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Die demografische Herausforderung

Unbestritten ist, dass es in Zukunft weniger junge und viel mehr alte Menschen in Deutschland geben wird und dass man sich auf eine völlig andere Bevölkerungsstruktur einstellen muss. Doch alle anderen Einschätzungen zu einer möglichen demografischen Katastrophe beruhen auf Spekulationen und Interpretationen.

Von Nicole Ruchlak | 03.01.2007
    Deutschland im Jahr 2050 – Visionen:

    Richard von Weizsäcker: "Wir haben mit ernsten Entwicklungen fertig zu werden, die von langer Hand Probleme mit sich gebracht haben. Es ist schwer, damit fertig zu werden, denken wir in erster Linie an die so genannte demografische Entwicklung."

    Die Straßen sind leer, die Städte ähneln großen Altersheimen.

    Angela Merkel: "Wir glauben, dass der Ausgleich von Paaren mit Kindern und ohne Kindern in unserer Gesellschaft eine zunehmende Rolle spielt. Der Satz von Konrad Adenauer, Kinder kriegen die Leute von alleine, gilt so heute nicht mehr."

    Kinder sind eine Seltenheit, ein Luxusartikel, der gehegt und gepflegt wird. Die Gesellschaft spaltet sich auf in Kinderlose und Kinderhabende, zwischen den Generationen findet ein erbitterter Verteilungskampf statt.

    Horst Seehofer: "Die Situation in der gesetzlichen Alterssicherung ist ausgesprochen kritisch. Während weiter die Zeit voranschreitet, desto näher kommt der Punkt, wo die demografische Katastrophe unvermeidlich wird."

    Deutschland 2050: ein Land der Alten, grau, düster und arm. Nur ab und zu ertönt ein Kinderlachen, ansonsten herrscht Stille.

    Die düsteren Prognosen versprechen nichts Gutes. Seit Anfang des 20. Jahrhunderts ist die Lebenserwartung eines Neugeborenen um gut drei Monate pro Jahr gestiegen, und es sterben mehr Menschen als geboren werden. Die Bevölkerung nimmt stetig ab. Wenn das so weitergeht, dann erwartet die Bundesrepublik eine demografische Katastrophe, ein gesellschaftlicher Niedergang und ein finanzpolitisches Desaster.
    Wenn das so weitergeht. Sicher ist das nicht, wenngleich vieles darauf hinzudeuten scheint. Stichwort Rente etwa: Immer mehr Menschen beziehen immer länger Geld aus der Rentenkasse, ohne dass ebenso viele junge Menschen darin einzahlen, eine demografische Entwicklung, deren Problematik offensichtlich ist. Arbeitsminister Franz Müntefering:

    "Wir leben länger, arbeiten aber nicht insgesamt länger, sondern eher kürzer. Und da muss man kein Mathematiker sein, sondern da reicht die Volksschule im Sauerland, um zu wissen, das kann nicht hinhauen."

    Deswegen hat das Kabinett vor kurzem beschlossen, das Renteneintrittsalter schrittweise von 65 auf 67 Jahre zu erhöhen. Damit soll zumindest ein Problem der demografischen Entwicklung gelöst werden.

    Das Konzept ist jedoch umstritten. Gegenwärtig liegt das offizielle Renteneintrittsalter bei 65 Jahren. Tatsächlich aber gehen zahlreiche Arbeitnehmer früher in Rente. Selbst wenn sie wollten, können oder dürfen viele nicht arbeiten. Denn zahlreiche Unternehmen gehen davon aus: Je jünger die Arbeitskräfte, desto effizienter sind sie. Und das scheint eine unumstößliche Tatsache, die sich auch in Zukunft nicht ändern wird.

    Aber dies stimmt nicht unbedingt. Meinhard Miegel, Vorstand des Bonner Instituts für Wirtschaft und Gesellschaft und Mitglied der Expertenkommission "Demographischer Wandel in Sachsen":

    "Das Lebensalter verändert sich in seiner Gewichtung. Der heute 70-Jährige ist noch kein Greis, was er vor 100 Jahren ohne jeden Zweifel war. Und wir haben heute sehr gute Untersuchungen auf dem Tisch, die sagen, dass um das Jahr 2050 dieser Alterungspunkt, den man vor 100 Jahren mit 65 Jahren beziffert hat, bei 73 liegen wird. Das bedeutet nicht, dass ich jetzt plädiere, lasst die Menschen bis 73 arbeiten. Aber es muss bewusst gemacht werden, sie könnten, wenn es denn erforderlich wäre."

