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Die Elektronenzählmaschine

Physik. - Elektrischer Strom fließt, wenn sich Elektronen durch ein Kabel bewegen. Das weiß die Fachwelt seit mehr als 100 Jahren und jeder Schüler lernt es im Physikunterricht. Ein gewöhnlicher Stromzähler misst allerdings nur einen steten Stromfluss - einzelne Elektronen kann er nicht erkennen. Genau das ist aber jetzt einem Forscherteam aus Schweden geglückt. Auf der Konferenz der Amerikanischen Physikalischen Gesellschaft in Los Angeles stellt es in dieser Woche seine Elektronenzählmaschine von enormer Präzision vor.

Von Frank Grotelüschen | 23.03.2005
    Wie ein Erbsenzähler sieht Per Delsing eigentlich nicht aus. Dafür aber ist er ein ausgesprochener Elektronenzähler. Gemeinsam mit seinem Team von der Technischen Universität Chalmers in Göteborg hat Delsing einen Schaltkreis entwickelt, der elektrischen Strom erstmals portionsweise misst - Elektron für Elektron.

    Mit einem gewöhnlichen Kupferkabel lässt sich so etwas nicht machen. Das nämlich ist so breit, dass sich die Elektronen nebeneinander durch den Draht drängeln wie die Läufer beim New-York-Marathon auf einer breiten Avenue. Weder Läufer noch Elektronen lassen sich so vernünftig abzählen. Deshalb schickt Delsing die Elektronen durch eine enge Gasse, konkret durch eine Kette von winzigen Metallinseln. Hier passen keine zwei Elektronen nebeneinander. Sie müssen sich also brav einreihen und eine Kette bilden ähnlich wie eine Perlenschnur - ideal zum Abzählen.

    " Dann fließen die Elektronen in einen extrem empfindlichen Zähler für elektrische Ladungen, sagt Delsing. Es ist ein Transistor, ein elektronischer Schalter, der mit einzelnen Elektronen funktioniert. Wenn die Elektronen durch diesen Transistor fließen, werden sie Stück für Stück abgezählt."

    Damit das funktioniert, müssen die Forscher unter anderem die elektrische Spannung, die sie an ihren Elektronenzähler anlegen, extrem konstant halten. Und:

    " Wir müssen bei sehr niedrigen Temperaturen arbeiten, bei einem Zweihundertstel Grad Kelvin über dem absoluten Temperaturnullpunkt bei minus 272 Grad Celsius."

    Das Ergebnis ist eine Kurve mit lauter ausgeprägten Zacken - jede Zacke steht für ein Elektron. Pro Sekunde zählt der Chip Hunderttausende von Elektronen.

    " Mit unserer Methode lässt sich elektrischer Strom viel genauer messen als mit den üblichen Verfahren. Vielleicht können wir eines Tages sogar ein Elektron pro Sekunde erfassen. Das wäre ein Bereich, den noch keiner betreten hat."

    Wichtig könnte der schwedische Stromzähler für die Labors der Nanotechnologie werden. Hier geht es schließlich darum, kleinste Größten möglichst präzise zu messen. Doch auch als neuer Standard könnte er eines Tages taugen - und zwar für die Einheit des elektrischen Stroms, das Ampere.

    " Die Definition der Stromstärke ist zurzeit noch ziemlich seltsam, sagt Delsing. Man stellt sich zwei unendlich lange Drähte vor, unendlich dünn, exakt einen Meter voneinander entfernt. Dann schickt man einen Strom durch die Drähte, und in dem Augenblick, wenn sich die Drähte mit einer ganz bestimmten Kraft anziehen, ist der Strom genau ein Ampere stark. Und das ist eine ziemlich dumme Definition für den Strom."

    Da läge es doch viel näher, das Ampere einfach durch eine bestimmte Zahl von Elektronen festzulegen, die in einer gewissen Zeit durch ein Kabel fließt. Damit ließe sich elektrischer Strom deutlich präziser eichen als bislang. Hat denn Per Delsing schon in Paris angerufen und seine Idee dem Internationalen Büro für Maße und Gewichte unterbreitet?

    " Nein, also das haben wir noch nicht gemacht."

    Aber, fügt er hinzu, das könne ja noch kommen.