Samstag, 20. April 2024

Archiv


Die deutsche Industrie profitiert besonders

Ein Jahr nach der Osterweiterung herrscht in der Europäischen Union alles andere als Feierstimmung. Nicht nur in Deutschland, in vielen alten EU-Ländern dominieren die Klagen über Billigarbeiter aus dem Osten und die Angst vor Arbeitsplatzverlust. Doch das ist nur die auffällige Seite der Osterweiterung. Über die andere Seite wird seltener in der Öffentlichkeit diskutiert: Denn die neuen Mitgliedsstaaten sind auch wichtige Handelspartner, von denen vor allem Österreich und Deutschland profitieren.

Von Alois Berger | 05.05.2005
    Gewerkschafter und Arbeiter demonstrieren vor dem EU-Ministerrat in Brüssel - gegen Lohndumping und Sozialabbau. Die Proteste werden lauter, und sie richten sich immer öfter gegen die neue Konkurrenz aus dem Osten. Am deutlichsten wird das beim Streit um die Dienstleistungsrichtlinie, die es Handwerkern aus allen EU-Ländern erleichtern soll, in anderen Staaten der Europäischen Union zu arbeiten.

    " Gegen die Dienstleistungsverordnung, dass es nicht so ist, dass jeder für zwei Euro in Deutschland arbeiten kann. Wenn jemand aus Lettland in Deutschland arbeitet, lettisches Arbeitsrecht, lettisches Steuerrecht und, und, und gilt und das geht nicht, das macht alle sozialen Sicherungssysteme kaputt. ich bin Arbeitslosengeld-II-Empfänger und sollte in Polen Autofahren für drei Euro die Stunde und das sehe ich nicht ein, und deshalb bin ich kurzfristig hierher gekommen zum Demonstrieren."

    Nicht nur in Deutschland, in vielen alten EU-Ländern dominieren die Klagen über polnische Billigarbeiter und die Angst vor Arbeitsplatzverlust. Ein Jahr nach der Osterweiterung herrscht in der Europäischen Union alles andere als Feierstimmung.

    Was die Menschen von der Erweiterung der Europäischen Union wahrnehmen, ist vor allem die Zunahme ausländischer Arbeitskräfte. Auf dem Bau, in Putzkolonnen, in der gesamten Reinigungsbranche sind Deutsche rar geworden. Am meisten fällt der Wandel in Restaurants und Gaststätten auf: Die Bedienung kommt aus Estland, der Koch aus Slowenien und der Tellerwäscher aus Litauen.

    Noch dramatischer sieht es in den typischen Billiglohnbranchen aus. Allein in den Schlachtbetrieben wurden in den letzten Monaten mehr als 20.000 Deutsche entlassen. Arbeiter aus dem Osten kosten einen Bruchteil. Die deutsche Regierung will deshalb für alle Branchen Mindestlöhne einführen, um die Zuwanderung weiterer Arbeitskräfte aus den neuen EU-Ländern zu verhindern.

    Bisher existieren solche Mindestlöhne in Deutschland nur für Dachdecker, Bauarbeiter und Lackierer. Und es gibt viele Möglichkeiten, die Vorschriften zu unterlaufen. Wer sich als Selbständiger anmeldet, kann auch für weniger arbeiten, selbst wenn er tatsächlich in einer Putzkolonne jobbt. Scheinselbständig nennt man das, und die Gewerkschaften schätzen, dass es inzwischen viele Zehntausende solcher Scheinselbständigen gibt.

    Doch das ist nur die auffällige Seite der Osterweiterung, die sichtbare. Über die andere Seite wird seltener in der Öffentlichkeit diskutiert, bei den Demonstrationen ist sie nie ein Thema. Peter Korn vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag:

    " Die Bilanz Osterweiterung der zehn Länder aus deutscher Sicht ist besonders im Exportbereich bemerkenswert: Wir haben in 2004, in den ersten Monaten nach der Erweiterung, 10 Prozent Exportzuwachs auf 61 Milliarden Euro gehabt, während wir bei den Importen nur einen Zuwachs von einem Prozent hatten auf 56 Milliarden Euro."

    Wie viele Arbeitsplätze durch diesen Exportzuwachs entstanden sind, das kann allerdings bisher niemand genau sagen. Auch Peter Korn von der DIHK nicht.

