Donnerstag, 28. März 2024

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Die Christdemokraten im Ländle

Baden-Württemberg galt 58 Jahre als sichere Bank der CDU. Seit der letzten Landtagswahl hat Grün-Rot nun das Zepter in der Hand. Bei der Bundestagswahl will die CDU alles wettmachen. Thomas Strobl, Wolfgang Schäubles Schwiegersohn und CDU-Landesvorsitzender, will zum fünften Mal in den Bundestag einziehen.

Von Barbara Roth | 18.09.2013
    Die CDU muss moderner werden, meint Baden-Württembergs CDU-Landeschef Thomas Strobl
    Die CDU muss moderner werden, meint Baden-Württembergs CDU-Landeschef Thomas Strobl (picture alliance / dpa / Uli Deck)
    "Grüß Gott. Hallo, Herr Strobl, freut mich. Herr Kollege. Meine Mannschaft. Ein Super-Team, alle in Angie-Orange gekleidet. Hallo…"

    Mädels und Jungs in leuchtend-orangfarbenen CDU-T-Shirts, ein Bundestagskollege, ein Bürgermeister, ein Ortsvorsteher - alles Parteifreunde - als Empfangskomitee. Besser könnte der Tag für Thomas Strobl nicht beginnen. Meßkirch, Oberschwaben, Mitte August. Der Vorsitzende der CDU Baden-Württemberg ist seit Wochen auf Wahlkampftour.

    "Herzlich willkommen. Ich freue mich, dass Du da bist. Danke für die Einladung. Ich bin ganz interessiert… Also laufen wir mal vor, komm… "

    Bis zum 22. September wird der 53-Jährige alle 38 baden-württembergischen Wahlkreise besucht haben. 37 sind zurzeit in CDU-Hand; die Bundestagsabgeordneten direkt gewählt wie Strobl in Heilbronn. Es geht in einen Wald bei Meßkirch, wo am Campus Galli, an der Nachbildung einer frühmittelalterlichen Klosteranlage, gebaut wird – künftig vielleicht eine Touristenattraktion. Am Straßenrand ragen drei große Holzkreuze in den Himmel. Man nennt die Gegend eine schwarze Region, denn die Menschen hier gelten als gläubig, bodenständig und konservativ.

    "Aha, Sie sind bei den Grabungsarbeiten …"

    "Ja, hier haben wir die Lehmgrube. Also schwer ist er nicht, aber leicht ist er auch nicht."

    "Deswegen haben die auch Sie für die Arbeit genommen. Ich glaube, wenn man da schwächlich ist, dann bleibt man nicht lange schwächlich …"

    Die Oppositionsbänke sind für die CDU noch ungewohnt
    Schwächeln darf auch Strobl nicht. Seit mit Winfried Kretschmann ein Grüner Baden-Württemberg regiert, steht der Rechtsanwalt an der Spitze der Landes-CDU. Kein einfaches Amt: Denn die Christdemokraten im Stuttgarter Landtag gewöhnen sich nur schwer an ihrer Rolle als Opposition zu Grün-Rot. Bei der Bundestagswahl muss der Schwabe nun liefern: Baden-Württemberg galt 58 Jahre lang als sichere Bank für die CDU. Ohne gutes Ergebnis hier, keine Bundeskanzlerin namens Angela Merkel.

    Thomas Strobl:
    "Das ist jetzt ein charmanter Versuch, doch eine Zahl mir zu entlocken. Ich will nur sagen, das soll ein deutlich besseres Ergebnis sein als das vor vier Jahren."

    2009 holte die CDU in Baden-Württemberg 34,4 Prozent der Zweitstimmen – etwas mehr als die CDU im Bund. Thomas Strobl ist auch Stellvertreter Merkels an der Parteispitze. Führt er seine Christdemokraten im Land aus dem Stimmungstief heraus, in das sie mit der Abwahl von Stefan Mappus stürzten, dürfte ihm ein Posten in einem Merkel-Kabinett sicher sein. Nur im Bundesfinanzministerium nicht, denn Strobl ist verheiratet mit einer Schäuble-Tochter.

