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"Die Diskussion wird wieder kommen"

Der Präsident der Deutschen Hochschulrektorenkonferenz, Horst Hippler, geht davon aus, dass die Bundesländer langfristig wieder Studiengebühren einführen werden. Angesichts steigender Studentenzahlen und der Schuldenbremse seien die Hochschulen nicht anders finanzierbar.

Horst Hippler im Gespräch mit Doris Simon | 17.01.2013
    Doris Simon: Wenn innerhalb von zwei Wochen mindestens 940.000 Bayern das Volksbegehren gegen Studiengebühren unterschreiben, dann ist der Weg frei für einen Volksentscheid gegen die ungeliebte Gebühr. Auch im niedersächsischen Landtagswahlkampf sind 500 Euro halbjährliche Studiengebühren ein heiß diskutiertes Thema. Es waren mal sieben Bundesländer, die nach dem grundsätzlichen Ja des Bundesverfassungsgerichtes diese Studiengebühren eingeführt hatten; jetzt sind es eben nur noch die zwei. – Am Telefon ist nun Professor Horst Hippler, Präsident der Hochschulrektorenkonferenz. Guten Morgen!

    Horst Hippler: Ja schönen guten Morgen.

    Simon: Herr Professor Hippler, sind Studiengebühren ein Konzept, das in Deutschland einfach nicht funktioniert?

    Hippler: Wir reden ja von Studienbeiträgen und nicht von Gebühren, denn wir sind ja von den Gebühren und der vollen Finanzierung weit, weit entfernt. Ich denke, es muss funktionieren, es wird auch funktionieren, weil die öffentliche Hand gar nicht in der Lage sein wird, bei den steigenden Studierendenzahlen das weiterhin zu finanzieren.

    Simon: Aber wir hatten wie gesagt mal sieben, jetzt sind es nur noch zwei, und die sind es vielleicht demnächst auch nicht mehr. Wo nehmen Sie die Zuversicht her, dass wir demnächst wieder Studienbeiträge oder Gebühren haben werden?

    Hippler: Die Zuversicht kommt schon aus der Schuldenbremse, aus den Sparmaßnahmen, aus den Sparzwängen, und es ist überhaupt nicht einzusehen, dass ein junger Mensch, der in seine Ausbildung, in seine Zukunft investiert, dort nicht einen eigenen Beitrag leistet, zumal im Gegensatz dazu Kindergärten und Tagesstätten bezahlt werden müssen. Das ist eigentlich die falsche Reihenfolge. Chancengleichheit muss ganz vorne sein, es muss jeder ganz vorne sozusagen die Chancen haben, in Tagesstätten und Kindergärten gehen zu können. Hinterher erst verzweigen sich die Wege und diejenigen, die das nutzen, können einen Beitrag zahlen.

    Simon: Aber, Herr Hippler, Sie sind auch im Studentenwerk im Präsidium. Sie erleben da dauernd die Härtefälle von Studenten, die große Probleme haben mit der Studiengebühr. Warum sind Sie trotzdem dafür?

    Hippler: Ich bin dafür, weil es andere Modelle gibt, wie man das bezahlen kann. Es ist vielleicht viel geschickter, die Studiengebühren nachlaufend zu entrichten und nicht sie sozusagen während des Studiums zu entrichten. Da kann es passieren, dass es teilweise teuer ist. Die Australier haben das vorgemacht, wie das auch funktioniert. Und ab einer bestimmten Einkommensgrenze, wenn man sein Studium erfolgreich abgeschlossen hat und einen guten Job hat, kann man der Gesellschaft ruhig einiges zurückgeben.

    Simon: Das wären die nachgelagerten Studiengebühren, die Sie angesprochen haben. Die haben wir nicht, wir haben sie vorgelagert. Und das Bundesverfassungsgericht zum Beispiel hat ja sein grundsätzliches Ja zu den Gebühren 2005 daran geknüpft, dass es entsprechende Stipendienregelungen gibt. Die gibt es aber nicht. Sollte man nicht das eine erst mal vor dem anderen machen, bevor man einfach weitermacht wie bisher?

    Hippler: Stipendien, das war die Forderung der Hochschulrektorenkonferenz am Anfang, dort quasi ein Stipendiensystem zu schaffen. Wir haben im Moment einen kleinen Einstieg in das Deutschland-Stipendium, was ein richtiger Weg ist, aber wir sind in Deutschland noch sehr, sehr weit davon entfernt, wirklich Stipendiensysteme so aufzubauen, dass sie uns da helfen können.

    Simon: Wie sieht es denn praktisch aus? Viele Studenten sagen ja, das Studium an Universitäten in Bundesländern ohne Studiengebühren sei gar nicht schlechter. Und wenn man zum Beispiel in die neuen Länder guckt, die erheben ja alle keine Studiengebühren, da schwärmen ja viele Studenten von den Studienbedingungen dort.

