Mittwoch, 24. April 2024

Archiv

Die deutsch-englische Band The Chap
"Musik, die falsch klingt"

The Chap aus London und Berlin nehmen sich oft Konzepte für ihre Alben vor, um sie dann wieder nicht einzuhalten. So auch beim neuen Album „Digital Technologie“, das doch keine Techno-Platte geworden ist. Dafür voller guter Pop-Melodien und maximalem Spaß am Unsinn.

Von Ina Plodroch | 11.01.2020
Leider liegt für dieses Bild keine Bildbeschreibung vor
Nebelverhangen: The Chap (Stephanie Piehl)
"Ursprünglich sollte es ein Techno-Album werden, weil wir uns immer so Konzepte vornehmen", erzählt der Musiker Johannes von Weizsäcker über das neue Album seiner Band The Chap. Aber naja, ganz so ernst nehmen sich die fünf Mitglieder nicht und deshalb ist das immer so eine Sache mit ihren Konzepten. "Digital Technology" heißt ihr neues Album. Und vor knapp 20 Jahren, als von Weizsäcker die Band in London mit Keith Duncan, Panos Ghikas und Claire Hope gegründet hat, war diese Technologie natürlich noch nicht so präsent wie heute.
"Und das Internet war häufig noch so in Modem-Geschwindigkeit..." Mit der die Leute anfingen, MP3 bei Napster hochzuladen und illegal zu teilen.
"Und die ganzen Indielabels, oder überhaupt die Labels, wurden plötzlich sehr ängstlich dabei, neue Bands unter Vertrag zu nehmen. War also eine richtig gute Zeit, um eine Band anzufangen."
Kein Hype, kein Stadion
Sie haben es trotzdem gemacht – sind damit nie so richtig erfolgreich geworden, kein Hype, kein Stadion – ein bisschen zu speziell sind sie vielleicht, aber von Weizsäcker scheint es nicht zu stören, sie seien dadurch eben auch total frei, sagt er, deshalb machen sie: "Musik, die falsch klingt. So haben wir das früher, glaube ich, genannt."
Weil ihre Songs immer ein wenig entrückt klingen und nie so ganz zum Rest des Indie-Pops zu passen scheinen. Singen, das kann eigentlich keiner von ihnen so richtig. Wollen sie aber auch nicht. Sie finden, "das Allerschlimmste ist emotional wahnsinnig investierter Gesang. Da haben wir immer ein absolutes Grauen vor gehabt. Andererseits ist das in der Regel der Schlüssel zum Erfolg, haben wir auch beobachtet."
Leider liegt für dieses Bild keine Bildbeschreibung vor
Selfies: The Chap (Stephanie Piehl)
Kinderreim, dilettantischer Gesang und maximaler Spaß
Aber mit dieser künstlerischen Inbrunst das eigene Seelenleben zu sezieren, ist absolut nicht das Ding von The Chap. Das mit den Emotionen klingt bei ihnen auf dem neuen Album: eine Mischung aus Kinderreim, dilettantischem Gesang und maximalem Spaß am Unsinn, guter Popmelodie und klitzekleinen Quatsch-Elementen. Zum Beispiel wie sie das "s" bei "Books" überbetonen.
Oder im Song "Don't say it like that" seufzen. Das soll eigentlich ein Song über den Streit eines Paares sein. "Aber im Grunde funktioniert das ganz hervorragend. Also im Zeitalter von Hate Speech im Internet und diesen ganzen Meta-Debatten, die da existieren, darüber, wie man jetzt in sozialen Medien politisch miteinander diskutiert oder eben auch nicht und sich abgrenzt."
Dazu passt "Digital Technology" eben auch, findet Johannes von Weizsäcker. Es steckt also schon Zeitgeist in ihrem neuen Album. Der Titel ebenfalls mit einem Augenzwinkern gemeint, denn "heutzutage ist es alles digitale Technologie, unser ganzes Leben ist Technologie. Und deswegen fanden wir das ganz lustig, weil der Begriff ja immer noch benutzt wird, was eigentlich ein bisschen albern ist."
Politischer Rock ist sinnlos
Mit ihrem neuen Album kommentieren sie en passant das Leben, das sie beschäftigt - so wie Popmusik das eigentlich immer tut. Bewusst politisch wollen sie aber nicht sein. Denn, politischer Rock, das sei bescheuert, finden sie. "Das absolut Schrecklichste, das es überhaupt gibt. Und auch das Sinnloseste."
Was schon eine gewagte These ist – denn nichts liebt die deutsche Popkritik mehr als politische Pop- oder Rockmusik. "Man nimmt halt so viel Musik wahr, die entweder bewusst politisch ist oder versucht zu sein. So bedeutungsschwanger kommt das oft rüber, und in der Regel werden so relativ allgemeinplatzige Sachen gesagt, die die Hörer dieser Musik sowieso alle schon denken und mit denen man insofern komplett nichts erreicht."
Sowas ist zu plump für die Band – sie setzen auf die Meta-Ebene und hatten sich deshalb 2015 vorgenommen, ihr Album "The Show Must Go" als politisches Rock-Konzeptalbum aufzunehmen, um dieses Konzept zu dekonstruieren. Eine sehr eigene Methode. "Wir dachten uns immer, das sei interessant, sich so Limits zu setzen und sich Regeln zu machen und die dann befolgen zu müssen, die man überhaupt nicht befolgen will, wenn man Musik macht."
Und so ist auch ihr neues Album "Digital Technology" natürlich wieder kein Techno-Album geworden, so wie sie es sich vorgenommen hatten. Sondern ein Elektroalbum mit vielen Albernheiten und bloß keinem politischen Sendungsbewusstsein. Das einzige worauf sie hinzuarbeiten scheinen: Ihre Konzepte nicht einzuhalten.
Was auch nur wieder zeigt, dass sie sich und ihr Künstlerdasein nicht zu ernst nehmen. Im Mittelpunkt scheint die Unterhaltung zu stehen – und die ist im britischen Sinne nie hohl, sondern besonders gut, weil die Band die Welt gar nicht zynisch beschreibt – wie es so häufig in Netz- und Popkultur geschieht -, sondern dezent albern.