    Thomas Strobl:
    "Das beschäftigt mich überhaupt nicht. Weil, wir wollen jetzt diese Bundestagswahl gewinnen. Darum geht es jetzt rund um die Uhr. Jetzt irgendwelche Spekulationen über Posten nach der Wahl anzustrengen, das wäre ja total kontraproduktiv."

    Zu Besuch beim baden-württembergischen Mittelstand
    Zwei Stunden später klopft sich Thomas Strobl den Lehm von den Schuhen. Ein Gespräch mit örtlichen Unternehmern steht an. Bei ihnen will er im feinen dunklen Anzug Eindruck hinterlassen. Dass die Mittelständler Garant für den Erfolg Baden-Württembergs und auch der CDU sind, hat ihm Alt-Ministerpräsident Lothar Späth eingebläut, bei dem er immer mal wieder um Rat nachsucht. Lothar Bix hat die Betriebskantine zur Verfügung gestellt. Seine Lackiererei - ein Familienunternehmen in der fünften Generation - beschäftigt über 200 Mitarbeiter, ein Automobilzulieferer.

    Lothar Bix:
    "Wir wissen, dass dieser Mittelstand genau derjenige ist, der Arbeitsplätze schafft, für natürlich für das Steueraufkommen sorgt. Die meisten sind ihnen, der Partei treu ergeben, wenngleich auch vom unternehmerischen Gedanken her doch die FDP manchmal den Unternehmern etwas mehr aus der Seele spricht. Das hätte ich gerne von der CDU."

    Strobl verschluckt sich fast am Käsebrötchen. Mit dieser Kritik hat er nicht gerechnet. Denn Unternehmer Bix ist Mitglied der CDU; 15 Jahre saß er im Gemeinderat seiner Stadt.

    Lothar Bix:
    "Die monatliche Stromrechnung in unserer Firma beträgt 78.000 Euro. Von diesen 78.000 Euro sind letztendlich nur 24.000 Euro dem eigentlichen Strompreis anzulasten. Die restlichen Bereiche gehen in EEG-Umlage, in Kraft-Wärme-Kopplung, in Stromsteuer und dann auch noch in Mehrwertsteuer, Ökosteuer und alles möglich, was drin ist; Sie wissen es. Diese Art und Weise der Energiepolitik belastet uns Unternehmen immer mehr. Wir bekommen nirgendwo einen Cent mehr dafür, weil wir in Verträgen sind, weil wir gebunden sind, aber die Belastungen werden für uns natürlich immer höher."

    Zustimmendes Nicken der anderen Unternehmer im Saal. Wer ist denn aus der Atomkraft ausgestiegen, wird später einer von ihnen sagen: Das war nach Fukushima Hals über Kopf die CDU, das waren nicht die Grünen. Dass die Kretschmann-Regierung Nahe Meßkirch fast 30 Windräder aufstellen will, dass Bundesumweltminister Altmaier weder Energiewende noch Strompreis im Griff hat, das nehmen einige hier der Merkel–Regierung übel.

    Lothar Bix:
    "Ich vermisse von unserer Kanzlerin Klartext. Ich vermisse so einen Bericht zur Lage der Nation von der Kanzlerin. Zu wissen, in welche Richtung möchte sie und wird sie unser Land weiter regieren. Warum tut sie das nicht nur im Wahlkampf nicht, warum tut sie das auch in normaler Zeit nicht?"

    In seiner Replik wird Strobl den Parteifreund für dessen deutliche Worte loben. Das hat sich der Landesvorsitzende in den vergangenen zwei Jahren zu Eigen gemacht. Offene Kritik an der Parteispitze zu äußern – das war in der baden-württembergischen CDU lange unmöglich. Mit Sätzen wie "Wir in der CDU müssen kritisch und konstruktiv auch miteinander ringen um den richtigen Weg" versucht er seine, teils frustrierte Basis wieder zu motivieren.

    Thomas Stobel:
    "Als ich hierher gefahren bin, habe ich ein Plakat der CDU gesehen. Da standen zwei Worte drauf: solide Finanzen. Das schreibt sich leicht auf ein so ein Plakat. Aber das ist ein Punkt, meine Damen und Herren, wo ich glaube, dass wir in der letzten Legislaturperiode ganz gut vorangekommen sind. Weil wir schaffen es jetzt, dass wir einen ausgeglichenen Bundeshaushalt einbringen. Das heißt, wir kommen im Bund mit dem Geld aus, das wir einnehmen. Und Du wirst wissen, wann das das letzte Mal der Fall war: 1969 – solange ist das her."

