Donnerstag, 25. April 2024

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"Die Energiewende wird es nicht zum Nulltarif geben"

"Wir müssen jetzt gerade ökologisch schädliche Subventionen abbauen," sagt der grüne Bundestagsabgeordnete Sven-Christian Kindler, der sich als Mitglied des Haushaltsausschusses mit den Kosten für einen Atomausstieg beschäftigt: 48 Milliarden Euro seien einsparbar.

Sven-Christian Kindler im Gespräch mit Tobias Armbrüster | 13.04.2011
    Tobias Armbrüster: Wir bleiben hier im Deutschlandfunk noch weiter bei den Auswirkungen der Reaktorkatastrophe in Japan. Knapp fünf Wochen nach dem Unglück in Fukushima geht es in der Atomdebatte hier bei uns in Deutschland inzwischen ans Eingemachte. Dass ein schneller Ausstieg aus der Atomenergie kommen muss, darüber scheint es inzwischen auch in der Bundesregierung kaum noch Unklarheiten zu geben. Gestritten wird nun aber darüber, wer die Kosten dieses Umstiegs schultern soll. Kosten entstehen ja unter anderem durch Investitionen und auch Subventionen für Windräder und Solarkraftwerke, und natürlich müssen irgendwie auch die Hausbesitzer dazu gebracht werden, Gebäude zu sanieren, denn wir wissen, durch Wärmedämmung allein lässt sich eine Menge Energie und damit auch Geld sparen. Also: Wer soll das alles zahlen und ist die Bundesregierung auf dem richtigen Weg? – Am Telefon ist Sven-Christian Kindler, Finanzpolitiker der Grünen im Deutschen Bundestag. Schönen guten Morgen.

    Sven-Christian Kindler: Guten Morgen, Herr Armbrüster.

    Armbrüster: Herr Kindler, wer soll die Rechnung für den Atomausstieg übernehmen?

    Kindler: Es ist klar, die Energiewende wird es nicht zum Nulltarif geben. Und trotzdem ist es so, dass sie natürlich dringend notwendig ist, technisch sowieso schon lange möglich, aber auch finanzierbar ist. Das heißt, wir müssen jetzt gerade ökologisch schädliche Subventionen abbauen, um dafür auch dann den ökologischen Umbau zu finanzieren. Wir haben – das hat das Umweltbundesamt festgestellt – 48 Milliarden Euro Subventionen, die umweltschädlich sind, die den Klimawandel befeuern, die wir abbauen müssen. Das betrifft zum Beispiel reiche Subventionen bei der Ökosteuer, das ist das Dienstwagen-Privileg für große Spritschlucker, das sind Subventionen bei der Flugindustrie, und die können wir gut abbauen, damit Umweltpolitik betreiben und gleichzeitig eben auch den ökologischen Umbau im Bereich von erneuerbaren Energien, ökologischer Wärme, oder Gebäudesanierung finanzieren.

    Armbrüster: Können wir denn im Ernst allein mit dem Abbau von Subventionen diese ungeheuere Kraftanstrengung leisten, diesen Umstieg von Atomenergie auf erneuerbare Energien?

    Kindler: Einerseits betrifft das den Haushalt, und da kann man im Haushalt kurzfristig zehn Milliarden Euro sofort abbauen, die wir dann gezielt in Programme zur Gebäudesanierung, zur Energieeffizienz, zur Förderung erneuerbarer Energien, auch in der Forschung einsetzen können. Gleichzeitig wissen wir, dass der Umstieg alleine auf erneuerbare Energien durch den Atomausstieg natürlich auch kurz-, mittelfristig, aber besonders langfristig volkswirtschaftlich für uns viel billiger kommt, weil wir die Atomenergie mit 200 Milliarden Euro seit 1950 subventioniert haben. 200 Milliarden Euro Subventionen im Bereich von der nicht vollständigen Haftung, dadurch, dass die Rückstellungen steuerfrei gestellt werden in einen Fonds, der intransparent ist, der Bundesrechnungshof hat noch mal gesagt, die Rückstellungen der Atomkonzerne, die sie selber verwalten, das ist intransparent, fehlende Kontrolle, und deswegen müssen diese Gelder auch in einen öffentlich-rechtlichen Fonds aus unserer Sicht überführt werden. Wir haben Subventionen bei den externen Kosten, weil die Atomkonzerne zum Beispiel sich nicht bei der Finanzierung der Sanierung des Endlagers, der Asse beteiligen, das momentan ja noch ein Zwischenlager ist. Also da sind ganz viele Kosten, die durch die Atomenergie sowieso schon entstanden sind, und wir wissen andererseits, dass erneuerbare Energien gerade volkswirtschaftlich auch vorteilig sind, weil sie viele Arbeitsplätze schaffen, 300.000 sind in der Branche erneuerbare Energien bisher entstanden.

