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Die erste Vorlesung

Für Jura-Studentin Sophie Doering von der Freien Universität Berlin beginnt der Ernst des Studiums: An Tag 2 von Studienwoche 1 steht die erste Vorlesung auf dem Programm.

Von Jens Rosbach | 13.10.2009
    "Vorlesung heißt, ich will Ihnen Argumentationsweisen vorführen. Ich möchte Sie auch zu Widerspruch anregen - was für Juristen ganz wichtig ist. Diese ganze Geschichte lebt von der Auseinandersetzung, vom Ringen um das ... um das Richtige."

    "Einführung in das Öffentliche Recht": für Sophie Doering die allererste Vorlesung ihres Studiums. Die 19-Jährige sitzt mit gespitzten Ohren in der vierten Reihe eines Hörsaals der FU Berlin - umgeben von über 300 weiteren Erstsemestern. Sophie ist ausgerüstet mit Wasserflasche und Zettelblock und notiert fleißig, was Jura-Professor Philip Kunig über Grundgesetz, Gerichte und Gewaltenteilung erzählt: Neuland für die ehemalige Abiturientin.

    "Gerade bei einem Fach wie Jura hatte ich ziemlich große Angst, dass ich im Stoff vielleicht gar nicht mitkomme. Denn es gibt kein vergleichbares Fach in der Schule, zumindest nicht auf meiner Schule. Die Biologiestudenten haben es einfach. Die haben eben schon jahrelang in der Schule sich mit Biologie beschäftigt. Für mich als Jurastudentin ist das was ganz Neues. Aber ich bin mitgekommen und ich glaube, die vielen Notizen werden mir helfen, auch im Nachhinein noch zu verstehen, worum es ging."

    Nacharbeiten ist also angesagt. Und noch etwas fällt Sophie in der Vorlesung auf: An der Uni geht es viel anonymer zu als an der Schule.

    "Wenn ich jetzt mal zwei Wochen fehle, wird's keinem auffallen. Aber vielleicht ändert sich das ja auch noch, wenn man sich besser kennengelernt hat in den nächsten Wochen."

    Die gebürtige Berlinerin hat sich auf die erste Lehrveranstaltung gründlich vorbereitet: etwa durch die Teilnahme an "Ersti"-Orientierungstagen und durch die Lektüre ihres Jura-Studienführers. Die Broschüre enthält auch einen Stundenplan - mit allen Pflichtvorlesungen. Andreas Fijal, der Chef des zuständigen Studien- und Prüfungsbüros, hält nämlich nichts von freier Fächerwahl.

    "Wir haben das in der Vergangenheit erlebt, dass dann die Studierenden häufig desorientiert gerade durch die erste Phase ihres Studiums gehen. Und diese Desorientierung führt in der Regel zum Studienmisserfolg. So geben wir den Stundenplan vor, aber das heißt nicht, dass sich die Studierenden nicht mit ungeheurem Fleiß den Stoff selber aneignen müssen."


    Auf der Homepage des Fachbereichs sind nähere Informationen zu dieser Lehrveranstaltung erhältlich. Man muss dort ein Passwort angeben ...

    Trotz aller Hilfen wirbelt Sophie mächtig herum. Denn neben den Pflichtvorlesungen muss sie noch Kleingruppenkurse belegen, in denen etwa juristische Streitfälle diskutiert werden. Und diese Kurse soll sie selbst auswählen. Die 19-Jährige hat zum Glück eine gute Freundin im fünften Semester.

    "Die hat mir per Telefon auch schon paar Tipps gegeben und mich aufgeklärt: Das muss ich nehmen, das muss ich eigentlich nicht nehmen. Wurde sogar schon von meinen Kommilitonen gefragt, wie es funktioniert, weil alle irgendwie glauben, ich habe den Durchblick. Und jetzt hoffe ich einfach mal, dass ich ihn wirklich habe, damit ich auch alles richtig mache bei der Anmeldung."

    Nach ihrem jetzigen Plan ist Sophie fast jeden Tag von 8 bis 18 Uhr an der FU Berlin. Ob sie noch Zeit für ihre Hobbys finden wird, wie Beachvolleyball und Reiten, das weiß sie noch nicht. Aber ihr Professor beruhigt sie bei der Auftaktvorlesung.

    "Man muss es auch nicht übertreiben. Also erstes Semester: Genießen Sie auch das neue Leben!"

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