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Die Entwicklung von Partnerschaften und Familienleben

In der Pairfam-Studie erforschen Wissenschaftler die Themen Partnerschaft und Kinderwunsch. Diese werden immer fragiler, alles unterliegt der Freiheit der Wahl.

Von Ingeborg Breuer | 30.08.2012
    "- Markus S: "Treue, die Ehrlichkeit, dass man auch Zeit füreinander hat, wenn man einen Job hat, der bis fünf oder bis sieben Uhr geht. Dass man den Abend noch miteinander verbringt, das finde ich ganz schön."
    - Ulrike M: "Auch eine gewisse Toleranz und sich selbst nicht an die erste Stelle setzen und von daher, so eine Grundhaltung, die nicht egozentrisch ist und den Wert von einer Beziehung und Harmonie hochschätzt."
    - Anna B: "Für mich würde es keinen Sinn machen, in einer Beziehung zu sein, ohne eine Zukunft vor Augen zu haben. Also natürlich, wir würden natürlich gerne 'für immer dein' sein.""

    Trotz wachsender Singlezahlen, Lebensabschnittspartnerschaften und "sequenzieller Monogamie" – die Liebesideale der Deutschen haben sich kaum gewandelt. Spaß miteinander haben, sich gegenseitig unterstützen, sich treu bleiben, zusammen alt werden, das ist nach wie vor der Traum von vielen.

    Marie S: "Also, Kinder wollen wir schon."

    Und Kinder, ja Kinder gehören für die meisten auch dazu. Doch nie klafften Wunsch und Wirklichkeit so deutlich auseinander wie heute. Die Scheidungszahlen steigen, die Kinderzahlen gehen zurück. Zunehmend erforschen deshalb auch Wissenschaftler die Bedingungen fürs private Glück. Und eines scheint schon einmal klar, so Professorin Sabine Walper, Forschungsdirektorin am Deutschen Jugendinstitut München, und in der Pairfam-Studie zuständig fürs Thema "Partnerschaft": Kate Winslet und Leonardo di Caprio auf der Titanic waren ein hinreißendes Liebespaar. Doch wäre das Schiff nicht gesunken, hätten sich die Wege der reichen, verwöhnten Rose und des mittellosen Jack höchstwahrscheinlich schnell getrennt.

    "Das ist ein lang bekanntes Phänomen, dass Partnerschaften sich nach Ähnlichkeit sortieren. Und das ist vor allem die Ähnlichkeit des sozialen Status, des Bildungshintergrunds. Das scheint wichtig zu sein, dass man sich auf Augenhöhe begegnet. Was Persönlichkeitseigenschaften angeht, finden wir gar nicht so viel Ähnlichkeit."

    Partner müssen nicht in allem übereinstimmen. Wer eher schwach ist, hätte vielleicht gern einen starken Partner, ein Pessimist sucht möglicherweise eine Optimistin. Doch ein ähnliches Maß an Zuverlässigkeit, an Offenheit für Neues und an Verträglichkeit erhöht die Chance aufs dauerhafte Glück.

    "Das, was Betreffende immer wieder sagen, ist, dass der Partner ehrlich sein soll, verlässlich sein soll, treu, also diese Dinge spielen eine größere Rolle. Auf der andern Seite auch eine gewisse Flexibilität, wie man Arbeiten verteilt, wie die Rollenvorstellungen sind, damit die Partnerschaft auch anpassungsfähig bleibt."

    Romantische Gefühle und der Rausch der Sinne sind es, die aus zwei Menschen ein Paar machen. Doch dass die beiden dann ein Paar bleiben, das ist wohl eher soliden, wenn nicht gar biederen Verhältnissen geschuldet. Das heißt zum Beispiel: Lebenspartnerschaften sind instabiler als Ehen. Zweitehen instabiler als Erstehen. Und "Investitionen" ins gemeinsame "Unternehmen", die aus zwei Individuen ein "Wir" machen, verhindern schnelles Weglaufen bei Gefühlseinbrüchen.

    "Die gemeinsamen Investitionen, die man tätigt, die einen zusammenhalten, das gemeinsame Haus, das gemeinsame Kind, selbst der gemeinsame Hund. Auch das sind alles Faktoren, die Trennungshürden höher hängen."

    Ehen mit Kindern sind am wenigsten trennungsgefährdet. Was allerdings nicht unbedingt heißt, dass sie auch glücklich sind. Dazu Dr. Petra Buhr, Soziologin an der Universität Bremen, die sich im Pairfam-Projekt mit Elternschaftsentscheidungen beschäftigt.

    "Durch das erste Kind ändert sich die Partnerschaft. Es ändert sich die Interaktion, es wird weniger miteinander geredet, auch die Zärtlichkeit und Intimität nimmt ab. Was auch belegt ist, dass dann die Arbeitsteilung zwischen den Paaren deutlich traditioneller wird. Wobei wir interessanterweise festgestellt haben, dass gerade eine schlechte Partnerschaftsqualität den Kinderwunsch bei Frauen beflügeln kann. Das ist mal als "Versöhnungsengelchen" bezeichnet worden - müsste man mit weiteren Daten überprüfen."