    Die Rente mit 73, nicht nur mit 67 - dies könnte, so Meinhard Miegel, ein Schritt sein, um der demografischen Entwicklung in den nächsten Jahrzehnten zu begegnen. Wohlgemerkt: die demografische Entwicklung, nicht unbedingt die demografische Katastrophe. Denn genauso wie die Frage offen ist, ob die Rente mit 67 das Rentensystem retten kann, ebenso offen ist auch die Diskussion, ob Deutschland überhaupt auf eine demografische Katastrophe zusteuert. Die Experten sind sich weit weniger einig, als es den Anschein hat. Das betrifft sowohl die Prognosen als auch deren Bewertung.

    Demographische Prognose, Kapitel eins: die Zahlen: In regelmäßigen Abständen berechnet das Statistische Bundesamt die Bevölkerungsentwicklung in Deutschland - für das Jahr 2050 ergibt sich folgendes Bild: Das zahlenmäßige Verhältnis zwischen älteren und jüngeren Menschen wird sich erheblich verschieben. Ein Drittel der Bevölkerung wird 60 Jahre oder älter sein. Anders gesagt: Die Gruppe der mindestens 60-Jährigen wird mehr als doppelt so groß sein wie jetzt. Die Bevölkerungszahl wird um etwa zehn Prozent sinken, auf gut 75 Millionen.

    Fragt sich nur, wie verlässlich diese Zahlen sind? Meinhard Miegel:
    "Die sind hochgradig verlässlich. Wir wissen heute ganz genau, wieviel Menschen in 40 Jahren 40 Jahre alt sein werden, oder 50 oder 60 oder 70 - die sind ja alle da. Etwas unsicherer ist die Entwicklung der Geburtenrate, da kann es Veränderungen geben. Aber man kann mit großer Zuverlässigkeit sagen: Die Kinderwünsche der heute, sagen wir, 18- bis 38-Jährigen, die sind wiederum bekannt und die werden ziemlich genau eingehalten, so dass es wiederum für einen Zeitraum von 10 bis 15 Jahren kaum Überraschungen geben dürfte."

    Gerd Bosbach, Professor für Statistik und Empirische Sozialforschung an der Fachhochschule Remagen, widerspricht:

    "Es gibt keine verlässlichen Prognosen. Die Zukunft ist ungewiss."

    Warum? Miegels Aussage scheint überzeugend: Frauen, die nicht geboren sind, können doch auch keine Kinder bekommen.

    Miegel: "Das scheint erst mal so plausibel, weil die Bevölkerung eine relativ träge Masse ist. Das stimmt, aber trotzdem haben alle Bevölkerungsprognosen der letzten Zeit massive Fehler gehabt."

    Zum Beispiel?

    "Sie haben die Geburtenrate falsch eingeschätzt, die Wanderungen falsch eingeschätzt, die Lebenserwartung falsch eingeschätzt. Das sind Sachen, die wir nicht wissen und die wir trotz bester Technik nicht voraussagen können. Gerade wenn ich den Punkt Lebenserwartung nehme: Gegenwärtig steigt die Lebenserwartung noch, woraus viele Leute schließen, dass sie in aller Zukunft in Ewigkeit weiter steigen wird. Als Forscher, der schon viel Trendforschung betrieben hat, weiß ich, ein Trend hat immer auch mal ein Ende. Und aus diesem Grund macht das Bundesamt ja auch alle drei bis vier Jahre eine neue Prognose, weil die alte nicht mehr gültig ist."

    Und eigentlich macht das Statistische Bundesamt auch nicht eine Prognose, sondern neun verschiedene. Die neun Varianten hängen von den jeweiligen Annahmen über Geburtenhäufigkeit, Lebenserwartung und Wanderungssaldo ab - alles Annahmen, die geschätzt und keinesfalls sicher sind. Genau deswegen nennt das Statistische Bundesamt diese Berechnungen übrigens nicht Prognosen, sondern lediglich "Rechnungen mit Modellcharakter".

