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Die EU und ihre Kritiker
Keine Zuschüsse mehr für Europafeinde?

Dass europafeindliche Parteien gegen die EU wettern und dafür auch finanziell von der EU unterstützt werden, halten einige Europaabgeordnete für nicht länger hinnehmbar. Europa dürfe nicht so dumm sein und die eigenen Gegner finanzieren, heißt es. Aber ganz so einfach ist das nicht.

Von Jörg Münchenberg | 15.03.2017
    Rechtspopulisten im Europäischen Parlament: die Britin Janice Atkinson (UKIP), die Französin Marine Le Pen (Front National), der Niederländer Geert Wilders (PVV)
    Rechtspopulisten im Europäischen Parlament: die Britin Janice Atkinson (UKIP), die Französin Marine Le Pen (Front National), der Niederländer Geert Wilders (PVV) (dpa / picture alliance / Olivier Hoslet)
    Der Widerstand kommt reichlich spät, dafür aber jetzt mit aller Macht. Der Chef der größten Fraktion im Europäischen Parlament ist demnach nicht länger bereit, die verbalen Attacken von den Abgeordneten der europafeindlichen Parteien gegen die EU weiter hinzunehmen. Manfred Weber, CSU, will sich wehren und die Gegner dort attackieren, wo es ihnen am meisten wehtut: bei den finanziellen Zuwendungen für ihre Parteiarbeit:
    "Es kann nicht angehen, dass die Europäische Union die eigenen Feinde der Europäischen Union mit EU-Geldern auf Dauer finanziert. Es ist legitim, dass alle Meinungen erlaubt sind in der öffentlichen Debatte. Dass auch alle Positionen, die Europa grundlegend infrage stellen, grundsätzlich erlaubt sind. Wir sind eine offene und demokratische Einheit in der Europäischen Union. Das heißt, jeder darf gegen Europa sein. Die Frage ist aber, ob Europa so dumm ist, die eigenen Gegner zu finanzieren".
    Hundertausende für Europakritiker
    Dabei hat Weber vor allem zwei Gruppierungen im Blick – einmal das Europa der Freiheit und der direkten Demokratie unter dem ehemaligen UKIP-Chef Nigel Farage, für die auf europäischer Ebene wiederum die Allianz für direkte Demokratie gegründet worden ist. EU-Zuschuss 2015: knapp 821.000 Euro. Und im Visier des EVP-Chefs auch der europäische Zusammenschluss unter der Allianz für die Freiheit, der wiederum Front-National-Chefin Marie le Pen angehört. Öffentliche Mittel 2015: rund 494.000 Euro.
    "Wir hatten da einige Events in den letzten Wochen, wo nationalistische rechtsradikale Parteien Events in Europa durchgeführt haben, die mit EU-Geldern finanziert worden sind. Und das ist für mich inakzeptabel. Das ist einfach eine Perversion der Sache, wenn wir unseren eigenen Gegnern auch noch Gelder in den Rachen schmeißen."
    Deshalb soll die EU-Kommission jetzt möglichst schnell einen Vorschlag zur Änderung der Parteienfinanzierung auf EU-Ebene vorlegen. Bislang sind dort die Vorgaben für die Parteien, die wiederum finanzielle Zuschüsse ermöglichen, recht allgemein gehalten. Das könnte man ändern, heißt es jetzt in der EVP, etwa mit einer Verpflichtung einer europäischen Partei auf die Grundsätze des Vertrages von Lissabon, der auch die Ziele und Werte der Union beschreibt.
    Noch viel juristische Feinarbeit
    Doch die Abgrenzung zwischen Zensur und Strafe sei nicht einfach zu bewerkstelligen, warnt auch der Verfassungsexperte der SPD im EU-Parlament, Jo Leinen, der aber den Vorstoß aber grundsätzlich unterstützt:
    "Wir dürfen hier keine Gesinnungspolitik betreiben. Wer die EU kritisiert, der soll das weiter machen und hoffentlich auch Erfolg haben. Wer die EU zerstören will und die Grundwerte der EU negiert und verletzt, der muss nicht belohnt werden. Der soll dann sehen, wo er sein Geld herbekommt. Aber nicht aus dem Europa-Topf."
    Es dürfte letztlich noch reichlich juristische Feinarbeit notwendig sein, bevor ein entsprechender Vorschlag auf dem Tisch liegt. Leinen selbst sieht übrigens auch an anderer Stelle Handlungsbedarf. Demnach sollten alle EU-Abgeordnete, die für den Brexit gekämpft haben, mit Beginn der eigentlichen Ausstiegsverhandlungen zwischen der EU und Großbritannien auf Führungspositionen im Parlament verzichten.
    Das sei eine Frage des politischen Anstandes, meint der SPD-Abgeordnete, aber notfalls müsse über Änderungen in der Geschäftsordnung nachgeholfen werden. Was dann juristisch sicherlich auch nicht unumstritten sein dürfte.