    Merkel-Raute wie die Chefin
    Strobl strebt seine fünfte Legislaturperiode an. Der Marathonläufer sitzt seit 1998 im Bundestag; dort dem mächtigen Vermittlungsausschuss zwischen Bundestag und Bundesrat vor, in Heilbronn bis heute im Gemeinderat.

    Thomas Strobl:
    "Die Steuereinnahmen sind so hoch wie noch nie und trotzdem macht die aktuelle grün-rote Landesregierung 3,5 Milliarden zusätzliche neue Schulden. Das ist der Wahnsinn, wo sind wir nach zwei Jahren gelandet? Von Bayern und Sachsen an der Spitze kommend, jetzt auf dem Niveau von Nordrhein-Westfalen. Wer so wenig mit Geld umgehen kann, denen können wir am 22. September nicht auch noch die Bundeskasse überlassen. Sondern die ist bei Wolfgang Schäuble und der Angela Merkel in besseren Händen, glaube ich. Applaus."

    Applaus – Angela Merkel zu erwähnen zieht immer. Die Steuern, versprechen CDU und CSU im Wahlprogramm, werden nicht erhöht. Der Schwabe redet am liebsten über Haushalt, Finanzen, Euro-Krise. Ob seine Themenauswahl irgendwas mit seinem Schwiegervater zu tun hat, will Strobl nicht verraten. Nur so viel: Im Hause Schäuble werde viel politisiert; ein sonntägliches Mittagessen ziehe sich gerne mal hin bis in den frühen Abend.

    Thomas Strobl:
    "Die sind ja im Umverteilungswahn. Die Einkommenssteuer wollen sie nach oben nehmen, also die Ersparnisse wollen sie stärker besteuern. Und dann wollen sie etwas Neues einführen, die Vermögenssteuer. Bei den Grünen heißt sie Vermögensabgabe. Und die Erbschaftssteuer wollen die Grünen verdoppeln. Es ist auch eine regionale Umverteilung. Weil zahlen tuen es die Familienbetreibe und die Mittelständler und die gibt es vor allem im deutschen Süden, in Baden-Württemberg. Und das ist eine gigantische Umverteilung auch vom Süden, vom Südwesten nach Norden und nach Osten und schon deswegen wollen wir das als Baden-Württemberger überhaupt nicht und wehren sich heftig dagegen."

    Thomas Strobl ist wahrlich kein begnadeter Redner. Er gestikuliert mit den Händen, wippt auf den Zehenspitzen und hat die Merkel-Raute für sich entdeckt. Er legt Daumen und Zeigefinger aufeinander - wie seine Chefin. Strobls Gastgeber, Unternehmer Bix, hat die Kanzlerin zuvor kritisiert: Klartext solle sie endlich reden. Strobl verteidigt Merkel. In seinen Ohren klingen die Worte der Kanzlerin klar. Stichwort Euro:

    Thomas Strobl:
    "Die Südeuropäer sind sich einig, - die Italiener, die Spanier, die Griechen - die wollen alle die Vergemeinschaftung der Schulden. Die hätten null Veranlassung, irgendetwas zu ändern, sie würden leicht an Geld rankommen zu niedrigen Zinsen. Und dann würden sie die Reformen, die sie jetzt schmerzhaft durchführen müssen, weil wir auch den Druck machen, nicht mehr machen. Und so viel zum Thema Klartext: Da gibt es einen Fels in der Brandung: Das sind Angela Merkel und Wolfgang Schäuble. Wenn die weg sind, dann ist die Nummer gelaufen, dann hält es in Europa niemand mehr auf. Und da, das möchte ich Ihnen schon sagen, Herr Bix, glaube ich, dass die Kanzlerin schon Klartext redet. Manchem in Europa ist das zu viel Klartext."

