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"Die Farm Bill ist ein Dinosaurier"

Landwirtschaft in den USA und Öko, das verband bisher kaum jemand miteinander, ganz besonders die US-Politik nicht. Doch die Zeiten ändern sich. Bei der Neuverhandlung der Agrarsubventionen, der sogenannten Farm Bill, machen die Ökobauern Front gegen die Subventionierung der industriellen Massenbetriebe.

Von Miriam Braun | 17.04.2012
    Die Reichsten ein Prozent bekommen das größte Stück vom Kuchen. Wall Street Banker und Finanzjongleure? – Nein, ganz kalt. Die Rede ist von amerikanischen Bauern. Die landwirtschaftlichen Großunternehmen konnten im vergangenen Jahr Rekordeinnahmen von 100 Milliarden US-Dollar verbuchen. Trotzdem gab es allein an staatlichen Direktinvestitionen noch mal 25 Milliarden dazu. Das aktuelle US-Agargesetz macht’s möglich. Ben Lilliston vom unabhängigen "Institute for Agriculture and Trade Policy” in Minneapolis in Minnesota:

    "Diese Direktzahlungen sind sehr umstritten und werden viel kritisiert. Sie gehen an die großen Farmen, die einfach und immer in riesigem Stil Getreide produzieren, ganz egal, wie hoch die Preise sind und was der Markt an Signalen aussendet."

    Wer in den USA die Massenkulturen Mais, Soja, Weizen Reis oder Baumwolle anbaut, bekommt Gelder - je größer die Anbaufläche, desto mehr. Bei dem Gros der Betriebe wird gentechnisch oder biotechnologisch verändertes Saatgut genutzt. Neben den Direktzahlungen hält das US-Agrargesetz auch Stützungsgelder bereit, falls die Getreidepreise zu stark fallen. Die Subventionierung der industriellen Massenbetriebe ist in den USA historisch gewachsen. Carolyn Dimitri, Ernährungs- und Landwirtschaftswissenschaftlerin an der New York University:

    "Ganz am Anfang sollten Preise und Mengen stabilisiert werden, es ging immer darum, das Einkommen der Landwirte abzusichern. Heute sieht das überflüssig aus, denn es geht ihnen ja gut. Die Farm Bill ist ein Dinosaurier, ein komplexes Subventionssystem, das keinen Sinn mehr ergibt – aber wenn man die letzten 80 Jahre betrachtet, macht es Sinn."

    In den vergangenen Jahren gewann jedoch auch die Öko-Bewegung immer mehr an Fahrt. Biobauern und Mischbetriebe, die auf lokalen und nachhaltigen Anbau setzen, vermelden eine wachsende Nachfrage und fühlen sich im Förderreigen benachteiligt. Zu Recht, sagt Ben Lilliston

    "Die konventionellen Großbetriebe sind abgesichert gegen Ernteausfälle, gegen Preisschwankungen, sie kriegen ohne Probleme Bankkredite. Wenn man Bio-Farmer ist, sieht das anders aus: Die versichert keiner mal so gegen Ernteausfälle oder Preisschwankungen und sie haben es viel schwerer, einen Kredit zu erhalten."

    Die Spannungen zwischen Großbetrieben und Öko-Farmern wachsen: Die Bio-Bewegung fordert, dass Produkte aus gentechnisch verändertem Saatgut entsprechend gekennzeichnet werden. Und jüngst zogen hunderte Bio-Bauern vor ein New Yorker Gericht: Das gentechnisch veränderte Saatgut der Massenbetriebe lande durch Windverwehungen auf ihren Feldern, kontaminiere ihre Produkte und mache diese unverkäuflich. Auch das Argument, man könne die rasant wachsende Weltbevölkerung nur mit Hilfe der Massenproduktion satt bekommen, bröckelt. Carolyn Dimitri:

    "Das Argument 'Wir müssen mehr und mehr produzieren für die wachsende Weltbevölkerung' lässt außer Acht, dass die konventionellen Anbaumethoden der industriellen Landwirtschaft unsere Böden und Resourcen zerstören. Wenn wir heute unser Ökosystem ruinieren, können wir morgen – wenn wir noch mehr Menschen sind – gar nichts mehr produzieren."

    US-Landwirtschaftsminister ist der ausgewiesene Gentechnik-Befürworter Tom Vilsack. Seine Stellvertreterin Kathleen Merrigan ist dagegen ausgebildete Öko-Ernährungswissenschaftlerin. Nicht nur personell versucht die Regierung auf einen Mix zu setzen. Bio und konventionell könne nebeneinander existieren. Ben Lilliston:

    "Die Obama-Regierung proklamiert immer, dass beides geht. Aber leider sorgt der Status Quo dafür, dass Biobauern kaum in den Markt rein kommen: Die landwirtschaftliche Fläche verteilt sich auf wenige Massenbetriebe und die kontrollieren auf diese Weise auch die Preise für das Land."

    Auch in der EU steht derzeit die Frage nach einer umweltgerechten Landwirtschaft im Zentrum der Reformverhandlungen. Dort geht es jedoch nicht um das "Ob", sondern in welchem Ausmaß die Agrarsubventionen künftig an den Schutz von Natur und Artenvielfalt gebunden sein sollen. Davon ist die USA trotz des Aufbegehrens der Biobauern noch weit entfernt. Carolyn Dimitri:

    "In der EU gibt Subventionen für grüne Betriebe, ökologische Landwirtschaft wird dadurch gefördert. Dort gibt es gezielt Subventionen für Biobauern. In der USA wird das noch dauern, es ist ein politisches Paradox: Es will einfach niemand laut aussprechen, dass ökologischer Anbau nachhaltiger ist als konventionelle Massenbetriebe."

    Zur Verabschiedung eines neues Agrarfördergesetzes könnte es noch in diesem Jahr kommen. Zwar tut sich die Obama-Regierung kurz vor der Wahl schwer mit Entscheidungen, aber alle Beteiligten riskieren, dass die finanziellen Mittel für Agrarsubventionen unter einer neuen Regierung deutlich geringer ausfallen.