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Die Folgen des Dioxinskandals

Die Folgen des "Skandals" um dioxinbelastete Eier sind groß: Der Fall hat Schäden in Millionenhöhe verursacht. Tests, Probeschlachtungen und Verdienstausfälle gesperrter Höfe – wer dafür letztlich aufkommen muss, ist noch nicht klar.

Von Angelika Gördes-Giesen | 21.02.2011
    Hier bei den Legehennen läuft fast alles wieder normal. Carsten Breckweg allerdings hat den Dioxinskandal immer noch nicht so ganz verkraftet. Als Weihnachten im vergangenen Jahr sein Hof in Recke im Kreis Steinfurt gesperrt wurde, ging alles sehr schnell.

    "Im ersten Moment funktioniert man einfach. Sieht halt zu, dass die Eier wieder zurückkommen Man informiert seine Kunden. Es geht nun mal nicht anders, denen musste ich sofort reinen Wein einschenken und sagen: Oh Gott, liebe Leute, stellt die Eier wieder zurück aus dem Verkaufsregal. Ich komme vorbei und tausche sie ein. Da hat man einfach funktioniert und die Punkte abgearbeitet."

    Unterm Strich war nur einer seiner drei Ställe mit 3500 Legehennen betroffen.

    "Alle drei wurden mit einem unterschiedlichen Futter gefüttert, sodass man das auf eine Partie zurückführen kann, die einen erhöhten Fettgehalt in der Ration drin hatten, weil die Tiere in der Bodenhaltung deutlich mehr Fett brauchten, und das konnte man eindeutig diesem Futter zuordnen."

    Die dioxinbelasteten Eier wurden vernichtet und die Hennen geschlachtet, nichts gelangte in den Handel. Der Stall blieb erst einmal leer, in den anderen lief das Eiergeschäft aber normal weiter. Resultat: 15.000 bis 16 000 Eier pro Tag, und so stapelten sich die Eier im Kühlhaus bis zur Decke, denn Hühner lassen sich nicht vorschreiben, wann sie legen. Nach knapp zwei Wochen wurde die Sperrung des Hofes aufgehoben. Carsten Breckweg aber hatte kaum noch Kunden.

    "Die Vermarktung war ab diesem Tag normal, bloß es gab keinen mehr, der die Eier haben wollte."

    Das Eiergeschäft brach nicht nur in NRW zusammen , auch in anderen Bundesländern ging der Absatz stark zurück. Und Carsten Breckweg hat doppelten Schaden.

    "Der Schaden, der direkt durch diese Dioxinproblematik entstanden war, der Schaden ist eher gering , 20.000 bis 30.000 Euro, der viel größere Schaden, der ist halt im Nachhinein entstanden durch diesen zusammengebrochenen Eiermarkt."

    Insgesamt waren in Deutschland fast 6000 Höfe gesperrt. Der Bauernverband verlangt deshalb Schadenersatz. Betroffen waren vor allem Landwirte in Niedersachsen, Schleswig-Holstein und NRW. Alle Landwirte suchen nach Lösungen, die nicht in jahrelangen Prozessen enden. Hubertus Schmitte, Fachanwalt beim Bauernverband in Münster, hat erst einmal eine Schadenauflistung für die Region gemacht.

    "Und das haben wir zusammen kalkuliert auf derzeit 1,1 Millionen. Das ist viel Geld, aber Sie sehen die Relation zu den wirklichen Marktschäden, also da sind es zwanzig Millionen."

    Juristisch korrekt muss sich jeder Landwirt an seinen Futtermittelhändler wenden, der gegen Schadensfälle versichert ist. Fast 30 Händler in ganz Deutschland sind betroffen, die Dioxin belastete Fette eingesetzt haben. Hauptlieferant war Harles und Jentzsch in Schleswig-Holstein. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft sind dort noch nicht abgeschlossen. Deshalb fordert der Bauernverband jetzt einen freiwilligen Entschädigungsfond der Futtermittelindustrie.

    "Wir arbeiten derzeit daran, auf dem Kulanzweg eine Lösung hinzubekommen. Die Futtermittelhersteller haben Futtermittel produziert und hätten sicherlich etwas mehr kontrollieren müssen. Daher sehen wir insgesamt die Futtermittelhersteller in der Verantwortung, und wir arbeiten jetzt mit daran, dass sie freiwillig die entstandenen Schäden regulieren."

    Wie viel jeder bekommt, das wollen die Landwirte dann in eigener Regie unter juristischer Aufsicht klären. Wenn das nicht funktioniert, hat jeder die Möglichkeit zu klagen, erklärt Hubertus Schmitte. Auch die Landwirte, die nur gesperrt wurden, aber wo keine Dioxinbelastungen nachgewiesen werden konnten, können ihre Forderungen geltend machen.

    "Erst einmal muss man ja sagen, der, der wirklich schadhaftes Futtermittel bekommen hat, der hat ganz klar einen Anspruch gegen seinen Futtermittellieferanten. Aber das sind nur fünf, die anderen sind gesperrt worden. Später stellte sich dann heraus, die Sperrung war zwar berechtigt, aber ohne Ergebnis. Es bestand eine Gefahr, ja, da sagt die Rechtssprechung: Die können ihre Schäden der Ordnungsbehörde melden, das ist der Kreis."

    Bis heute ist noch unklar, ob sich die Futtermittelindustrie auf die Kulanzlösung einlassen wird. Für Carsten Breckweg beläuft sich der Schaden auf circa 60 000 Euro. Ob er eine komplette Entschädigung bekommt - da ist er skeptisch. Aber die Eierpreise steigen jetzt wieder, denn das Ostergeschäft läuft langsam an.