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"Die CDU ist stärkste Partei in Hessen"

Der saarländische Ministerpräsident Peter Müller (CDU) hat sich nach der Landtagswahl in Hessen für eine Große Koalition ausgesprochen. Nach dem Wahlergebnis sei klar, dass die CDU stärkster Partner sei und auch den Ministerpräsidenten stelle.

Moderation: Stefan Heinlein |
    Stefan Heinlein: Vor knapp einer Stunde habe ich mit dem Ministerpräsidenten des Saarlandes, Peter Müller, CDU gesprochen und ihn gefragt, was bei ihm überwiegt. Die Freude über den Sieg in Niedersachsen oder der Frust über die hohen Verluste in Hessen.

    Peter Müller: Der gestrige Wahlabend hat natürlich zwiespältige Gefühle hinterlassen. Ein großer Erfolg in Niedersachsen. Darüber freut man sich. Aber auch sehr schmerzliche Verluste in Hessen, das tut weh. Und sicherlich ist es notwendig, darüber nachzudenken, was denn diese sehr unterschiedlichen Ergebnisse herbeigeführt hat.

    Heinlein: Was ist denn Ihre Erklärung zum jetzigen Zeitpunkt für den brutalen Absturz von Roland Koch, zwölf Prozent?

    Müller: Ich glaube, dass sicher eine Rolle gespielt hat, dass dies nicht die erste, sondern die zweite Wiederwahl ist. Wir wissen ja, dass die, wenn ich das mal so sagen darf, Halbwertszeiten in der Politik sich verringern. Zum Zweiten ist sicherlich noch einmal zu überprüfen, ob nicht Fragen der Wirtschaftskompetenz im hessischen Wahlkampf stärker hätten in den Vordergrund gestellt werden sollen. Ich glaube, dass das Thema Kriminalität richtig ist, dass es auch richtig ist, darüber im Wahlkampf zu reden. Möglicherweise hätte aber die größte Sorge der Menschen, nämlich die Sorge um die Arbeitsplätze, eine größere Rolle spielen sollen.

    Heinlein: Hat Roland Koch also insgesamt, wenn ich Sie richtig verstehe, sein Kampagnenthema Jugendkriminalität am Ende mehr geschadet als genutzt?

    Müller: Das kann man zum jetzigen Zeitpunkt nicht sagen. Ich gehe davon auch nicht aus, dass das so ist. Aber vielleicht ist durch dieses Thema manches an Leistungsbilanz in Hessen überdeckt worden, was gerade auch im Interesse der Menschen von zentraler Bedeutung ist.

    Heinlein: Es waren ja nicht nur die Inhalte, die Schlagzeilen machten, sondern auch der Stil seines Wahlkampfes, sehr konfrontativ, kampagnenhaft. Hat Roland Koch sich mit diesem Stil verkalkuliert diesmal?

    Müller: Wahlkämpfe dienen dazu, Unterschiede deutlich zu machen. Und das geht nicht ohne Konfrontation. Auch da wird sicherlich noch einmal eine sorgfältige Analyse notwendig sein. Die Frage ist sicherlich auch ein Stück weit, ob nicht eher Oppositionsparteien die konfrontativen Funktionen übernehmen, und ob aus der Regierung heraus die Zuspitzung möglicherweise nachrangig sein sollte gegenüber der Darstellung der eigenen Leistung.

    Heinlein: Aber Christian Wulff in Niedersachsen hat sein Amt verteidigt, ohne einen konfrontativen Wahlkampf. Hat er besser gemacht als Roland Koch?

    Müller: Ich sage noch einmal. Es gibt einen großen Unterschied, ob es sich um die erste oder um die zweite Wiederwahl handelt. Ich glaube, das darf nicht übersehen werden. Zum Zweiten ist es so, Christian Wulff hat in Niedersachsen eine hervorragende Politik gemacht. Sicherlich hat dies dazu beigetragen, dass er diesen großen Erfolg erzielt hat. Er hat ihn auch verdient.

    Heinlein: Und Roland Koch hat keine hervorragende Politik gemacht?

    Müller: Doch, ich glaube, dass die Politik, die Roland Koch in Hessen gemacht hat, eine sehr, sehr gute Politik ist. Hessen ist nach vorne gekommen. Es ist allerdings nicht gelungen, dieses im Wahlkampf in der Art und Weise bei den Menschen zu verdeutlichen, wie ich auch selbst mir dieses gewünscht hätte.

    Heinlein: Ist Roland Koch damit politisch vorerst erledigt, auch als Wortführer des konservativen Flügels Ihrer Partei?

    Müller: Roland Koch zählt zu den besten Köpfen der Politik in der Bundesrepublik Deutschland, insbesondere in den Bereichen der Wirtschafts- und der Finanzpolitik, aber nicht nur dort. Er ist sicherlich jemand, der in der Politik dieses Landes weitergebraucht wird. Und die CDU wäre sicherlich schlecht beraten, auf solche Potenziale verzichten zu wollen.