    Und diese Rechnungen kommen zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen: So gibt es etwa bei der Bevölkerungserwartung eine Spannbreite von 67 bis 81 Millionen Einwohnern: eine Differenz also von 14 Millionen.

    Aber warum gibt es dann überhaupt Prognosen? Ist die Zukunft völlig ungewiss?

    "Eine Sache, die man auf jeden Fall vorausdenken kann, das ist klar: wir werden älter, wir kriegen weniger Kinder - das ist aber keine Überraschung. Seit 1870 ist es amtlich nachgewiesen, dass wir älter werden und weniger Kinder bekommen. Dafür brauche ich keine Langfristprognose."

    Das heißt, in der ganzen Diskussion gibt es bisher einen Konsens: Die Lebenserwartung steigt, die Geburtenrate sinkt. Zumindest in nächster Zeit. Das also ist Fakt - und keine Interpretation. Um es gleich zu sagen: Dies ist die einzig unbestrittene Tatsache. Alles andere ist Interpretation, und damit beginnt die Debatte um die Zukunft Deutschlands.

    Kapitel zwei. Die demografische Prognose und ihre Bewertung: In einer Pressemitteilung über die demografische Entwicklung gab das Statistische Bundesamt bekannt:

    "Die Alterung der deutschen Gesellschaft wird nicht erst in 50 Jahren zu Problemen führen, sondern bereits in den nächsten beiden Jahrzehnten eine Herausforderung darstellen."

    Die Herausforderung, von der das Statistische Bundesamt spricht, ist bekannt: Wenn es immer mehr Rentner im Vergleich zu den Erwerbsfähigen gibt, und dies ist sicher, dann kommen auf den Sozialstaat beträchtliche Kosten zu. Ein Posten davon wird immer an erster Stelle genannt: die Rente!

    Norbert Blüm: "Die Renten sind sicher. Ja, sind sicher. Aber nicht als Geschenk des Himmels, und nicht als ein Naturereignis. Sondern sie sind nur durch Gestaltung sicher."

    Die Rente mit 67 ist nun beschlossene Sache. In Anbetracht der demografischen Entwicklung scheint sie unabdingbar, vor allem, wenn man die zukünftige Altersstruktur der Bevölkerung berücksichtigt. Diese lässt dramatische Konsequenzen befürchten. Das legt zumindest der prognostizierte so genannte Altenquotient nahe.

    Der Altenquotient drückt das Verhältnis der über 60-Jährigen zu den 20- bis 60-Jährigen aus. Gegenwärtig stehen 100 Menschen im Erwerbsalter 44 Menschen im Rentenalter gegenüber. In 50 Jahren dagegen wird das Verhältnis nicht mehr 100 zu 44, sondern 100 Erwerbsfähige zu 78 Rentnern sein.

    Im Altenquotient scheint sich das gesamte demografische Desaster zu kristallisieren. Es ist vor allem auf dieses Zahlenverhältnis zurückführen, dass erbitterte Debatten über Generationengerechtigkeit geführt werden.

    "Der Altersquotient ist momentan der Kampfbegriff von allen Leuten, die Panik machen wollen mit demografischen Daten."

    Gerd Bosbach, Professor für Statistik und Empirische Sozialforschung an der Fachhochschule Remagen:

    "Das fängt an: Die erwerbstätige Generation muss nicht nur die Alten, sondern auch die Jungen ernähren. Und da wir auch immer weniger Jugendliche aller Voraussicht nach bekommen werden, wird am unteren Ende ein bisschen gespart werden können, zumindest wird es nicht ausgedehnt werden. Das ist das erste."

    Die Tatsache, dass weniger Kinder geboren werden, bedeutet nach Meinung des Statistikers also auch, dass der Staat hier Kosten einsparen kann, die wiederum auf die Renten umgelegt werden könnten. Und zweitens? Zweitens gehe der Altersquotient von einem Renteneintrittsalter mit 65 Jahren aus, und dies ist schon seit ein paar Wochen Vergangenheit. In Zukunft müssen die Bürger länger arbeiten, und damit ändert sich auch der viel zitierte Altersquotient - zumindest dann, wenn es genügend Arbeit für alle gibt.

