Donnerstag, 18. April 2024

Archiv


"Die Bundesregierung hat sich durchgesetzt"

Nach Einschätzung des FDP-Haushaltsexperten Jürgen Koppelin haben Frankreich und Deutschland bei dem Treffen zwischen Kanzlerin Angela Merkel und dem französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy eine gemeinsame Spreche gefunden. Gleichzeitig findet er kritische Worte für die Haltung der Opposition - aber auch für seine eigene Partei.

Jürgen Koppelin im Gespräch mit Nadine Lindner | 17.08.2011
    Jürgen Koppelin, Obmann der FDP im Haushaltsausschuss des Bundestages
    Jürgen Koppelin, Obmann der FDP im Haushaltsausschuss des Bundestages (Deutscher Bundestag)
    Nadine Lindner: Hat der gestrige Abend den ersehnten Befreiungsschlag gebracht oder ist das Ergebnis nur alter Wein in neuen Schläuchen?

    Jürgen Koppelin: Weder von dem einen noch von dem anderen kann die Rede sein. Es war ja erst mal das Treffen der Bundeskanzlerin mit dem französischen Präsidenten, um die Marschlinie abzustimmen, wie man mit den anderen Eurostaaten spricht, und insofern war das für mich ein ganz, ganz großer Durchbruch: Deutschland und Frankreich sprechen nun eine Sprache. Und ich sage auch ganz offen, Deutschland hat sich eindeutig durchgesetzt, die Bundesregierung hat sich durchgesetzt, auch das, was der Bundeswirtschaftsminister Rösler immer gesagt hat, was ist machbar, was ich nicht machbar, das hat sich durchgesetzt, und ich bin mehr als zufrieden mit diesem Ergebnis.

    Lindner: Ein Teil dieser Ergebnisse ist ja auch der Wunsch nach einer verbindlichen Schuldenobergrenze, die soll in Zukunft in die Verfassungen der Eurostaaten eingeschrieben werden. Das wird allerdings eine ganze Weile dauern. Verfassungsänderungen gehen nicht über Nacht. Ist das also jetzt der richtige Weg, um die Märkte zu beruhigen?

    Koppelin: Das ist erst mal der richtige Weg. Es geht auch gar nicht um die Märkte, es geht doch erst mal darum, dass jetzt in Europa, also in den Eurostaaten, genau das gemacht wird, was wir in Deutschland gemacht haben schon seit einiger Zeit, auch in den Ländern, nämlich Schuldengrenzen einführen, die Neuverschuldung nicht nur abzubauen, sondern zu sagen, wir stoppen das, das geht nicht mehr. Das ist doch Verantwortung gegenüber kommenden Generationen, denn wahrscheinlich werden wir gar nicht mehr all diese Schulden bezahlen müssen, also meine Generation, sondern eher meine Kinder und Enkelkinder, wenn wir nicht jetzt Einhalt gebieten und sagen, Schluss mit den Schulden. Und das ist genau der richtige Weg.

    Lindner: Mit der Schuldenobergrenze, aber auch der Wirtschaftsregierung, über die wir gleich noch sprechen – das sind alles Zeichen, die auf einen zunehmenden Verlust der Haushaltsautonomie der Nationalstaaten hindeuten könnten. Finden Sie das gut?

    Koppelin: Das sehe ich überhaupt nicht, sondern es sind ja Konferenzen vereinbart worden, und auf diesen Konferenzen werden die jeweiligen Staaten Rechenschaft ablegen müssen über ihre Haushaltspolitik, und darüber wird dann zu sprechen sein, denn das ist natürlich richtig, das haben wir ja erlebt – ich nenne da das Beispiel Griechenland, Portugal –, dass wir uns als deutsches Parlament plötzlich mit ihren Schulden beschäftigen müssen. Also was soll jetzt anders werden, außer, dass die anderen deutlicher Rechenschaft ablegen müssen? Insofern war auch das der richtige Weg.

    Lindner: Zum Stichwort Euro-Bonds hat Angela Merkel in Paris noch einmal betont, dass sie die ablehnt, sie hat sie als nicht hilfreich bezeichnet. Sind Sie denn jetzt glücklich damit?

