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Die EU und der Iran
Wandel durch Annäherung?

Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini ist zusammen mit sieben EU-Kommissaren zu Gesprächen in Teheran eingetroffen. Auf der Agenda stehen unter anderem Verhandlungen über den Ausbau der wirtschaftlichen Zusammenarbeit. Beide Seiten planen nach dem Ende der Sanktionen gegen den Iran außerdem eine ständige EU-Vertretung in Teheran zu eröffnen.

Von Kai Küstner | 16.04.2016
    Die Fahnen der Europäischen Union und des Iran hängen nebeneinander.
    Der Iran und die EU nähern sich einander langsam an (EMMANUEL DUNAND / AFP)
    Bevor der EU-Parlamentspräsident Martin Schulz im November vergangenen Jahres in Richtung Teheran startete, rüstete er vorsichtshalber sich selbst und seine ganze Delegation mit einem Satz komplett neuer Smartphones aus – die keinerlei gespeicherte Kontakte oder E-Mails enthielten. Die EU-Vertreter mussten davon ausgehen, dass der iranische Geheimdienst nicht nur jedes Gespräch mithören, sondern zusätzlich auch alle vorhandenen Daten absaugen würde. Es ist eben noch immer eine eigentümliche Mischung aus Zu- und Misstrauen, mit der sich die Europäer und die Iraner begegnen:
    "Nach wie vor ist es so, dass wir mehr als drei Jahrzehnte einer Politik der Trennung hinter uns haben. Das ist jetzt ein sehr zartes Pflänzchen, das wächst."
    Westliche Unternehmer wittern das große Geschäft
    So Martin Schulz in Teheran Anfang November. Auch wenn sich Europa und der Iran jetzt noch ganz behutsam aneinander herantasten – nicht nur der EU-Parlamentschef erzählt, dass man hinter verschlossenen Türen nun sehr offen miteinander reden könne. Und zwar über angenehme und weniger angenehme Themen. Zum Beispiel über die Menschenrechtslage. Zu verdanken hat man das dem Atomabkommen: Infolgedessen der Iran seine Zentrifugen zur Uran-Anreicherung abbaute – und der Westen seine Wirtschafts-Blockade:
    "Die Aufhebung der Sanktionen bringt erstmal das Ende der wirtschaftlichen Isolation. Der Iran steht als Markt wieder zur Verfügung Es ist kein 'verbotenes Territorium' mehr."
    Erklärt der Iran-Experte Cornelius Adebahr von der Denkfabrik Carnegie Europe. Westliche Unternehmer, gerade auch Deutsche, wittern nun das große Geschäft am Persischen Golf. Die EU kann sich von einem verstärkten Studenten-Austausch bis hin zur Zusammenarbeit bei den erneuerbaren Energien eine ganze Menge vorstellen:
    "Was eine große Hoffnung für die Zukunft ist: dass der Iran sich durch einen verstärkten wirtschaftlichen Austausch mittelfristig wandeln wird. Das ist aber bislang einfach nur eine Hoffnung. Und überhaupt nicht garantiert, dass das auch stattfinden wird."
    Der Westen ist auf die Mithilfe des Golfstaats dringend angewiesen
    Völlig unabhängig davon, in welche Richtung sich der Iran entwickelt: Bei der Eindämmung von mindestens zwei Konflikten ist der Westen auf die Mithilfe des Golfstaats dringend angewiesen. In Afghanistan, aber mehr noch in Syrien, spielt der Iran eine Schlüssel-Rolle. Sitzt bei den Friedensgesprächen hier mit am Verhandlungstisch.
    "Das war auch wichtig, dass der Iran da mit an diesen Tisch gekommen ist. Lange Jahre bestand im Westen die Vorstellung, man könne und müsse diesen Konflikt ohne den Iran lösen. Jetzt hat sich herausgestellt, dass das nicht geht."
    Sagt der Iran-Experte Cornelius Adebahr im ARD-Hörfunk-Interview. Nun ist Teheran in diesem Konflikt bislang – ähnlich wie Russland – als Beschützer des syrischen Machthabers Assad aufgetreten. Und konkurriert gleichzeitig mit Erzfeind Saudi-Arabien um die Macht am Golf. Und was die Dinge zusätzlich verkompliziert: Der Iran trägt derzeit nicht nur einen Machtkampf mit Saudi-Arabien aus, sondern auch mit sich selbst. Ob sich die auf Öffnung bedachten Kräfte im Land gegen die religiös-konservativen durchsetzen, ist noch nicht entschieden. Es wird auf absehbare Zeit eine eigentümliche Mischung aus Zu- und Misstrauen bleiben, mit der sich Europa und der Iran begegnen.