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Die Engoma - ein Kommunikationsmittel

Im ostafrikanischen Uganda leben 30 verschiedene ethnische Gruppen. Dementsprechend hat jede Ethnie ihre eigenen Rhythmen, Tänze, Kostüme, gesungenen Texte und Musikinstrumente. Dazu gehören Engomas, Xylofone und seit der WM in Südafrika auch die Vuvuzelas.

Von Janina Labhardt | 24.02.2013
    Trotz brütender Mittagshitze kennt der Marktplatz in Kampala keine Ruhe: Marktfrauen bieten Maiskolben und gekochtes Huhn feil, junge Männer streiten lautstark und nehmen sich eine Minute später in die Arme, sechsjährige Kinder tragen ihr Geschwister im Huckepack umher, der Verkehr rollt pausenlos, Autos, Lastwagen und Motorroller stoßen Rußwolken aus. Wir steigen auf ein Boda - das ist ein Motorradtaxi in Uganda - und fahren auf einer Schnellstraße stadtauswärts. Hier am Stadtrand zwischen bewachten Botschaftshäusern und noblen Parkanlagen liegt das Nationalmuseum von Uganda. Vor Kurzem sind in den Museumsräumen Kindernachmittage ins Leben gerufen worden: Kinder zwischen drei und zehn Jahren trommeln, singen und tanzen weiter hinten auf dem Museumsareal.

    Unter Schatten spendenden Palmen begrüßt Adolf Ssempeera uns herzlich: Der Museumsguide führt Besucherinnen und Besucher durch das "Uganda Museum" in Kampala. In Vitrinen sind die typischen ugandischen Musikinstrumente ausgestellt: Trommeln, Flöten, achtsaitige Harfen, Leiern und einsaitige Fideln. Eine Musizierecke lädt zum Ausprobieren ein.

    Der Schulunterricht in Volksmusik fängt bereits früh an. Adolf Ssempeera erinnert sich an die Musikwettbewerbe an der Schule:

    "Unsere Wettbewerbe, speziell in der Grundschule, machten uns viel Spaß. Wir bereiteten uns auf ein Lied vor, das es auszugestalten galt. Am großen Tag des Konzertes wurden diejenigen Schülerinnen und Schüler ausgewählt, die am besten tanzen, Trommel spielen, singen und das Publikum unterhalten konnten. Das war die Chance, unser Talent zu zeigen."

    Der Museumsführer kann aus eigener Erfahrung sprechen: Er wurde in seiner Jugend ein paar Mal als bester Perkussionist ausgezeichnet.

    Der Dokumentarfilm "War Dance" aus Norduganda ist 2007 in unseren Kinos gelaufen. Er zeigt, wie drei Kinder im bürgerkriegsgeplagten Land an einen nationalen Musikwettbewerb eingeladen werden.

    Der Körper der traditionellen ugandischen Trommel - "Engoma" genannt - ist so groß wie ein Fass, aus Kieferholzplatten zusammengesetzt und mit einer Kuhhaut bespannt. Adolf Ssempeera setzt sich an zwei traditionelle Engomas.

    Diese Trommel wurde ursprünglich während der Feldarbeit verwendet: Sie begleitete den Gesang, der die Leute anleitete, wie sie die Felder bewirtschaften sollen. Die Musik diente also in früheren Zeiten zur Informationsvermittlung - ein mehrstimmiger Gesang begleitet von Trommelschlägen. Aber nicht nur:

    "Im Fall einer lauernden Gefahr gibt es einen Rhythmus, der alarmiert, der alle aufweckt und herruft."

    Manchmal erklingt diese traditionelle Musik noch heute auf dem Land, besonders sonntags stimmen Dorfbewohner die alten Melodien und Rhythmen an.

    Natürlich sind nicht bloß traditionelle Volksmusik in Uganda zu hören: Es gibt eine große Palette an Hip-Hop, Blues-, Jazz-, Pop- und Reagge-Musik.

