Donnerstag, 28. März 2024

Archiv

Die französische Insel Oléron
Natur pur im Atlantik

Ein Paradies zum Segeln, Kajakfahren und Rudern - Oléron im Atlantischen Ozean ist die zweitgrößte französische Insel. Im Vergleich zur touristisch sehr erschlossenen Nachbarinsel Île de Ré gilt sie als wild: Moore, Salzseen und Dünen, umgeben vom rauen Atlantik. Aber auch Küche und Kultur locken Touristen auf die Insel.

Von Martina Zimmermann | 13.08.2017
    Eine Reihe bunter Strandhäuschen steht 2012 aufgereiht am Strand der französischen Atlantik-Insel Oléron.
    Alte, bunt angestrichene Fischerhütten am Strand von Saint-Denis-d'Oléron auf der französischen Atlantik-Insel Oléron. (imago / alimdi)
    "Ihr wisst es noch nicht, aber ihr werdet völlig ausgeraubt werden! Ich bin der Tod, zu alt, um auf ein Boot zu steigen; zu feige, um mich aufs Meer zu wagen! Aber ausreichend Schurke, um niederträchtige Fallen aufzustellen und Schiffe zum Untergang zu bringen."
    Keine Angst: Dieser Landpirat mit dem langen Säbel ist ein Schauspieler, der die Legende von den Ureinwohnern der Insel nachspielt: Sie sollen mit Lichtern Schiffe in die Irre geleitet und zum Kentern gebracht haben.
    Mit über die Knie reichenden Lederstiefeln und Lederhandschuhen bis zum Ellbogen empfängt Philippe Couteau Besucher im Fort von Chassiron. Dann lässt er sie auf den Leuchtturm am nördlichsten Punkt der Insel. Die 224 Stufen hinaufzusteigen ist der Preis für eine im wahrsten Sinne atemberaubende Aussicht auf Meer und Insel, erklärt die Insulanerin Marie-Françoise Sabellico.
    Fischerei und wilde Natur
    "Wir haben hier als Landschaft das Watt: Man kann hier fischen, bei Ebbe Krabben und wilde Austern und Bigorneau-Muscheln einsammeln. Beim heutigen Sonnenwetter sehen wir La Rochelle und sogar die Brücke, die auf die Ile de Ré führt. Vor uns liegt der Atlantik. Gute Fischer können hier auch Wolfsbarsch fischen, aber die Wellen können gewaltig sein."
    Die Oléron-Insel ist 34 km lang und an der breitesten Stelle 12 km breit. 175 Quadratkilometer mit einer wilden Natur. Flora und Fauna sind eine Mischung aus Atlantik und Mittelmeer, hier wachsen Stein- und Kermeseichen, die für Schatten sorgen, Pinien und Kiefern. Die feinen Sandstrände mit Dünen werden gesäumt von Wäldern. 285 Vogelarten fühlen sich hier wohl, bei Ebbe spazieren Tausende von Silbermöwen im Watt.
    Am Meeresrand und im Innern der Insel befinden sich Moore mit Bächen und Salzseen: Dort wird Salz gewonnen und es werden Austern gezüchtet. Die Luft riecht und schmeckt nach Jod.
    "Wir sind kein Meeresdisneyland"
    Am frühen Morgen ist es still, das Meer hat sich zurückgezogen, und die Landschaft leuchtet: Die aufgehende Sonne wirft ihr Licht auf das Wattenmeer mit seinen Rillen und Häufchen, am Strand glitzern Kieselsteine. Soweit das Auge reicht funkelt auch das blaue Meer, und die Sonne strahlt auch auf die Pinien, die den Strand säumen.
    James Robert schwärmt: "Wir haben hier eine außergewöhnliche Lebensqualität: Außergewöhnliche Lebensmittel, und Ruhe. Ich bin in der ganzen Welt herumgekommen und finde, auf Oléron gibt es noch echte Menschen: Wir sind kein Meeresdisneyland."
    James Robert serviert in einer einfachen Fischerhütte im Moor gastronomische Köstlichkeiten, darunter die Austern, die der Mann um die 60 selbst in den ehemaligen Salzseen züchtet.