    " Auf jeden Fall können Sie den Schluss ziehen, ohne jetzt volkswirtschaftliche Theorien zu strapazieren, dass dieser Export von Gütern nach Osteuropa natürlich Arbeitsplätze bei uns erhalten hat. Wäre das weg gebrochen, wäre wahrscheinlich die Situation bei uns noch dramatischer."

    Die Handelszahlen des letzten Jahres spiegeln die Entwicklung ohnehin nur ungenügend wider. Denn die mittel- und osteuropäischen Länder sind der EU zwar vor genau einem Jahr beigetreten. Doch die Erweiterung, meint Oliver Drewes, Sprecher der EU-Kommission, hat schon viel früher begonnen.

    " Ganz besonders haben Österreich und Deutschland davon profitiert. Die waren schon sehr frühzeitig aktiv in den neuen Mitgliedsstaaten, haben Firmen gegründet, teilgenommen in jedem Sektor, und deshalb kann man auch berechtigterweise sagen, war der erste Mai vielleicht nicht so ein Big Bang, wie viele das darstellen - also der 1. Mai letzten Jahres, an dem die Erweiterung stattgefunden hat. Diese Firmen haben sich schon jahrelang davor darauf vorbereitet und sind ja auch mit dem ganzen EU-Regelwerk und Wettbewerbsbedingungen da hineingegangen."

    Bisher waren die USA der wichtigste Handelspartner Deutschlands. Noch in diesem Jahr, spätestens aber im nächsten werden die neuen EU-Mitglieder die USA an Bedeutung für die deutsche Wirtschaft überholt haben. Daniel Gros vom Center for European Policy Studies in Brüssel:

    " Was wirklich außergewöhnlich ist, ist das Wachstum des Handels zwischen den neuen Mitgliedsländern und der EU im Allgemeinen, und insbesondere die Position Deutschlands dabei. Deutschland wickelt faktisch die Hälfte des EU-Handels mit diesen Ländern ab. Die deutsche Industrie profitiert in besonderem Maße von dieser Entwicklung."

    Mindestens eine Million Jobs hängen in Deutschland inzwischen direkt vom Handel mit den neuen EU-Partnern ab. Tendenz: steigend.

    Nur die österreichische Wirtschaft zieht noch größere Vorteile aus der Osterweiterung als die deutsche. Die Alpenrepublik ist umgeben von Neumitgliedern und hat noch aus der Habsburgerzeit gewachsene Beziehungen zu Tschechien, zur Slowakei, zu Ungarn und Slowenien. Gleichzeitig aber ist die Abneigung in der Bevölkerung gegenüber den neuen EU-Mitgliedern nirgendwo größer als in Österreich. Das bestätigen alle Umfragen. Doch anders als die Menschen hat die österreichische Wirtschaft sich längst auf die neue Situation eingestellt und nutzt ihre Chancen.

    Die geographische und auch die geschichtliche Nähe sind wichtige Gründe, warum ausgerechnet Deutschland und Österreich den größten Nutzen aus der Osterweiterung ziehen. Aber es gibt noch andere Erklärungen, erläutert Daniel Gros vom Center for European Policy Studies.:

    " Es ist klar, dass der Maschinenbau, der Anlagenbau in besonderem Maße von der Osterweiterung profitieren. Denn gerade wegen der Osterweiterung, gerade wegen der Aufnahme in die EU, sind ja die Direktinvestitionen in diesen Ländern angezogen, weil es jetzt die Sicherheit gibt: Wenn wir dort jetzt eine Fabrik hochziehen, werden wir nicht enteignet, werden wir gerecht behandelt. Die Technologie, die für sie gebraucht wird, ist gerade die, die Deutschland liefern kann."

    EU-Länder wie Frankreich oder Italien haben ihre Stärken dagegen vor allem in der Konsumgüterindustrie. Teure Kleidung, edle Weine und Lebensmittel, Designer-Möbel, Luxuswaren, das sind die wichtigsten Exportschlager Frankreichs und Italiens. Doch soweit sind die neuen EU-Länder noch nicht, dass es dafür schon eine nennenswerte Nachfrage gäbe.

    Der EU-Beitritt hat in den mittel- und osteuropäischen Ländern das Wachstum angekurbelt, um vier Prozent wächst die Wirtschaft in Ungarn, um mehr als fünf in Polen und fast neun Prozent Wachstum verzeichnet Lettland. Zahlen, von denen die alten EU-Länder nur träumen können. Dieses Wachstum basiert vor allem auf Investitionen, auf dem Bau von Fabriken, auf der Modernisierung der Industrieanlagen. In Bereichen also, in denen vor allem die deutsche Wirtschaft ihre Stärken ausspielen kann.