    Koppelin: Ja, sehr. Frau Merkel hat sich diplomatisch ausgedrückt. Ich kann nur sagen: Wir haben das abgelehnt, es hat gerade unser Parteivorsitzender Philipp Rösler immer wieder gesagt, das kommt mit der FDP nicht infrage. Es gab dann einige Stimmen in der Union, die das doch mitmachen wollten. Da kann man mal sehen – das sage ich natürlich jetzt als FDP-Politiker: Hier hat sich auch die FDP durchgesetzt in der Koalition. Ich bin froh darüber. Und die Kanzlerin, die ja auch unserer Auffassung war, auch der Bundesfinanzminister, das muss ich ja mal anerkennen, die haben sich jetzt in Frankreich durchgesetzt. Das Thema ist erst mal vom Tisch. Das wäre auch unmöglich gewesen, weil die anderen Staaten in der Eurozone die Möglichkeit gehabt hätten, wieder günstig an Kredite ranzukommen, und die Deutschen hätten dafür zahlen müssen.

    Lindner: Das Thema Euro-Bonds scheint erst mal vom Tisch. Kann Ihre Partei, die FDP, denn jetzt abrüsten verbal? Parteifreunde von Ihnen, wie zum Beispiel Daniel Volk, hatten ja schon offen mit dem Koalitionsbruch gedroht, sollte es zu diesen gemeinsamen Anleihen kommen.

    Koppelin: Ich halte von solchen Drohungen überhaupt nichts. Die waren auch völlig unnütz, auch aus meiner Partei, das muss man dann auch ganz offen sagen, denn die Kanzlerin, der Bundesfinanzminister haben zusammen mit Bundeswirtschaftsminister Rösler ein Konzept entwickelt gehabt, wo ganz klar war: Euro-Bonds findet nicht statt. Und dann braucht man nicht schon in die Zukunft gucken wollen und sagen, wenn, dann passiert das und das. Damit droht man nicht, sondern man macht vernünftig Politik und kämpft für ein gutes Ergebnis, und das ist jetzt genau eingetreten.

    Lindner: Sie haben sich zu Wort gemeldet und haben gesagt, man sollte mit solchen Dingen, also wie der Drohung nach einem Koalitionsbruch, nicht spielen, weil es zu dieser Koalition keine Alternative gibt. Wie sehr ist denn die FDP gerade in dieser Koalition politisch gefangen? Ihre Partei verharrt bei den Umfragen im Keller, Sie müssten sich vor Neuwahlen also fürchten. Also wie viel Bewegungsspielraum haben Sie denn überhaupt noch?

    Koppelin: Wir haben sehr viel Bewegungsspielraum und wir wollen ja auch einiges machen. Ich halte nichts davon, Politik zu machen nach dem Motto, wie werden meine Umfrageergebnisse auf diese Weise besser, sondern man muss seiner Überzeugung treu bleiben. Da hat es vielleicht ja manchmal auch dann bei der FDP ein bisschen Wackelei gegeben, aber nun mit Philipp Rösler ist ein klarer Kurs eingeschlagen, das ist dann nicht von heute auf morgen wieder zu ernten, das ist mir völlig klar, aber wenn die Bürger wieder merken, in der FDP ist Kontinuität da, ist Führung da – und das hat Rösler jetzt mehrfach gezeigt – ich glaube, dann gibt es auch wieder Zustimmung für die FDP stärker als bisher. Jedenfalls, und das will ich noch mal deutlich machen: Ich sehe keine Alternative zu dieser Koalition, und das sage ich nicht, weil ich ein Anhänger dieser Koalition bin. Wenn ich in diesen Tagen Frau Roth im Fernsehen sehe, die dann doch das kritisiert, was da jetzt beschlossen wurde mit Frankreich – ja, was wollte sie denn, noch mehr Neuverschuldung oder höhere Zinsen, die die Deutschen zu zahlen haben? Das ist doch keine Alternative! Oder Herr Gabriel, der zu jedem Problem sofort einen Vorschlag auf den Tisch legt, die aber teilweise überhaupt nicht zu verwirklichen sind – das ist alles keine Alternative.


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.