    "Mein Urgroßvater war Salzwerker, er stellte Salz her. Mein Großvater war Fischer. Ich habe Koch gelernt. Meine Großmutter mütterlicherseits war Köchin und mein Vater war Austernzüchter: Letztendlich mache ich alle Berufe der Familie, der Gedanke gefällt mir. Der Kreis schließt sich."
    Kunsthandwerk in leerstehenden Fischerhütten
    Aber die Zahl von Austernzüchtern und Fischern geht zurück, die jungen Leute suchen eine leichtere Arbeit. Im Badeort Dolus d’Oléron wurden die leerstehenden Fischerhütten bunt angestrichen und in Werkstätten für Künstler und Kunsthandwerker umgewandelt. In einem der Läden verkauft Fabien Banjos und Ukulele-Gitarren.
    "Alle Werkstätten verkaufen nur, was hier hergestellt wird."
    Unter den Kunden sind viele Hobbymusiker, die sich für das kleine und platte Modell interessieren, das in dieser Werkstatt exklusiv hergestellt wird. Fabien erklärt das Spiel mit dieser Ukulele einem Gitarristen.
    "Sie müssen hauptsächlich mit dem Zeigefinger spielen. Machen Sie eine Bewegung als wollten Sie ein Insekt verjagen. Dann haben sie den typischen Sound. Ich habe am Anfang meine anderen Finger eingebunden um sie beim Ukulele-Spiel nicht zu benutzen."
    Um 1900 kamen vor allem betuchte Badegäste
    Die Oléron-Insel hat 20.000 Einwohner, im Sommer sind es zehnmal so viele. Die ersten Urlauber kamen Ende des 19. Jahrhunderts zur Sommerfrische. Die Fischerhütten waren den reichen Städtern damals nicht fein genug. Deshalb bauten sie Häuser direkt am Meeresufer: Villen mit einem steilen Dach, unter dem sich die Zimmer fürs Personal befanden.
    Die Damen wollten zur Jahrhundertwende im Meer baden, aber ihren Porzellanteint behalten und auf keinen Fall so braun werden wie die Bäuerinnen, die auf den Feldern arbeiteten. Deshalb zogen sie in Badekabinen sechsteilige Badekostüme an. Die Kabinen konnten wie Wohnwagen gezogen werden, erklärt Patrice Saintespeces bei der Führung durch Saint Trojean amüsiert.
    "Wenn sie fertig war, zog die Dame an einer Schnur und eine Fahne an der Kabine zeigte, dass sie bereit war. Dann kam der Strandwärter mit seinem Pferd und zog die Kabine ins Wasser und ritt wieder davon. Die Dame kam aus ihrer Kabine und ging planschen. Die Ärzte empfahlen nicht zu lange im Wasser zu bleiben und beim ersten Frösteln herauszugehen.
    Zehn Minuten später kehrte sie also in die Kabine zurück, zog an einer anderen Schnur, die eine andere Fahne hisste, die bedeutete dass das Baden vorbei war. Der Wärter kam mit seinem Pferd und zog die Kabine diesmal auf der anderen Seite wieder heraus ins Trockene. Die Zimmerfrau half der Dame beim Anziehen der Stadtkleider und sie verließen die Kabine durch eine Tür zum Strand."
    "Weit weg von allen Sorgen der Welt"
    In Saint Denis d’Oléron gehen die Menschen in kurzen Hosen im Watt auf Krabbenjagd. Kinder bauen Sandburgen, und ein paar Rentner sitzen im Liegestuhl eines Cafés. Vor ihnen steht ein Glas Weißwein zum Aperitif. Der ehemalige Ingenieur Jean Pinotto freut sich.
    "Das Leben ist schön. Man fühlt sich auf der Insel weit weg von allen Sorgen der Welt! Man kann viel spazieren gehen und Rad fahren, es ist wirklich schön hier."
    Seine Freundin Anne Karenke hat 30 Jahre lang in Deutschland gelebt. Die Oléron-Insel kannte sie vom Urlaub mit den Eltern.
    "Als ich beschlossen habe nach Frankreich wieder zu ziehen, ich hab mich von meinem Mann getrennt, wohin? An den Ort wo ich die meiste glückliche Zeit verbracht habe. Und das war Oléron."