    Aber darauf komme es nicht unbedingt an, so Meinhard Miegel:

    "Das Entscheidende ist nicht, wie viele Menschen in 10 oder 15 oder 20 Jahren im Produktionsprozess stehen. Das Entscheidende für die materielle Absicherung für diese Gesellschaft ist, wie produktiv sind diese Menschen, die in 10, 15 Jahren arbeiten werden. Und da haben wir eine glückliche Fügung: Wir haben seit ungefähr 150 Jahren eine enorme Produktivitätsentwicklung: Die Menschen, die heute arbeiten erarbeiten ungefähr fünfmal so viel wie die Menschen, die vor 50 Jahren gearbeitet haben. Und das wird sich im Großen und Ganzen so fortsetzen."

    Deutschland 2050, ein Zwischenresümee: Unbestritten ist allein die Tatsache, dass es in Zukunft weniger junge und viel mehr alte Menschen in Deutschland geben wird. Und dass man sich auf eine völlig andere Bevölkerungsstruktur einstellen muss. Alle anderen Einschätzungen beruhen auf Spekulationen und Interpretationen: Es gibt weder einen Konsens darüber, wie sich die Geburtenrate und die Lebenserwartung entwickeln werden, noch weiß man, wie viele Erwerbstätige wie viele Rentner finanzieren müssen oder wie sich die Produktivität steigern wird. Die Produktivität hat einen großen Einfluss darauf, wieviel Geld der Staat und der Einzelne zur Verfügung haben werden.

    Das alles ist umstritten. Und natürlich hängt die Zukunft auch davon ab, welche Maßnahmen die Politiker in die Wege leiten, um den Bevölkerungsrückgang und die Alterung der Gesellschaft in den Griff zu bekommen.

    Demografische Prognose, Kapitel 3: die Maßnahmen. Der Bundestag hat eine Enquete-Kommission "Demographischer Wandel" eingesetzt. In ihrem Schlussbericht steht:

    "Der demographische Wandel ist immens und macht es erforderlich, über die Veränderung im Bevölkerungsaufbau intensiv nachzudenken. […] Die sich abzeichnende Entwicklung ist eine Herausforderung, der von allen Seiten aus begegnet werden muss. Hier sind nicht nur Politiker […] zum Handeln aufgerufen, sondern auch die Wirtschaft, das Gesundheitswesen […], aber vor allem auch Bildung und Wissenschaft."

    Von allen Seiten muss also dem demografischen Wandel begegnet werden, aber wo anfangen? Die Erhöhung des Renteneintrittsalters ist nur eine Möglichkeit, auf die Bevölkerungsentwicklung zu antworten. Denn da sich die Demografiedebatte weniger aus Fakten denn aus vielen Interpretationen speist, sind die Lösungsansätze entsprechend unterschiedlich. Der CSU-Politiker Johannes Singhammer zum Beispiel geht von einem "dynamischen Aussterben" der deutschen Bevölkerung aus. Und dem gilt es seiner Meinung nach entgegenzusteuern:

    "Deswegen gibt es nur eine einzige Lösung: mehr Kinder!"

    Anstatt wie bisher 1,35 Kinder lieber 2 bis 3 Kinder pro Frau, diese Geburtenrate wäre seiner Meinung nach ideal. Denn statistisch gesehen würde eine Geburtenrate von 2,1 Kindern pro Frau den Schrumpfungsprozess aufhalten. Deswegen teilen viele Experten und Politiker Singhammers Auffassung.

    "Wir brauchen jetzt eine Kampagne 'Deutschland, Kinder gehören dazu'. Umdenken in den Köpfen ist das Wichtigste, um vom Kinder entwöhnten Land wieder zu einem kinderfreundlichen Land zu werden. Zweitens: Programm Optimismus: Die Zukunft ist gut, es gibt nicht Regentage, sondern es gibt viel Sonnenschein, und Deutschland hat international alle Möglichkeiten alle Stärken auszuspielen. Und das Dritte ist Gerechtigkeit für alle Familien."