    Das wird auch noch einige Jahre so bleiben. Zwar gibt es in manchen der neuen EU-Regionen erste Lohnsteigerungen, aber sie sind noch gering und weit davon entfernt, dort einen Konsumrausch zu erzeugen.

    Doch die Veränderungen in den mittel- und osteuropäischen EU-Ländern sind längst spürbar. In einigen Ballungsräumen und an den Westgrenzen herrscht bereits ein Mangel an Arbeitskräften.
    Etelka Barsi-Pataky, Europaabgeordnete der ungarischen Konservativen, über Ungarn - ein Jahr nach dem EU-Beitritt:

    " Die Gewinnerbranchen sind in erster Linie die verarbeitende Industrie und die Finanzmärkte und alle Finanzdienstleistungen, auch Versicherungen und andere Bereiche. Es gibt etliche brillante ungarische Firmen, die i mitteleuropäischen Maßstab schon einigermaßen global aktiv sind, Banken und Chemieindustrie und pharmazeutische Industrie. Hauptsächlich sind die Gewinner die Bewohner in Budapest und die in Westungarn. Die Leute, die in Ostungarn wohnen, was eigentlich die Außengrenze von der Europäischen Union ist, die haben noch Schwierigkeiten."

    Erstaunlicherweise ist es gerade die ungarische Landwirtschaft, die große Probleme hat, die dem Druck der Importe aus anderem EU-Ländern und dem Nicht-EU-Ausland kaum standhält. Dabei hatte man die ungarischen Bauern vor dem EU-Beitritt als besonders wettbewerbsfähig eingeschätzt. Im Vergleich zum Beispiel mit den polnischen Bauern. Doch es ist ganz anders gekommen, als viele Experten vorhergesagt hatten. Nicht nur in Ungarn, auch in Polen.
    Magda Kopczynska vom polnischen Unternehmerverband:

    " Nach einem Jahr Osterweiterung kann man feststellen, dass diejenigen, die die meisten Befürchtungen hatten, am meisten gewonnen haben durch den Beitritt der Zehn. Vornweg die Bauern und das Agrobusiness, besonders die Lebensmittelindustrie. Hätten Sie vor dem 1.5. gefragt, was nach der Osterweiterung passiert, hätten sie die üblichen Antworten bekommen, dass die polnische Landwirtschaft bankrott geht und dass der polnische Markt mit EU-Produkten und Lebensmitteln überschwemmt wird. In Wirklichkeit ist es die polnische Lebensmittelindustrie, die am meisten exportiert, und die polnischen Bauern haben als erste echtes Geld gesehen, profitierten als erste von den Strukturfonds und von den finanziellen Leistungen der EU."

    Selbst die polnische Stahlindustrie, vor Jahren als die große Verliererin des EU-Beitritts identifiziert, kann heute wieder hoffen. Der weltweite Stahlboom hat die Lage total verändert. Insgesamt hat sich die polnische Wirtschaft deutlich besser entwickelt als vielfach angenommen.

    Magda Kopczynska vom polnischen Unternehmerverband sieht das auch durch die Zahlen bestätigt:

    " Wir haben gerade eine größere Umfrage unter kleinen und mittleren Unternehmen in Polen durchgeführt, zum dritten Mal machen wir das jetzt. Viel mehr Unternehmen als in den letzten zwei Jahren haben ihre Investitionen verstärkt, haben in anderen Ländern investiert, und sie sind alle viel optimistischer als noch vor einem Jahr. Wenn man von dieser Umfrage bei kleinen und mittleren Unternehmen Rückschlüsse auf die Lage der Wirtschaft ziehen will, dann ist die Situation in Polen wirklich optimistisch."

    Die Stimmung wirkt sich auch auf die polnischen Arbeiter aus, die plötzlich eine Chance sehen, vom Aufschwung zu Hause zu profitieren. Noch liegt die Arbeitslosigkeit in Polen bei fast 20 Prozent, doch vor allem die Jungen haben die Hoffnung, dass sie nicht mehr unbedingt ins Ausland gehen müssen, wenn sie Arbeit wollen. Der Druck, sein Glück im Ausland zu suchen, hat jedenfalls deutlich nachgelassen in den vergangenen zwölf Monaten.

