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Die Deutsche Bischofskonferenz kündigt den Entzug der kirchlichen Lehrerlaubnis für Hans Küng an

Die Nachricht schlägt ein wie eine Bombe: Dem Theologen Hans Küng, der an der Universität Tübingen lehrt und hohe internationale Reputation besitzt, wird die kirchliche Lehrerlaubnis entzogen. Er darf keine zukünftigen Priester mehr ausbilden und prüfen. Unfassbar für Küng. Wie aus heiterem Himmel hat ihn der Bannstrahl erreicht. Prompt schlägt er zurück:

Von Anna Gann | 18.12.2004
    Küng: Mit Trauer und Unverständnis habe ich den Ausgang der römischen Verhandlungen zur Kenntnis genommen. Ein unbequemer Kritiker soll mit allen Mitteln geistlicher Gewalt zum Schweigen gebracht werden.

    Die vatikanische Glaubenskongregation, die früher einmal Heilige Inquisition hieß, hatte Mitte Dezember 1979 entschieden: Hans Küng kann nicht mehr als katholischer Theologe gelten. Am 18. Dezember 1979 teilte die Deutsche Bischofskonferenz die Entscheidung der Öffentlichkeit mit. Betroffen, ja empört war der schweizerische Theologe über den Zeitpunkt der Bekanntgabe und den Ablauf des Verfahrens:

    Küng: Ich wurde von der römischen Aktion in weihnachtlicher Zeit unvermittelt getroffen und war dank der römischen Verhandlungsstrategie immer nur Objekt und niemals Partner im Verfahren. Der Papst verurteilt einen Mann, den er nicht gehört hat. Die römische Devise: "Audiatur et altera pars" – auch der andere Teil soll gehört werden, gilt im päpstlichen Rom nicht.

    Daran war richtig: Der Verurteilte war in der letzten Phase des Disziplinarverfahrens in Rom nicht mehr gehört worden. Wohl aber einige Jahre zuvor. Der Vatikan hatte ihn schon seit 1957 beobachtet. Der eigentliche Konflikt entstand, als der international bekannte Bestseller-Autor Hans Küng 1970 in einem Buch die Unfehlbarkeit des Papstes scharf attackierte.

    Es brachte ihm den spektakulärsten Prozess ein, den ein katholischer Theologe im 20.Jahrhundert mit seiner Kirche erlebt hat. Er endete mit einer Überraschung: Der Vatikan verzichtete auf seine Forderung, Küng solle widerrufen und sich dem Papst – es war Paul VI. - bedingungslos unterwerfen. Er wurde lediglich ermahnt, seine Thesen nicht mehr zu wiederholen. Küng seinerseits hielt sich jedoch nicht an die römischen Auflagen. Das Publikum gewöhnte sich daran. Der Fall schien erledigt zu sein.

    Doch 1978 kam Johannes Paul II. auf den Papstthron. Er zog die Zügel an. Als sich Küng ein Jahr später im Vorwort zu einem Buch die päpstliche Unfehlbarkeit vornahm, packte der Vatikan ihn, im Dezember 1979. Viele sahen darin das Signal für einen radikalen Kurswechsel. Enttäuscht war ihre Hoffnung, die katholische Kirche sei nach dem Zweiten Vatikanischen Reformkonzil unter Papst Johannes XXIII. offener geworden – auch im Umgang mit ihren Kritikern. Bissig kommentierte der Abgestrafte:

    Küng: Johannes XXIII. und das Zweite Vatikanische Konzil sind vergessen. Rom verträgt offenbar keine loyale Kritik, kein brüderliches Miteinander, keine dem Geist der Solidarität verpflichteten Anfragen. Menschenrechte und christliche Liebe werden nach außen gepredigt, im Inneren aber trotz vieler schöner Worte missachtet.

    Bis heute hat der Fall Küng kirchenpolitische Bedeutung. Er gilt nach wie vor als Meilenstein auf dem Weg zur autoritären Papstkirche Johannes Pauls II., in der kritische Stimmen und Abweichler nicht geduldet werden. Eine Versöhnung zwischen dem abtrünnigen Hans Küng und dem Vatikan ist denn auch heute nicht in Sicht. Er selbst würde sie sich wünschen, allerdings nicht um den Preis, seine umstrittenen Thesen zu widerrufen.

    Küng: Es ist jetzt mal an der anderen Seite, die Fragen zu beantworten: Wie steht's mit der Unfehlbarkeit des Papstes? Wenn man das nicht will, bin ich auch bereit zu einer pragmatischen Einigung, dass man sagt: Wir klammern das jetzt mal eine Zeit lang ein. Es genügt ja, dass ich meinerseits nicht verlange, dass Rom sich meine Positionen zu eigen macht. Umgekehrt darf ich aber erwarten, dass man die meinen als katholische akzeptiert und mich als katholischen Theologen – der ich ja immer geblieben bin – auch in aller Form wieder anerkennt.

    Einzelne deutsche Bischöfe haben immer wieder versucht, eine Einigung herbeizuführen. Sie scheiterten an der unversöhnlichen Haltung des Vatikans. Denn für ihn gibt es nur eine Möglichkeit: die Unfehlbarkeit des Papstes muss anerkannt werden. Ausklammern – das geht nicht. Denn an der Unfehlbarkeit hängt auch die Macht des Papstes und seines Apparates, der römischen Kurie.