    Die Lösung gegen den Kinderschwund heißt also: mehr Kinder - und dafür sei eine familienfreundlichere Politik nötig. Eine Forderung, die auch Bundespräsident Horst Köhler kürzlich auf dem "Forum Demographischer Wandel" stellte, ein Forum, auf dem Vertreter von Staat, Wirtschaft und Gesellschaft gemeinsam nach Handlungskonzepten suchten, wie man dem Geburtenrückgang begegnen könne. Konkrete Vorschläge gab es nicht, aber zumindest die Einsicht, dass man sich der demografischen Herausforderung stellen müsste. Dabei ist der Versuch, die Geburtenrate zu fördern, nur eine mögliche Antwort. Diese Auffassung vertritt nicht nur Horst Köhler:

    "Damit das klar ist: Ich bin nicht gegen mehr Kinder. Ich habe nichts gegen mehr Kinder."

    Aber?

    "Aber die Politik tut so, als wäre das ein Allheilmittel","

    was es in den Augen von Miegel und Bosbach eben nicht ist. Denn die Konzentration auf Demografie und Kinder fördernde Maßnahmen lenkt von den eigentlichen Problemen ab. Für den Statistiker und Empirischen Sozialforscher Gerd Bosbach hat sie sogar eine Alibifunktion, um politisches Versagen zu kaschieren:

    ""Es wird so getan, als läge alles an unserer demografischen Entwicklung. Die sozialen Maßnahmen wie im Krankenbereich, im Rentenbereich, die werden immer begründet mit der demografischen Entwicklung. Dabei ist völlig offensichtlich, dass es gar nicht die demografische Entwicklung im Moment ist, die die Probleme bereitet."

    Nicht die demografische Entwicklung, sondern die gegenwärtige hohe Arbeitslosigkeit verursache die leeren Kassen und damit Engpässe bei den sozialen Sicherungssystemen. Das wolle allerdings keiner zugeben.

    "Damit würde man ja sagen: Wir, Politik, sind schuld. Deshalb sagt man lieber: Weil ihr alle älter werdet, weil ihr alle weniger Kinder habt, deshalb machen wir das. Klingt viel schöner, dann haben wir nämlich, als die normalen Menschen, schuld."

    Die Defizite sieht der Statistiker Gerd Bosbach zuvorderst nicht in der Gebärmüdigkeit der Frauen, sondern in der gegenwärtigen Arbeitsmarkt- und Wirtschaftspolitik. An diesem Punkt setzt auch der Wirtschaftswissenschaftler Meinhard Miegel an:

    "Schauen Sie, wenn wir heute genauso arbeiten würden, quantitativ so arbeiten würden wie die Menschen vor 50 Jahren, dann könnten wir all das, was wir heute zu unserer Versorgung benötigen, von zirka zehn Millionen erwirtschaften lassen. Alle anderen könnten auf der Parkbank sitzen. Natürlich wollen wir das nicht. Wir wollen Veränderungen in diesem Bereich. Aber der Rückgang der Erwerbsbevölkerung ist nicht das Problem. Das Problem ist, dass möglicherweise die Produktivität der schrumpfenden Erwerbsbevölkerung sinkt. Wenn das eintritt, dann haben wir ein Problem. Aber das muss nicht eintreten. Das liegt bei uns, ob das eintritt oder nicht."

    Und dafür gelte es, geeignete bildungspolitische Maßnahmen zu ergreifen, um den nachkommenden Generationen einen bestmöglichen Wissensstand zu vermitteln. Dann werde auch eine zahlenmäßig schwache Generation dazu in der Lage sein, die Bevölkerung gut zu versorgen. Darin sind sich Miegel und Bosbach einig.

    Die demografische Entwicklung bedeutet ihnen zufolge nicht zwangsläufig den Niedergang der Gesellschaft. Anstatt ein Lamento über die geringe Geburtenrate anzustimmen, ist es dringend nötig, geeignete politische Maßnahmen zu ergreifen. Ob die Erhöhung des Renteneintrittsalters hier weiterhilft, ist nicht sicher. Sicher ist jedoch, dass sie allein die Probleme nicht zu lösen vermag.