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Die gegenseitige Beflügelung von Poesie und Terror

In seinem jugendlichen Enthusiasmus für den Befreiungskampf gegen Napoleon verherrlichte Theodor Körner – ob gereimt oder in Prosa – den Tod auf dem Schlachtfeld. Er fand dort auch den Tod, den er geradezu hymnisch besang, noch bevor er 22 Jahre alt war am 26. August 1813.

Von Cornelie Ueding | 26.08.2013
    "Nein. Lasst uns sterben, wie es Männern ziemt. Zeigt eurem Feind das Weiße in dem Auge. Ringt mit dem Tod. Bezahlt den Tropfen Blut, den letzten, noch mit eines Feindes Leben. Nur unter Leichen bettet sich der Held, die er vorausgesandt als Todesopfer. Wer so wie wir den großen Schwur gelöst, wer so für Gott und Vaterland gefallen, der lebt im Herzen seines Volkes fort. Und kämpft sich oben in das ewige Leben und gehet ein in Gottes Herrlichkeit."

    Im Sommer 1812, ein Jahr vor seinem frühen Tod auf dem sogenannten "Feld der Ehre", schrieb Theodor Körner Zriny, ein Stück über den ungarischen Freiheitskampf gegen die türkischen Eroberer, das zu seinem größten Theatererfolg wurde. Dieser heute erschreckend töricht und gewissenlos erscheinende Text war weiß Gott kein völkisch-nationaler Ausrutscher des am 23. September 1791 in Dresden geborenen und am 26. August 1813, mit noch nicht einmal 22 Jahren, bei einem bedeutungslosen Scharmützel mit den Truppen Napoleons nördlich von Schwerin zu Tode gekommenen Dichters Theodor Körner. Mit seinem Entschluss, die erst wenige Monate zuvor begonnene, aussichtsreiche Laufbahn als Hoftheaterdichter in Wien zugunsten der aktiven Mitwirkung am deutschen Befreiungskampf abzubrechen, lag Körner durchaus im Trend seiner Zeit.

    "Deutschland steht auf. Der preußische Adler erweckt in allen treuen Herzen durch seinen kühnen Flügelschlag die große Hoffnung einer deutschen Freiheit. Meine Brust seufzt nach ihrem Vaterlande. Ja, liebster Vater, ich will Soldat werden. Ich will das hier gewonnene glückliche und sorgenfreie Leben mit Freuden hinwerfen, um, sei's auch mit meinem Blute, mir mein Vaterland zu erkämpfen."

    Viele seiner ausufernden Gewaltverklärungsfantasien sind dem befreiungsseligen Zeitgeist zuzuschreiben, manches auch dem jugendlich-pathetischen Naturell des Sohnes aus gutem und ganz offenbar liberalen Hause, der alle paar Monate ein neues Lebensziel ansteuerte: vom Bergbau- zum Jurastudium, vom Sänger und Theaterdichter zum Soldaten im Lützow'schen Freikorps. Doch was in Körners berühmtem Gedichtband "Leyer und Schwerdt" an Rache-, Wut- und Blutfantasien auf den Leser einhämmert, ist doch eher ungewöhnlich. Er schwelgt in Kriegsfantasien von "Pulverdampf" und "Siegesruf", "Schlachtengott", "Wolkenbrand" und "Vaterland", dass einem Hören und Sehen vergeht. Kein Gemetzel, das ihm nicht zu "Götteratem" in Blankversen wurde, keine elende Vernichtung, die bei ihm nicht zum erhebenden Opfergang mutierte.

    Man könnte den wilden, jungen Mann, der einen sinnlosen Tod verklärte und starb, zu den historischen Akten legen - irgendwo zwischen Freiligrath und Vergessen – wäre da nicht das beunruhigende Phänomen, dass dieser lyrische Hassprediger aus dem Geist der nationalen Gesinnung zu den ganz wenigen Autoren gehört, die nie wirklich vergessen wurden, gerade wegen dieses Angebots, Krieg und Gewalt zu verklären. Der junge Kriegsgott und Märtyrer blieb, unter unterschiedlichen Vorzeichen, in einem Maße im kollektiven Gedächtnis, das in keinem Verhältnis zur literarischen Qualität seiner Gesänge steht: Körner-Eichen und -Linden, Mahn- und Denkmäler ohne Zahl; und durchaus nicht nur im nostalgischen 19. Jahrhundert.
    "Frisch auf mein Volk! Die Flammenzeichen rauchen,
    Hell aus dem Norden bricht der Freiheit Licht.
    Du sollst den Stahl in Feindes Herzen tauchen;
    Frisch auf, mein Volk! – Die Flammenzeichen rauchen,
    Die Saat ist reif – ihr Schnitter, zaudert nicht!"

    Nicht erst die Nazis priesen das "klirrende Pathos" seiner Kampflieder; schon die Feiern zu seinem 50. Todestag 1863 gerieten zu einer nationalen Huldigung. Der 100. Geburtstag ließ aus der Kultfigur einen Mythos, aus einem Heroen einen Götzen werden. Und der folgerichtig letzte Schritt dieser verhängnisvollen Adorationsspirale war die Verklärung des Kriegsdichters zum rassereinen Arier.

    Besorgniserregend ist, dass er auch heute im Netz noch gut vertreten ist, nur einen Mausklick von den einschlägigen Neonaziseiten entfernt.
    Die magische Eingängigkeit von "Tod-Feind-Ehre-Opfer-Parolen" scheint ungebrochen – noch dazu, wenn sie wie bei Theodor Körner im idealistisch–frohgemuten, suggestiv-verklärenden Tonfall daherkommt. Poesie und Terror schließen sich wahrhaftig nicht aus. Sie beflügeln sich gelegentlich sogar.