    Am Tag darauf macht sich Angela Merkel selbst ein Bild von der Stimmung im Ländle. Kundgebung in Schwäbisch Gmünd. Schon Stunden vor ihrer Ankunft heizt auf dem Marktplatz eine Band ein. Für Kinder ist eine Kletterwand aufgebaut. Als Sonnenschutz werden orange Hüte verteilt - und orange farbiges Wassereis. Es schmeckt nach Pfirsich.

    Straßenumfrage:
    "Weil ich die Angela persönlich erleben will."

    "Ich fühle mich schon sehr gut beheimatet bei ihr.

    "Ich finde sie in Ordnung, wenn auch viele über sie schimpfen."

    "Die hat ja eine Power als Frau. Sie ist ja auch keine 40 mehr, oder."

    Ganz Parteisoldat der CDU
    Thomas Strobl steht links neben Merkel auf der Bühne. Beide haben sich – bevor es in die heiße Wahlkampfphase ging – ein paar Urlaubstage in den Bergen gegönnt. Doch in ihrer hellgrünen Jacke wirkt die Kanzlerin sehr blass neben ihrem braun gebrannten Stellvertreter.

    Angela Merkel:
    "Ich glaube, ich kann sagen, dass es heute vielen Menschen besser geht als 2009. Das möchte ich fortsetzen. Sie werden gefragt. Und ihre Entscheidung ist ein Teil davon, wie es mit Deutschland weitergeht."

    Exakt 40 Minuten lang wird die Kanzlerin reden. Ihre Botschaft an die Wähler ist denkbar einfach – sie lautet Merkel. Wahlkampf, Programm und Performance sind auf die Parteivorsitzende zugeschnitten. Thomas Strobl applaudiert, lächelt tapfer. Eigentlich sollte er vor ihr sprechen.

    Thomas Strobl:
    "Ganz offen gesprochen, das war ein kleiner Regiefehler. Ich wollt da aber nicht alles durcheinanderbringen. Ich habe ja genug Gelegenheit zu reden. Und die Kanzlerin kommt ja auch noch das eine oder andere Mal."


    Am vergangenen Samstag zu ihm nach Heilbronn. Strobl hat zu einem Landesparteitag eingeladen. Bei der Gelegenheit lässt er sich im Amt des Landesvorsitzenden bestätigen. Ein geschickter Schachzug. Wahlkampf in eigener Sache - mit Merkel-Bonus.

    Thomas Strobl:
    "Na ja, da die Angela Merkel schon ein guter Grund ist die CDU zu wählen, profitiere ich auch davon."

    Angela Merkel:
    "Wenn Sie von uns wissen wollen, wann Sie Fleisch essen sollen und wann nicht, dann sind wir nicht die richtige Partei, die Ihnen das vorschreibt.

    Kuschelwahlkampf, Wohlfühlwahlkampf. Eine Kanzlerin, die die Wähler in Watte packt; die beruhigt statt zu diskutieren; die bilanziert anstatt Visionen für die Zukunft zu entwerfen. Thomas Strobl weiß um die Kritik an seiner Chefin.

    Thomas Strobl:
    ""Nein, das kann ich wirklich nicht bestätigen. Die Bundeskanzlerin ist ja jeden Tag im Einsatz und kämpft jeden Tag. Es tut mir leid, ich kann den Kuschelwahlkampf nicht erkennen."

    Strobl ganz Parteisoldat. Doch unter uns, wenn er über sie spricht, nennt er Merkel manchmal nicht auch Mutti.

    Thomas Strobl:
    "Das will ich nicht ausschließen, dass mir das auch mal über die Lippen gekommen ist, hat ja durchaus auch was mit kümmern zu tun. Und es gibt schlimmere Spitznamen für Politikerinnen als Mutti. Aber ganz sicher gebrauche ich es nicht bei jeder Gelegenheit.


    Redeausschnit Thomas Strobl:
    ""Da wo die Frauen etwa in der CDU anders denken als die Männer, denken die Frauen so, wie die Mehrheit in der Bevölkerung denkt…."