    Heinlein: Wird Roland Koch mit seiner Wirtschaftskompetenz vielleicht sogar gefordert sein in Berlin, im Kabinett?

    Müller: Wir wollen jetzt mal abwarten, wie die Regierungsbildung sich darstellt. Die CDU ist stärkste Partei in Hessen. Ich glaube, dass es im Interesse des Landes Hessens wäre, wenn eine stabile Regierung mit einer klaren Mehrheit dieses Land führen würde. Das spräche im Ergebnis für eine Große Koalition. Und da die CDU der stärkere Partner in dieser Koalition ist, würde sie den Ministerpräsidenten stellen. Und deshalb stellt sich im Moment überhaupt nicht die Frage, ob es auch noch andere Aufgaben gibt, die für Roland Koch von Interesse sind.

    Heinlein: Könnten Sie sich auch eine Jamaika-Koalition in Wiesbaden vorstellen? Ein bisschen politische Fantasie braucht man ja, um sich eine Regierungsbildung in Wiesbaden vorzustellen, denn eine Große Koalition, die Sie nun ins Spiel bringen, wurde ja ausgeschlossen, sowohl von Roland Koch als auch von Andrea Ypsilanti.

    Müller: Die Frage, ob eine derartige Koalition möglich ist, ist ja immer eine Frage, die zwei Ebenen hat. Das eine ist die Notwendigkeit eines ausreichenden Maßes an inhaltlicher Übereinstimmung. Bereits dieses wäre zu überprüfen. Ich kann das von außen nicht beurteilen. Und das Zweite ist ein ausreichendes Maß auch an wechselseitigem persönlichen Vertrauen, das einfach in einer Koalition gegeben sein muss. Das sind Fragen, die müssten in Hessen beantwortet werden. Und da empfiehlt es sich nicht, von außen Ratschläge zu geben.

    Heinlein: Dennoch, glauben Sie, dass es Vertrauen geben kann zwischen Andrea Ypsilanti und Roland Koch nach diesem Wahlkampf?

    Müller: Ich glaube, dass es zunächst einmal sowohl für die Sozialdemokraten als auch für uns eine staatspolitische Verantwortung gibt, ein Land zu führen, gut zu führen, im Interesse der Bürger zu führen. Und das muss sicherlich ausschlaggebend sein. Vor der letzten Bundestagswahl hätte man sich sicherlich die Perspektive der Großen Koalition auch nicht ohne Weiteres vorstellen können.

    Heinlein: Herr Müller, blicken wir auf die bundespolitischen Konsequenzen dieser Wahlen. Waren Hessen und Niedersachsen auch ein Testlauf für die Themen und vor allem auch für den Kurs der kommenden Bundestagswahlen?

    Müller: Wir leben mittlerweile in einer Zeit, in der jede Wahl ihre eigenen Gesetze und ihre eigenen Abläufe hat. Natürlich werden wir uns die Ergebnisse und die Ursachen für die Ergebnisse anschauen und versuchen, Schlussfolgerungen daraus zu ziehen. Ich glaube aber nicht, dass das bedeutet, quasi mit dem gestrigen Wahltag, dass die Themen und der Stil des Bundestagswahlkampfes bereits festgelegt worden sind. Das ist noch einmal eine sehr eigenständige Geschichte. Im Übrigen, das ist in anderthalb Jahren. Politik ist mittlerweile auch sehr kurzfristig in ihren Auswirkungen, in ihren Themen geworden. Das liegt nicht an den Politikern, sondern das liegt an der Zeit, in der wir leben. Ich sehe nicht, dass der Bundestagswahlkampf durch den gestrigen Tag präjudiziert worden ist.

    Heinlein: Was werden Sie denn Ihren Parteifreunden raten, eher diesen konfrontativen Stil von Roland Koch oder die ruhigere Gangart von Christan Wulff? Diese scheint ja auch der Kanzlerin eher zu liegen.

    Müller: Ich glaube, dass eine Partei gut beraten ist, wenn sie Themen aus sich selbst heraus bestimmt, wenn sie ihre Forderungen aus sich selbst heraus darlegt und für diese eintritt und auf dieser Grundlage um Mehrheiten wirbt. Und genauso denke ich, sollten wir auch in der Zukunft verfahren.

    Um es auf den Punkt zu bringen. Ein Konsenswahlkampf ist besser als ein Krawallwahlkampf.

    Müller: Ich bin weder für Konsenswahlkampf noch für Krawallwahlkampf. Ich glaube auch nicht, dass die richtigen Termini sind mit Blick auf die Wahlkämpfe, die wir in Niedersachsen und in Hessen gesehen haben. Nein, ich bin dafür, dass Parteien in aller Klarheit ihr eigenes Profil darstellen und dafür bei den Bürgern werben.

    Heinlein: Im Deutschlandfunk war das der saarländische Ministerpräsident Peter Müller. Wir haben das Gespräch vor knapp einer Stunde aufgezeichnet.