    Kinder schaffen stabile Verhältnisse. Aber eben auch Stress. Und Stress, da sind sich die Forscher einig, ist der größte Beziehungsfeind. Dr. Sandra Konrad, Mitautorin des Buches "Der geheime Code der Liebe", weiß das durch ihre Arbeit als Paartherapeutin:

    "Paare kommen zu mir, wenn Leidensdruck da ist. Alltagsstress gehört dazu, dass Paare sehr belastet werden. Sei es ein Umzug oder ein neuer Job oder Arbeitslosigkeit. Oder ein Kind ist oft eine Bombe. Oder das zweite Kind. Dann wieder das Austarieren der verschiedenen Rollen. Das führt zu Stress, wenn nicht genug miteinander gesprochen wird, zu Missverständnissen. Und wenn schlecht miteinander gesprochen wird, dann zu Verletzungen."

    Welche Chancen ein Paar hat, zusammenzubleiben oder auch nicht, hängt vor allem davon ab, wie es diesem Stress begegnet. Verirrt es sich in destruktiven Streitereien, die eine Abwärtsspirale forcieren? "Vier apokalyptische Reiter" macht der amerikanische Psychologe John Gottmann beim Streiten aus, die eine Beziehung an den Rand der Trennung führen: Kritisieren und Nörgeln, den Partner geringschätzen und selber mauern.

    Konrad: "Wenn es zwei Partner sind, die gut miteinander kommunizieren können, dann wird es ihnen besser gelingen, den Stress abzufangen. Wenn dann aber Paare fast untergehen vor Alltagsstress und dann kaum noch Zeit vorhanden ist, miteinander die 'Quality Time' zu verbringen, dann wird es schwierig. Ich bin manchmal erschrocken, wie viele Jahre in Partnerschaften vergehen können, ohne dass Paare sich diese Zeit nehmen."

    Was Paare stärkt, sei die Fähigkeit, gemeinsam Druck von außen abzufedern. Diese Fähigkeit trägt wohl den größten Teil zur sogenannten "Resilienz" in Beziehungen bei. Das heißt, sich auch bei hoher Belastung nicht unterkriegen zu lassen.

    "Also, auf der individuellen Ebene spielt so was wie Stressresistenz eine große Rolle für die Partnerschaft, ob man Ruhe bewahrt. Oder empfindlich reagiert, jede Kleinigkeit zum Zündfunken für einen großen Streit wird oder ein großes Zerwürfnis. Da ist die eigene Fähigkeit, Spannungen abzubauen, sie abzufangen, das sind ganz entscheidende Ressourcen."

    Eine stabile Partnerschaft ist meistens auch Voraussetzung zur Realisierung eines vorhandenen Kinderwunsches. Und dass viele Deutsche nach wie vor gern Nachwuchs hätten, bestätigen auch die Ergebnisse des Pairfam-Projekts "Elternschaftsentscheidungen". Warum gibt es dann trotzdem so wenige Kinder? Dr. Petra Buhr:

    "Also Paare, die aus biologischen Gründen keine Kinder bekommen können, das ist eine relativ kleine Gruppe. Dann haben wir die Gruppe der bewusst Kinderlosen, das sind die, die schon früh im Lebensalter entscheiden, ich möchte kein Kind. Und die größte Gruppe von den Kinderlosen, das sind die, die werden als 'Aufschieber' bezeichnet, die eigentlich Kinder wollen, aber immer weiter aufschieben."
    Und warum schieben die Menschen ihre Kinderwünsche auf? Ein wesentlicher Grund dafür ist, so Petra Buhr, dass der oder die 'Richtige' fehlt.

    "Von denen, die jetzt kinderlos sind, die jetzt 40-Jährigen, da sind 30 Prozent der Frauen und 45 Prozent der Männer unverheiratete Singles oder nie verheiratete Singles. Also, das zeigt schon, dass gerade der Aspekt, dass man keinen Partner findet, oder nicht den geeigneten, das ist ein ganz wichtiger Punkt."

    Natürlich kollidiert der Kinderwunsch oft auch mit Karriereplänen. Und wenn die außerhäuslichen Betreuungsmöglichkeiten schlecht sind, dann wartet man eben mit dem Kinderkriegen. Oftmals, bis es zu spät ist – oder das Paar sich an sein kinderlosen Leben gewöhnt hat.

    "Ausbau der Kinderbetreuung und flexible Arbeitszeiten, sind die Großeltern in der Nähe: Das sind die Dinge, die den größten Zuspruch erhalten, vor allem von den Kinderlosen. Und wenn das passt, dann wird eine positive Entscheidung getroffen und wenn nicht, wird weiter aufgeschoben."

    Erstaunt war Petra Buhr allerdings darüber, dass die Angaben zur "idealen Zahl" der gewünschten Kinder stärker schwanken, als die Forscher ursprünglich angenommen hatten. Konkret: Wer heute am liebsten zwei Kinder hätte, will vielleicht nächstes Jahr doch nur noch eins.

    "Wenn man sich die einzelnen Befragten ansieht, sieht man eine große Veränderung, die uns auch selbst ein bisschen überrascht hat. Zum Beispiel selbst die ideale Kinderzahl, die wir als stabil eingeschätzt haben, ist gar nicht mal so stabil. Etwa ein Drittel der Befragten hat zwischen der ersten und dritten Welle diese Kinderzahl angepasst, sei es nach oben, sei es nach unten."

    Klar ist jedenfalls: Beziehungs- und Kinderwünsche sind heute fragiler denn je. Nichts ist mehr selbstverständlich, alles unterliegt der Freiheit der Wahl. Natürlich ist die Politik gefordert, familienfreundliche Bedingungen zu schaffen. Ob dann die Kinderzahlen aber wirklich wieder steigen? - Nun ja, das wird die Zukunft zeigen.