    Armbrüster: Herr Kindler, wenn ich Sie da kurz unterbrechen darf. Sie sprechen jetzt den Abbau von Subventionen an. Das ist natürlich ein starker Punkt, und wenn Subventionen abgebaut werden, dann kann man immer davon ausgehen, dass die Industrie das auf die Verbraucher umlegen wird. Müssen wir uns dann auf höhere Preise einstellen?

    Kindler: Ich glaube, dass wir uns mittelfristig auch nicht auf viel größere und höhere Preise einstellen müssen.

    Armbrüster: Aber der Strom wird teurer, das können Sie sagen?

    Kindler: Strom ist in der Vergangenheit auch schon teurer geworden, aber nicht unbedingt aufgrund der erneuerbaren Energien. Ich meine, durch das EEG haben wir eine Umlage, die sinnvoll ist, die die Kosten der erneuerbaren Energien auch finanziert, aber gleichzeitig auch degressiv ist, also regelmäßig überprüft wird. Aber die hohen Kosten im Strombereich kommen natürlich auch aus einer Oligopolstruktur. Wir haben vier große Konzerne in Deutschland, die betreiben eben viele Kohlekraftwerke und Atomkraftwerke und haben eine marktbeherrschende Stellung, und die Bundesregierung hat mit der Laufzeitverlängerung diese Oligopolstruktur und diesen mangelnden Wettbewerb auf dem Strommarkt gestärkt, und deswegen ist der Atomausstieg auch aus volkswirtschaftlicher Sicht, auch aus Wettbewerbsgründen extrem notwendig, um die Preise da auch stabil zu halten.

    Armbrüster: Nun haben, Herr Kindler, die Atomkonzerne in dieser Woche die Zahlungen in den Ökofonds eingestellt. Das waren Zahlungen, zu denen sie sich im vergangenen Herbst bei der Laufzeitverlängerung verpflichtet haben. Ist diese Zahlungseinstellung für Sie als Finanzpolitiker ein korrekter Vorgang?

    Kindler: Es war von Anfang an ein Riesenfehler, dass Schwarz-Gelb auch die Finanzierung des ökologischen Umbaus zum Teil sich von den Atomkonzernen wollte bezahlen lassen beziehungsweise sich davon abhängig gemacht hat. Man hat ja gesehen, die haben keine andere Finanzierungsquelle, sie wollen eben keine ökologisch schädlichen Subventionen in dem Ausmaß abbauen, deswegen wollten sie eben auf Zahlungen der Atomkonzerne zurückgreifen als Koppelgeschäft, als Deal mit den Laufzeitverlängerungen. Und jetzt ist es so, dass die Konzerne, wenn Atomkraftwerke vorübergehend stillgelegt werden, diese Zahlungen aus unserer Sicht juristisch nicht einstellen können, wenn sie dauerhaft stillgelegt werden, was ja unser Ziel ist. Wir wollen ja so schnell wie möglich raus aus der Atomenergie, wir wollen ja jetzt auf jeden Fall die sieben ältesten AKW plus den Schrottmeiler Krümmel sofort endgültig und auch dauerhaft stilllegen. Die dürfen nicht wieder ans Netz gehen. Deswegen wäre das schon in dem Fall richtig. Aber es gibt ja noch andere AKW, die wenigstens kurzfristig, vielleicht noch ein paar Jahre laufen werden. Dafür dürfen sie diese Zahlungen dann nach dem Deal, den die schwarz-gelbe Bundesregierung gemacht hat, nicht einstellen. Grundsätzlich ist es aber so, dass vor allen Dingen es bei erneuerbaren Energien darum geht, dass man Planungssicherheit hat, Investitionssicherheit hat, und deswegen braucht man einen schnellen Atomausstieg, damit dann Milliarden-Investitionen der privaten Betreiber auch in erneuerbare Energien kommen können, damit die wissen, wir gehen so schnell wie möglich aus der Atomkraft raus, spätestens dann nach unseren Vorstellungen bis 2017.

    Armbrüster: ... , sagt Sven-Christian Kindler, Finanzpolitiker der Grünen im Deutschen Bundestag. Ich danke Ihnen vielmals für das Gespräch, Herr Kindler.

    Kindler: Vielen Dank.

    Atomkraft (dradio.de-Sammelportal)
    Sendereihe "Atomkraft - wie bitte?"