    Und nicht in allen neuen EU-Ländern sind die Menschen so mobil wie in Polen. Die ungarische Europa-Abgeordnete Etelka Barsi-Pataky berichtet von den Erfahrungen in ihrer Heimat:

    " Wir haben immer gesagt, dass wir auch in Ungarn selbst keine Mobilität haben, in den westlichen Teilen Ungarns haben wir Arbeitsplätze, die langsam mit Arbeitern aus der Slowakei besetzt werden. Diejenigen, die im Osten keine Arbeit haben, arbeitslos sind, die wollen da bleiben, in ihrem eigenen Haus, in ihrem Dorf, die Verwandtschaft nicht verlassen. Es gibt keine Mobilität von Ostungarn nach Westungarn."

    Was man schon beim EU-Beitritt von Portugal und Spanien 1986 beobachtet hat, scheint sich nun zu wiederholen. Auch damals befürchteten die Alt-EU-Länder einen massenhaften Zustrom billiger Arbeitskräfte. Doch das Gegenteil trat ein: Viele spanische und portugiesische Arbeiter, die jahrelang in Frankreich, Luxemburg und Belgien gearbeitet hatten, kehrten in die Heimat zurück. Die Unternehmen in den Gast-Staaten suchten damals händeringend Ersatz. Die Luxemburger Regierung hob überstürzt alle Zuzugsbeschränkungen auf.

    Ein Jahr nach der Osterweiterung sieht es so aus, als ob das Gleiche wieder passieren würde. Die finnische Regierung hat dieser Tage angekündigt, dass sie die Übergangsfristen vorzeitig beenden will. Balten, Polen, Ungarn, die in Finnland arbeiten wollen, brauchen keine sechs Jahre mehr zu warten. Sie sind sofort willkommen. So wie in Großbritannien, Irland und Schweden. Anders als die übrigen EU-Staaten haben diese drei Länder von Beginn an die Grenzen aufgemacht für die neuen EU-Bürger.

    In Großbritannien wurden im vergangenen Jahr 140.000 Arbeitsgenehmigungen beantragt. Das klingt nach sehr viel. Doch nur die Hälfte der Antragsteller kam wirklich neu auf die Insel, die anderen waren längst da - als Schwarzarbeiter. Viele von ihnen haben jetzt die Chance genutzt, aus der Schattenwirtschaft herauszukommen. Niemand lebt auf Dauer gern am Rande der Gesellschaft.

    Für die britische Wirtschaft war das rundum von Vorteil, meint Magda Kopczynska vom polnischen Unternehmerverband. Selbst die befürchteten Nebenwirkungen seien ausgeblieben: Wer keinen Job findet, geht meist zurück in die Heimat, weil er weiß, dass er jederzeit wieder kommen kann.

    " Von allen Arbeitern aus den neuen EU-Staaten in Großbritannien bekommen nur 800 Arbeitslosengeld. Die Angst war doch, dass diese Leute, wenn sie keinen Job bekommen, sich arbeitslos melden und von dem Geld leben. Genau das ist in Großbritannien nicht der Fall. Und was die anderen Länder betrifft, da sage ich immer: Wer hinwollte, ist schon längst da. In Großbritannien haben sich viele, die vorher schwarz dort gearbeitet haben, jetzt ordentlich angemeldet und die zahlen jetzt britische Steuern - ein Gewinn also für das Land und ein Rückgang der illegalen Beschäftigung! Es ist doch kein Geheimnis, dass es in Deutschland, Österreich, Belgien und Frankreich viele illegale polnische Arbeiter gibt. Für die Wirtschaft dieser Länder wäre es doch viel besser, wenn diese Leute Steuern bezahlen würden."

    Doch die britische Wirtschaft boomt und hat Bedarf an zusätzlichen Arbeitskräften. In Deutschland dagegen sind fast fünf Millionen Menschen ohne Job. Peter Korn vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag würde die Übergangsfristen, in denen der Zuzug von Arbeitskräften beschränkt bleibt, trotzdem gerne aufheben.