    Karlsruhe, Mitte Juni, Vorwahlkampfphase. Damals ist Thomas Strobl noch schlanker, hat noch Zeit für Sport. Er schmeichelt den Damen im Saal. Es tagt die Frauenunion Nordbaden. Ihr Thema "Frauen im Fokus". Dass nur 22 Prozent der rund 70.000 CDU-Mitglieder im Land weiblich sind, ist ihm fast peinlich. Sein Team an der Parteispitze soll weiblicher werden, denn Man(n) will mit Frau neue Wähler anlocken.

    Redeausschnitt Thomas Stobl:
    "Das heißt, die Frauen in der CDU sind offensichtlich etwas näher dran an dem, was sich in der Gesellschaft an Trends entwickelt, wie Meinungen in der Gesellschaft sind als die Männer. Mit anderen Worten: Wer wissen will, wie die Baden-Württemberger ticken, der muss die Frauen in der CDU fragen.
    Applaus blenden. "

    Als es ein paar Wochen später Gelegenheit gibt, erstmals eine Frau an die Spitze der CDU Nordbaden zu wählen - siegt ein Mann. Doch die Frauen in der Partei machen Druck. Sie wollen sich nicht mit mehr vertrösten lassen. Nach Elterngeld und Ausbau von Betreuungsangeboten fordern sie mehr Rente für Mütter, deren Kinder vor 1992 geboren wurden.

    Stimmen aus der Frauenunion:
    "Ich denke schon, dass es für die Frauen ein ganz wichtiges Thema ist, diese Anerkennung der Lebensleistung. Wer zwei, drei Kinder aufgezogen hat, der muss es auch honoriert bekommen."

    "Ich hatte auch zwei Kinder vor1992 und ich konnte nicht arbeiten gehen, ich hatte ja niemand. Ich denke, das wird die CDU dann auch genau in den Kreisen voranbringen wie in meinen Alter 55 plus."

    "Wir können ja nichts dafür, dass unsere Kinder früher geboren wurden. Wir hatten ja noch diese Kita-Öffnungszeiten von acht bis zwölf und von 14 bis 16 Uhr und da muss die Gleichstellung einfach sein."

    Die sogenannte Mütterrente – CDU und CSU versprechen sie in ihrem Wahlprogramm. Kostenpunkt: 6,5 Milliarden Euro im ersten Jahr. Strobl sagt, das könne man locker mit Überschüssen aus der Rentenkasse decken. Bei der Frauenunion kann er punkten.

    Umfrage bei der Frauenunion:
    "Er wird besser, ja. Er hört den Frauen zu."

    "Er war vor Jahren, meines Erachtens, noch konservativer. Jetzt ist er bedeutend offener. Er macht es gut. Und er hat erkannt die Zeichen der Zeit, dass Frauen viel mehr eingebunden werden."

    Keine altbackenen CDU-Positionen
    Auch den Konservativen in der Landes-CDU sind die Themen Rente und Familie sehr wichtig. Was der Landesparteichef jedoch über die steuerliche Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Paare denkt, wäre unter seinen Vorgängern Teufel und Mappus undenkbar gewesen.

    Thomas Strobl:
    "Die Frage ist doch die, wie definieren wir eigentlich Ehe und Familie im 21 Jahrhundert. Das kann nicht mehr das Bild, mit Verlaub, von 1960 sein. Es hat sich in den vergangenen fünf Jahrzehnten schon auch etwas geändert. Und das müssen wir aufnehmen - nach dem Motto, wo gleiche Pflichten sind, muss es auch gleiche Rechte geben. Und da spielt es für mich keine Rolle, ob das zwei Frauen, zwei Männer oder eine Frau und ein Mann sind."

    Im eigenen Landesverband ist Strobls Meinung nicht mehrheitsfähig. Doch politisch will sich der 53-Jährige in keine Schublade stecken lassen. Wenn es um innere Sicherheit, um Kriminalitätsbekämpfung geht, plädiert er für einen starken Staat. In umwelt- und gesellschaftspolitischen Fragen trägt er den Modernisierungskurs der Bundesvorsitzenden mit. Wie Merkel will Strobl sich von – Zitat – altbackenen CDU-Positionen verabschieden.

