchen Entlassungsmaßnahme ist."

    Die CDU teilt diese Interpretation nicht. Die junge Bundesrepublik soll eine wehrhafte Demokratie sein, und der Antikommunismus als prägende ideologische Klammer entspricht Adenauers Kurs einer strikten Westbindung. Die USA haben großes Interesse daran, die Bundesrepublik zum Bollwerk gegen den Sozialismus zu machen.

    "Seien Sie auch davon überzeugt, dass wir wissen, welch starke Kräfte hinter uns stehen. Nicht nur moralische, auch materielle Kräfte stehen hinter uns, die uns helfen werden, in diesem Kampf für die Freiheit Sieger zu bleiben."

    Der ‚Erlass gegen Verfassungsfeinde’ ist erst der Auftakt. 1951 verabschiedet der Bundestag ein neues Strafrecht, das nicht nur fast alle politischen Betätigungen der Kommunisten unter Strafe stellt, sondern auch die breite Opposition gegen Adenauers Politik der Wiederaufrüstung kriminalisiert. Im gleichen Jahr bekommen ehemalige NS-Beamte das Recht, in ihre alten Behörden zurückzukehren. Fortan ziehen viele Richter und Staatsanwälte in die bundesrepublikanischen Gerichtssäle, die schon während des Nationalsozialismus Kommunisten abgeurteilt haben.

    Das Strafrecht wird zur Waffe im Kalten Krieg. 1956 wird die KPD verboten, und bis 1968 kommt es zu Tausenden sogenannter Kontaktschuldverfahren, bei denen schon die Teilnahme an Sportwettkämpfen oder das Organisieren von Jugendzeltlagern in der DDR für eine Verurteilung ausreichen. Die Furcht vor der kommunistischen Bedrohung bekommt fast paranoide Züge. Das ist umso erstaunlicher, als dass der tatsächliche Einfluss von Kommunisten auf Politik und Gesellschaft der Bundesrepublik eher gering ist. Erst 1969 entschärft die neue sozialliberale Koalition das politische Strafrecht. Zumindest vorläufig – mit dem sogenannten Radikalenerlass von 1972 führen SPD und FDP die Berufsverbote für den gesamten öffentlichen Dienst wieder ein.