    Hippler: Ja gut, da ist die Nachfrage nach Studienplätzen auch nicht ganz so hoch wie in den alten Bundesländern. Aber wenn Sie jetzt nach Niedersachsen schauen, wie sich die Betreuungsrelation verändert hat seit der Einführung der Studienbeiträge, dann kann man doch nur staunen, dass das eigentlich funktioniert und dass eigentlich eine sehr, sehr große Zufriedenheit dort herrscht, weil man nämlich aufgrund der Studienbeiträge sehr viel mehr Personal einstellen kann und die Studierenden auch sehr viel besser betreuen kann.

    Simon: Aber wenn all diese Argumente, die Sie jetzt gebracht haben, zusammengenommen werden und man hört immer wieder herum in den Unis, am Ende ist es trotzdem so, dass es nicht hoch geschätzt wird. Deswegen noch mal die Frage: Ist das ein Konzept, das für Deutschland jedenfalls jetzt in der Form noch nicht greifen kann?

    Hippler: Ich bin nicht der Meinung, dass das an den Universitäten nicht hoch geschätzt wird. Da sieht die Situation doch sicherlich anders aus. Die Gegner erheben natürlich viel lauter ihre Stimme als diejenigen, die sagen, das ist sehr gut, wir können damit sehr gut leben und wir haben davon auch was, wir haben auch etwas davon. Ich bin nicht davon überzeugt, dass es tatsächlich von einer breiten Mehrheit getragen wird, zumal das alte Argument, ich möchte es noch einmal wiederholen, dass eine Krankenschwester die Ausbildung ihres Chefarztes bezahlt, halte ich für eigentlich nicht sozial.

    Simon: Aber tatsächlich ist es doch so, das können Sie nicht sagen, wir haben Probleme, dass wir zu wenig Studenten haben aus einkommensschwachen Schichten, und dass gerade die, die sich im Zweifel nicht auf ein Umfeld stützen können, was sie auffängt, wenn sie es mal nicht mehr schaffen, dass gerade die zögern, wegen der Hürde einzusteigen, das ist ja auch bekannt.

    Hippler: Da bin ich nicht so sicher, dass das die Studiengebühren sind, die sie sozusagen daran hindert, denn auch das belegt, dass in Bundesländern ohne Studiengebühren das Verhältnis einfach nicht anders ist als in Ländern mit Studiengebühren. Insofern stimmt dieses Argument nicht wirklich.

    Simon: Und was ist an dem Argument dran, dass ausländische Studenten natürlich auch deswegen nach Deutschland kommen, weil hier das Studieren nichts kostet und wir natürlich ausländische Studenten trotz unseres Sprachnachteils – angelsächsische Standorte sind interessanter – unbedingt brauchen?

    Hippler: Auch das Argument zieht nicht. Wenn Sie in die Länder schauen, die Studiengebühren haben oder auch hatten, der Ausländeranteil hat sich dort nicht verändert seit der Einführung der Studienbeiträge, denn diese Studienbeiträge sind ja nicht so in der Größenordnung, dass man daraus das gesamte Studium finanziert. Wir reden hier von tausend Euro im Jahr. Das ist sozusagen nichts anderes als 5000 Euro für die gesamte Ausbildung oder für das gesamte Studium, wenn man bis zum Master studiert; wenn man nur bis zum Bachelor studiert, sind es nur 3500 Euro. Ich denke mal, auch das ist keine Geldmenge, die jemand wirklich ins Nachdenken bringt, zumal es für ausländische Studierende natürlich auch Stipendienprogramme gibt, je nach Land, wo die Studierenden dann nun auch herkommen.

    Simon: Herr Professor Hippler, wenn Sie überzeugt sind, dass Studiengebühren über kurz oder lang wieder kommen, auch wenn sie im Augenblick gerade verschwinden aus der deutschen Studienlandschaft, wann wäre das Ihrer Meinung nach dann der Fall?

    Hippler: Ich denke, die Diskussion wird wieder kommen, wenn die Schuldenbremse zieht und wenn man sieht, dass an den Universitäten noch weiter gespart werden muss und an den Hochschulen weiter gespart werden muss, weil natürlich die Zahl der Studierenden weiter steigen soll und weiter steigen wird und das Steueraufkommen die Länder gar nicht in die Lage versetzt, das tatsächlich zu finanzieren – es sei denn, man kommt in eine andere Situation, man ändert das Grundgesetz, dass der Bund sich beteiligen kann und dann sozusagen die Grundfinanzierung der Hochschulen so weit unterstützt, dass man mit den wachsenden Studierendenzahlen tatsächlich auch umgehen kann. Wir brauchen ja mehr akademisch ausgebildete junge Leute für unsere Wirtschaft, seien es nun deutsche oder seien es nun Studierende aus dem europäischen Raum oder aus dem nichteuropäischen Ausland. Wir brauchen sie und das muss irgendwie finanziert werden.

    Simon: Professor Horst Hippler war das, der Präsident der Hochschulrektorenkonferenz. Herr Hippler, vielen Dank!

    Hippler: Ja danke schön!


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.