    Thomas Strobl:
    "Dem Konservativen gefällt es, wenn Menschen füreinander Verantwortung übernehmen, wenn Menschen sich dauerhaft binden, wenn Menschen sagen, wir wollen in Verantwortung füreinander unser Leben gestalten. Und deswegen ist meine Auffassung, man kann nicht für die steuerliche Gleichsetzung von Partnerschaften sein, obwohl man ein Konservativer ist, sondern in Wahrheit, weil man ein Konservativer ist."

    Das Verhältnis zu Schwiegervater Wolfgang Schäuble
    Selbst seinen Schwiegervater hat er überzeugt. Als sich sogar Wolfgang Schäuble noch vor dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts für die steuerliche Gleichstellung starkmacht, sind auch Journalisten überrascht. Dabei lästern die Berliner Kollegen oft, Strobl werde dem Vater seiner Frau im Duktus immer ähnlicher. Er zögert. Fragen nach der Familie sind eigentlich tabu.

    Thomas Strobl:
    "Zuweilen wird es schon so sein, dass er über das, was ich sage, nachdenkt. Das ringt mir im Übrigen Respekt ab, wenn Menschen Haltungen, die sie über Jahrzehnte vertreten haben, kritisch hinterfragen und überprüfen. "

    "Grüß Gott und Guten Abend, so viel Zeit muss sein…"

    Endspurt im September. Der CSU-Sieg in Bayern gibt Rückenwind. Horst Seehofer hatte Strobl nach dem CDU-Debakel bei der Baden-Württemberg-Wahl als Loser verhöhnt. Bei einer Pkw-Maut für ausländische Autofahrer unterstützt er den CSU-Chef gegen Angela Merkel trotzdem. In vier Tagen schließen die Wahllokale. Ein Herzschlagfinale. Es sieht nach einem Patt aus - zwischen dem bürgerlichen und dem politisch linken Lager. In Stuttgart sitzt Thomas Strobl auf einem Podium. Neben ihm Cem Özdemir, der Bundesvorsitzende der Grünen.

    Moderator:
    "Herr Strobl, machen Sie dem Herrn Özdemir doch mal ein Koalitionsangebot."

    Gelächter, denn im Wahlkreis Stuttgart I drohen die Grünen der CDU das Direktmandat abzujagen. Özdemir kandidiert in der Landeshauptstadt, wo seit Anfang des Jahres ein Grüner Oberbürgermeister ist und ein grüner Ministerpräsident residiert. Strobl sucht nach Worten…

    Strobl:
    "… mit dem Özdemir könnte ich ja noch was hinkriegen. Publikum lacht. Aber … "

    Moderator:
    "Herr Strobl, wir sind hier unter uns, es hört keiner zu."

    Strobl:
    "Das Thema ist ja das, dass der Trittin jeden Tag erklärt, dass er mit der CDU nichts zu tun haben möchte … "

    Es folgen die bekannten Wahlkampfphrasen… Dass Trittin die Grünen links von der SPD positioniert hätte, was eher für Rot-Rot-Grün denn für Schwarz-Grün spreche. Der Frage nach einer Koalition mit den Grünen – übrigens auch mit der SPD – will sich Thomas Strobl nicht stellen. Er muss auch an 2016 denken, wenn er seine CDU in den Landtagswahlkampf gegen Grün-Rot führt. Stand heute nicht als Spitzenkandidat, denn Wahlkämpfe sind kräftezehrend.

    Thomas Strobl:
    "Da es ja sehr, sehr anstrengend ist und man immer viel zu wenig schläft, ist es auch ganz gut, wenn es vorbei ist. Und da ich bis spät in die Nacht hinein am Reden bin, ist es mir auch ein bisschen auf die Stimmbänder geschlagen. "

    Am Wahlabend muss Strobl bei Stimme sein. Er soll in der Berliner Parteizentrale die ersten Statements abgeben nach der 18.00 Uhr-Prognose. Er wird von Mikrophon zu Mikrophon tingeln – bis seine Chefin Angela Merkel übernimmt. Ob er dem Wahlausgang nervös entgegenfiebert?

    Thomas Strobl:
    "Ich weiß nicht, ob nervös das richtige Wort ist. So ein bisschen kribbelig, wenn Sie verstehen, was ich meine. Nee, Angst wäre nicht das richtige Wort. Sondern so ein gespannt sein. Es ist fast so wie Weihnachten."