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Die erste Frau im Kabinett

Seine Kabinettsrunde begrüßte Bundeskanzler Adenauer mit immer den gleichen Worten: Guten Morgen, meine Herren. Daran hielt er auch fest, nachdem er Elisabeth Schwarzkopf vor 50 Jahren in die Regierung hatte aufnehmen müssen. Sie, so meinte er, solle sich einfach mitgemeint fühlen mit den "Herren".

Von Ruth Fühner | 14.11.2011
    "Die Sitzung ist eröffnet."

    14. November 1961. Im Bundestag wird ein neues Kabinett vereidigt.
    Erstmals ist eine Frau dabei: Dr. Elisabeth Schwarzhaupt, CDU. Die Presse interessiert am Gruppenbild mit Dame vor allem der modische Aspekt: Die frischgebackene Ministerin, die stets als "Minister" bezeichnet wird, ist zum Fototermin in dunklem Kleid, Pelzmütze und dreiviertellangem Persianermantel erschienen.

    Zwölf Jahre nach Gründung der Bundesrepublik war die Berufung einer Frau ins Kabinett mehr als überfällig – aber zustande kam sie nur unter Druck. Es brauchte eine Sitzblockade, ein "Sit-in" von CDU-Frauen vor dem Kabinettssaal, bis Bundeskanzler Konrad Adenauer nachgab. Elisabeth Schwarzhaupt selbst war eher überrascht von ihrer Berufung und machte sich keine Illusionen über die männlichen Seilschaften in der Politik:

    "In den Parteien und auch in den Fraktionen gibt es so etwas wie eine unbewusste Kameraderie der Männer. Die Frauen stützen einander auch. Ich meine, ich verdanke es einer Aktion von Frauen, dass ich damals Minister wurde."

    Elisabeth Schwarzhaupt kam 1901 in Frankfurt am Main zur Welt; ihr Vater war Oberschulrat und Abgeordneter der Deutschen Volkspartei im preußischen Landtag, die Mutter entstammte einer wohlhabenden Kaufmannsfamilie. Dass man dennoch den Pfennig umdrehte, hat Elisabeth Schwarzhaupt später als Vorteil empfunden – als Ministerin stand sie unter rigorosem Sparzwang.

    Vor allem aber gab ihr liberales Elternhaus ihr die Überzeugung mit auf den Weg, dass Frauen und Männer gleichberechtigt sein sollten. Kein Zufall also, dass sie nach dem Jurastudium zunächst als Beraterin bei einer Rechtsschutzstelle für Frauen arbeitete. 1932 schien sie ihr eigentliches Ziel, nämlich Richterin zu sein, erreicht zu haben – schon ein Jahr später wurde sie entlassen. Die Nazis duldeten keine Frauen im Justizsystem, und Elisabeth Schwarzhaupt übernahm bis in die Nachkriegsjahre hinein verschiedene höhere Positionen innerhalb der Evangelischen Kirche.

    1945 trat sie in die CDU ein, 1953 kandidierte sie für den Bundestag und 1957 opponierte Elisabeth Schwarzhaupt – anders als die Mehrheit auch der Frauen in der CDU – so vehement wie erfolgreich gegen eine Gesetzesklausel, die in ehelichen Streitfällen allein dem Mann das letzte Wort erteilte. Als Konrad Adenauer das "Kirchenfräulein", wie er sie hinter ihrem Rücken nannte, in die Regierung holte, da hätte das Justizministerium nicht nur ihrem Lebensthema, der Gleichstellungsfrage, am nächsten gelegen:

    "Ich wäre, offen gestanden, lieber Justizminister geworden, weil das sozusagen mein Handwerk war. Aber Adenauer meinte, eine Frau wäre zu weich, um die Härte in die Justiz zu bringen, die er für notwendig hielt."

    Stattdessen übernahm Elisabeth Schwarzhaupt eine Baustelle, das neugegründete Ministerium für Gesundheitswesen. Zehn Tage nach ihrem Amtsantritt wurde der Contergan-Skandal öffentlich; Elisabeth Schwarzhaupt brachte eine Erweiterung der Bundeskompetenzen bei der Zulassung von Arzneimitteln auf den Weg:

    "Ich bin auch der Meinung, dass wir das Arzneimittelgesetz etwas ändern sollten. Wir sollten dem Bundesgesundheitsamt die Befugnis geben, die Registrierung eines neuen Arzneimittels zu verweigern, wenn es selbst den Eindruck hat, dass die Untersuchungen, die vorgenommen worden sind von dem Hersteller, nicht ausreichend, nicht gründlich genug waren."

    Pionierarbeit leistete Elisabeth Schwarzhaupt aber auch in Sachen Umweltpolitik. Als erste setzte sie die Reinhaltung von Luft und Wasser auf die politische Agenda, auch die Kennzeichnung von Fremdstoffen in Lebensmitteln geht auf ihr Konto. Und noch einmal war sie die Erste – die erste Frau nämlich, die das Große Bundesverdienstkreuz erhielt. Doch so populär die Frau Minister war – in der CDU stieß sie immer wieder auf Unverständnis und Widerstände. 1966, als die Koalition mit der FDP zerbrach, reichte sie ihren Rücktritt ein. Doch sie blieb Mitglied des Bundestags und engagierte sich unter anderem in der Strafrechtsreform. Elf Jahre nach ihrem Tod 1986 setzte die Deutsche Bundespost der streitbaren Demokratin ein Denkmal und verewigte sie auf einer Briefmarke, Nennwert: 100 Pfennig.