    " Was Übergangsfristen bedeuten, kann man in einem Wort zusammenfassen: Wettbewerbsvermeidung. Klar ist, dass wir unseren Arbeitnehmern, unserer Bevölkerung nicht alles zumuten können. Deshalb muss die Politik immer aufpassen, deshalb haben wir die Übergangsfristen. Aber wir wissen jetzt schon, dass es natürlich besser wäre, wenn wir geregelt günstige Arbeitskräfte in den Bereichen, in denen wir sie tatsächlich brauchen, auch bekommen könnten. Wir wollen freien Warenverkehr haben und müssen deshalb natürlich auch zulassen, dass es Personenniederlassungsfreiheit und auch Dienstleistungsfreiheit gibt."

    Daniel Gros vom Center for European Policy Studies in Brüssel schätzt, dass die Einwanderungswelle aus dem Osten schon wieder vorbei ist. Tschechen, Ungarn und Balten seien ohnehin nicht besonders reisefreudig. Aber auch in Polen gebe es keine Anzeichen, dass noch viele Arbeiter auf ihren gepackten Koffern säßen. Wer in den Westen wolle, sei längst dort.

    " Man geht wohl davon aus, dass das Potential bei einem bis zwei Prozent der polnischen Bevölkerung liegt. Und es könnte sein, dass das schon das gesamte Potential der Ausreisewilligen ist. Man weiß nicht, ob da noch sehr viele mit Spannung an der Grenze stehen und warten darauf, auszuwandern. Bisher gibt es keine Indikationen dafür. "

    Noch größer ist die Unsicherheit über die Verlagerung von Produktionsstätten. Vier Milliarden Euro haben deutsche Unternehmen in den vergangenen Jahren in den Aufbau von Werkstätten und Fabriken in Mittel- und Osteuropa gesteckt. Rund 100.000 Arbeitsplätze sind damit zwischen Tallin und Ljubljana entstanden. Die neuen EU-Länder sind zur wichtigsten Zielregion für deutsche Investitionen geworden, sagt Peter Korn vom Deutschen Industrie und Handelskammertag.

    " Wir brauchen das, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Wenn wir nicht Kostenvorteile in Osteuropa in Niedriglohnländern und in Ländern mit niedrigen Kosten ausnutzen, können wir zuhause auch nicht mehr die Geschäfte aufrechterhalten. Nur die Kombination aus beidem, Zulieferung aus Fertigungen deutscher Unternehmen in Osteuropa erlaubt überhaupt noch, vom teuren Kostenstandort Deutschland aus zu produzieren. "

    Doch woher kommt dann der weit verbreitete Eindruck, dass deutsche Unternehmen reihenweise ihre Produktion ins billigere Ausland verlagern würden, vorzugsweise nach Osteuropa? Denn die Zahlen sprechen eine andere Sprache.

    100.000 neue Arbeitsplätze im Osten, verteilt über zehn Jahre, das heißt, dass pro Jahr höchstens 10.000 Arbeitsplätze verlagert wurden. Auch die vier Milliarden Euro, die deutsche Betriebe im Osten investiert haben, sind nicht wirklich dramatisch. Vier Milliarden, das ist nicht einmal ein Prozent der gesamten Investitionen deutscher Unternehmen in dieser Zeit.

    Die Erklärung ist vermutlich woanders zu suchen. Fast alle größeren Firmen haben in den letzten Jahren öffentlich über die Verlagerung ihrer Fertigungsstätten geredet. Bei Volkswagen, Siemens, Bosch und vielen anderen gehört der Hinweis auf die Produktion im Ausland zum Standardrepertoire aller Lohnverhandlungen. Nach dem Muster: Wenn ihr zuviel verlangt, lassen wir die Autos in Bratislawa bauen.

    In fast allen Fällen haben Gewerkschaften und Betriebsräte schließlich nachgegeben. Die Produktion blieb weitgehend in Deutschland, allerdings mit real sinkenden Löhnen. Was verlagert wurde, waren vor allem die einfachen Arbeiten, für die kein großer Kapitaleinsatz notwendig ist. Diese Jobs, darüber sind sich Wirtschaftswissenschaftler einig, wären in einem Hochlohnland wie Deutschland ohnehin nicht lange zu halten.

    Nach allen Prognosen werden die neuen EU-Länder noch einige Jahre lang sehr hohe Wachstumsraten haben. In dieser Zeit werden dort auch die Löhne steigen und sich langsam an den EU-Durchschnitt angleichen. Dann werden sie dieselben Probleme haben wie die alten EU-Länder.