    Im "Uganda Museum” in Kampala hängt eine große Landkarte von Uganda, auf der über 30 verschiedene ethnische Gruppen eingezeichnet sind. Jede Ethnie hat ihren eigenen traditionellen Musik- und Tanzstile. Wir picken ein paar markante Merkmale von bekannten Ethnien aus dem Zentrum, dem Westen und aus dem Osten Ugandas heraus:

    Der Museumsführer selbst, Adolf Ssempeera, stammt aus einem kleinen Dorf in der Bantu-Region, in Zentral-Uganda:

    "Das Xylofon aus dem Landesinneren von Uganda spielt bei jedem Musikfest eine zentrale Rolle: Es ist das erste Instrument, das gespielt wird, es eröffnet ein Lied, bevor die anderen Instrumente einsetzen."

    Kurzerhand setzt sich Adolf Ssempera an das circa ein Meter lange Xylofon und nimmt zwei Schlägel.

    Das Xylofon ist nicht nur für die Musiker der Auftakt, sondern auch für die Tänzerinnen:

    "Dieser Tanzstil heißt Bagsimbamogola und ist typisch für Zentraluganda: Die Frauen bewegen dabei ihre Taillen und Füße so, als würden sie zusammenbrechen. "

    Die Tänzerinnen und Tänzer klatschen und stampfen zum Rhythmus und tragen zusätzlich Holzrasseln und Glocken. Sie bewegen den ganzen Körper, schütteln die Hüften schnell hin und her, schwingen die Arme hoch und machen riesige Sätze nach vorne und zurück.

    Im Westen Ugandas sehen die Musikinstrumente zwar gleich aus wie in Zentral-Uganda, aber der Dialekt der ugandischen Sprache Luganda unterscheidet sich sehr deutlich. Die Musikerinnen und Musiker singen andere Texte und auch die Rhythmen und die Tanzart sind ganz anders als im Landesinneren.

    "Die Tänzerinnen und Tänzer tragen in Westuganda lange Kleider, in denen sie sich sanft und schweigsam zur traditionellen Musik bewegen. Gleichzeitig ist die Bewegung so schnell, dass es aussieht, als wollten sie losfliegen. Sie tanzen wie im Flug - was auch der Name des Tanzes bedeutet."

    Auch im Osten Ugandas gibt es unzählige Ethnien, die unterschiedliche Musiktraditionen pflegen. Eine heißt Bagishu. Diese Musik wird anlässlich der Initiationsriten von Jungen in den Kreis der Männer gespielt, der sogenannte "Empalu"-Tanz:

    "Sie tanzen so erfrischend, sie strotzen vor Energie, sie springen und hüpfen in kleinen Schritten."

    Die ugandischen Musiktraditionen wurden maßgeblich beeinflusst von Musikstile aus dem alten Ägypten und Griechenland. Die ersten Musikinstrumente sind 4000 vor Christus in Uganda gebaut und in die nationale Musik eingeflochten worden. Der Museumsführer Adolf Ssempeera deutet auf Trompeten, die aus dem geschwungenen Antilopengeweih oder sogar aus dem stumpfen Horn des Nashorns gemacht sind. Entweder blasen die Musiker diese Hörner wie eine Natur-Trompete ohne Ventile und Klappen oder sie bringen zusätzlich Löcher an den Seiten an, sodass wie bei Flöten die Tonhöhe variiert werden kann.

    "Diese große Trompete wird von vielen Leuten besonders an Festivals gespielt. Dann ist von allen Seiten dieser hohe Ton zu hören."

    In den Reihen der ostafrikanischen Blasinstrumente fallen ausgehöhlte Baumstämme auf, die an Schweizer Alphörner erinnern. Zudem gibt es die Vuvuzelas, die spätestens seit der südafrikanischen WM auch in Europa bekannt sind ...

    Schwingen wir uns wieder auf ein Boda und kehren zurück ins Zentrum von Kampala. Inzwischen hat die Dämmerung eingesetzt: Auf dem Marktplatz zünden die Verkäuferinnen kleine Feuer an. In den Lichtpegeln der knisternden Feuer huschen große Schatten vorbei.